Der Himmel soll warten

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Kinderbuch Couch
90%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonNov 2005

Idee

originelle, überzeugende Hauptfiguren auf der Erde und im Zwischenhimmel

Bilder

feine, ansprechende Illustrationen voller Witz und Wärme

Text

gut geschriebene Dialoge und Beschreibungen der Seelenzustände der Protagonisten mit Tiefe, ohne Sentimentalität

Den Tod als allgemeingültiges Phänomen anzuerkennen, ist eine schwere Last, besonders für Julian und Greta, die so lange sie denken können, immer mit der resoluten Omalotte zusammen waren. Die Kinder können weder begreifen noch akzeptieren, das Omalotte für immer fort sein soll. Die Geschwister beschließen Omalotte von ihrer Wolke herunterzuholen, indem sie schreckliche Dinge anstellen und sich furchtbar daneben benehmen. Die Oma wird sich so sehr über die Streiche der Enkel ärgern, dass sie auf jeden Fall wutentbrannt wieder auf die Erde zurückkehren wird. Auch Omalotte, die sich im Zwischenhimmel mit dem pausbäckigen Engel Gustav der Siebte befindet, schaut voller Sehnsucht und Bedenken auf ihre Lieben hinab. Aber ihr sind die Hände gebunden, denn sie ist nur noch Zuschauerin der unheilvollen Ereignisse, die sich anbahnen.

Julian und Greta leben mit ihrer Mutter zusammen. Der Vater der Kinder, Omalottes Sohn, ist vor vier Jahren verstorben. Die Erinnerungen der Geschwister an ihn sind nur noch blass. Auch die Mutter trauert um ihre Schwiegermutter, die immer in der Familie gelebt hat. Nun ist ein neuer Mann in ihr Leben getreten. Die Kinder nennen ihn, ";dieser Michael” und geben ihm keine Chance. Sie mögen seine coolen Sprüche nicht, die nur ein Zeichen für seine unbeholfene Art sind, sich den Kindern zu nähern. Julian baut eine Mauer um sich auf. Nur seine jüngere Schwester Greta kann ihn erreichen. Die Kinder schmieden gemeinsam einen Plan und wollen mit ihren Provokationen in der Schule, im Kindergarten und vor allem Zuhause die geliebte Oma wieder auf den Erdboden zurückholen. Willensstark und unglücklich ziehen die Geschwister ihr Vorhaben durch und besiegeln ihren Bund mit einem Schwur zur Verschwiegenheit. Wer ihn bricht, dem fällt die Hand ab.

So schlagen Greta und Julian die gemeinsam gebackenen Weihnachtskekse entzwei, Julian macht keine Hausaufgaben, Greta isst nicht mehr im Kindergarten, spielt nicht mehr, beide Kinder laufen einfach an einem winterkalten Nachmittag davon und werfen das Familienerbstück, einen wundervollen Ring, ins Meer. Die Erwachsenen sind verzweifelt.

Die verstorbene Omalotte hält sich im Zwischenhimmel auf und betrachtet mit Rührung und Stolz die Ereignisse in der Familie, aber sie ist auch besorgt. Gustav der Siebte, ein dicker Engel, soll die störrische Großmutter bis zum Weihnachtsfest in den Himmel geleiten, aber die Oma weigert sich, denn sie fühlt, sie kann noch nicht gehen. Rigoros fordert sie von ihrem Reisebegleiter, dass er helfen soll, aber ihm sind ebenfalls die Hände gebunden. Was sich auf der Erde abspielt, gehört nicht zu seinem Aufgabenbereich. Er kann Omalotte nur in die Besonderheiten des Himmels einweisen. Als Omalotte bemerkt, dass sie ihr geblümtes, hässliches Nachthemd gegen alle möglichen flotten Klamotten austauschen kann, ist sie zwar erfreut, aber nicht von den Problemen zu Hause abgelenkt. Die Geschwister müssen auch feststellen, dass unartig und richtig böse sein, anstrengt und eigentlich gar keinen Spaß macht.

Als Greta und Julian an einem winterkalten Abend sich verlaufen und einschlafen, steht die Oma kurz vor einem Herzinfarkt, wäre sie nicht schon tot. Gustav schickt den Kindern einen Traum, in dem Omalotte beide küsst.

Die Geschwister glauben nun endgültig, dass die Oma noch in ihrer Nähe ist. Es gibt nur eine Möglichkeit Omalotte wiederzusehen: Julian muss sterben.

Er stellt sich mit seiner Erkältung im Nachthemd auf den eiskalten Balkon.

"; Und dann würde er in den Himmel marschieren und den Leuten dort mal ordentlich seine Meinung geigen. Und Omalotte natürlich auch. Die hatte doch schließlich ständig gepredigt, dass die Familie das Wichtigste sei. ";

Die Oma muss hilflos alles mit ansehen. Sie kann nichts mehr unternehmen, um die Kinder von dieser sinnlosen Tat abzuhalten. Greta ist an den gemeinsamen Schwur gebunden, aber sie fühlt doch, dass ihr Bruder sich in wahrer Gefahr befindet. In ihrer Verzweiflung spricht sie mit Michael, zu dem sich doch ganz langsam ein vertrauensvolles Verhältnis entwickelt hat, und rettet ihren Bruder.

In ihrem ersten Kinderbuch nimmt die Hamburger Autorin sich des schwierigen Themas Tod mit Einfühlungsvermögen und Humor an. Die Familie findet keinen Weg, um gemeinsam zu trauern. Die Kinder wollen sprechen und die Erwachsenen schweigen meist. Der neue Partner der Mutter nimmt einen immer größer werdenden Platz ein, den die Kinder nicht freigeben wollen. Dialogreich und voller Tempo treibt die Autorin die sich zuspitzenden Ereignisse voran. In ihrem Erzählton hält sie überzeugend die Balance zwischen den traurigen und den lustigen Szenen. Sybille Heins feine in schwarz-blau gehaltene Illustrationen zwischen Himmel und Erde unterstreichen den unsentimentalen Grundton der Geschichte.

Katja Henkel kombiniert ihre realistische Alltagsgeschichte mit fantastischen Elementen zum Teil aus der Sicht der Kinder, dann wieder aus dem Blickwinkel der Oma im Zwischenhimmel. Niemand kann sie ersetzen, also muss Omalotte wieder zurückkommen. Diesen Denkansatz der Geschwister nimmt Katja Henkel ernst und verfolgt konsequent die Grundidee bis zum bitteren Ende. Mit der unsichtbaren Omalotte im Hintergrund und ihren komischen Abenteuern mit dem unbeholfenen Engelsgefährten mildert sie für den Leser die Schwere der Ereignisse, die letztendlich beinahe auf eine Katastrophe zulaufen. Die Kinder gewinnen die Erkenntnis und den Trost, dass ein wichtiger Mensch nicht verschwinden muss, denn die Erinnerung und die Zuneigung bleiben.

";Ich hätte gerne gehabt, dass man mit dem Thema Tod so umgeht, wie es in dem Buch steht. Auch mit einer gewissen Leichtigkeit, weil das einfach zum Leben dazugehört und ohne Tod gäbe es auch kein Leben. Dass man sich so einfach ein bisschen diese Menschen bewahrt, die schon noch da sind, obwohl sie nicht mehr auf der Erde sind und aber auch weiß, man muss sie auch gehen lassen, man kann die nicht immer festhalten, in Gedanken, man muss sie irgendwann auch gehen lassen.”, sagte Katja Henkel nach einer Lesung in Berlin.

Fazit:

Katja Henkels Kinderbuch kann eine Brücke im Gespräch zwischen den Generationen bauen. Voller Intensität und mit Humor beschreibt sie in ihrer fantasiereichen und doch emotional nachvollziehbaren Geschichte den Verlust eines Menschen und den langsamen Prozess des Loslassens.

Karin Hahn

Der Himmel soll warten

Katja Henkel, Bloomsbury

Der Himmel soll warten

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