Der König von Narnia
- Ueberreuter
- Erschienen: Oktober 2005
- 76
Der bereits im Jahr 1950 erstmals erschienene Klassiker von C. S. Lewis mit dem Originaltitel ";The Lion, the Witch and the Wardrobe"; wurde in diesem Jahr mit der Neuübersetzung von Christian Rendel und Wolfgang Hohlbein vom Ueberreuther Verlag neu aufgelegt. Und mit ihm wird auch im Dezember 2005 der Film zu dieser fantastischen Geschichte in die Kinos kommen. Für die Kinder heutiger Tage - nach mehr als fünfzig Jahren - ist die Geschichte über das Land Narnia noch immer mitreißend. Warmherzig und stimmungsvoll nimmt es Kinder, heute wie damals, mit in ein ganz und gar atemberaubendes Abenteuer...
Wie in einem klassischen Märchen eröffnet uns C. S. Lewis die Welt von Narnia: ";Es waren einmal vier Kinder, die hießen Peter, Susan, Edmund und Lucy."; Diese vier Kinder, allesamt Geschwister, werden während des Zweiten Weltkrieges, wie es dieser Tage so üblich war, wegen der Luftangriffe auf London auf das Land geschickt. So finden sie sich in dem alten, sehr weitläufigen Haus eines allein stehenden Professors wieder.
Bei einer ihrer Entdeckungsreisen durch das historische und verwinkelte Gemäuer, entdeckt die Jüngste, Lucy, in einem der vielen Zimmer einen alten Kleiderschrank. Als sie ihn betritt, verwundert darüber wie groß der Schrank im Innern ist, stellt sie bald fest, dass sie sich nicht länger in dem Haus des Professors befindet, sondern in einer verschneiten Winterlandschaft - im Land Narnia. Als sie, zurückgekehrt, von ihrem Abenteuer berichtet, glauben ihr die Geschwister kein Wort, denn für sie ist kein Moment vergangen, seit Lucy im Schrank verschwunden ist. Die aber beteuert, dass sie bei ihrem Besuch in Narnia Stunden zugebracht haben muss. Ihr Bruder Edmund gelangt auf demselben Weg nach Narnia, trifft dort aber auf die Weiße Hexe, die ihn mit ihren Zauberkünsten verhext, so dass Edmund verspricht, ihr die weiteren drei Geschwister zu bringen. Die Hexe hat nichts Gutes mit den Kindern im Sinn, das wird nur allzu deutlich.
Schließlich gelangen tatsächlich alle vier Geschwister nach Narnia und treffen glücklicherweise zunächst auf Herrn Biber, der ihnen berichtet, dass sie sich mit ";Aslan";, dem König von Narnia, treffen werden. Aslan, ein Löwe, ist der einzige, der den ewigen Winter und damit die grausame Herrschaft der Hexe beenden kann. Hat sich doch die böse Hexe während Aslans Abwesenheit selbst zur Königin von Narnia ernannt und verwandelt jeden, der ihr nicht folgt, zu Stein. Edmund, der noch immer ganz im Bann der Hexe steht, nutzt einen unbeobachteten Augenblick und stiehlt sich von seinen Geschwistern und dem Biber fort, um die Weiße Hexe vor der Allianz mit Aslan zu warnen. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt.
Während die Hexe sich noch auf dem Weg zum geheimen Treffpunkt befindet, wird es binnen Stunden Frühling - und schließlich Sommer. Ein sicheres Zeichen, dass die Macht Aslans wieder zurückgekehrt ist. Die Weissagung Narnias besagt zudem, dass vier Geschwister die vier Throne Narnias einnehmen werden und Narnia gerecht regieren werden. Aus diesem Grund erwägt die Hexe, um die Erfüllung der Weissagung zu verhindern, Edmund zu töten, so dass es nunmehr nur noch drei Geschwister wären. Gerade als sie sich daran macht, ihre grausame Tat umzusetzen, retten die treuen Verbündeten Aslans Edmund und bringen ihn zu seinen Geschwistern, die sich bei dem Löwen bereits in Sicherheit befinden.
Die Weiße Hexe fordert Genugtuung: Ein Gesetz Narnias besagt, dass sie das Recht habe, Verräter zu töten. Mit dem Verräter meint sie Edmund. Damit hätte sich ihr gefasster Plan, Edmund zu töten, doch noch erfüllt. Und leider: Gegen dieses alte Gesetz ist auch Aslan machtlos. In einer geheimen Verhandlung zwischen dem Löwen und der Hexe erhält Edmund aber doch noch Begnadigung. Der Preis für Edmuns Leben ist hoch: An seiner statt muss Aslan sich opfern lassen. Nur Lucy und Susan sind bei diesem grausamen Ritual dabei, die anderen, allen voran Edmund, ahnen nichts von diesem Handel. Vollkommen verzweifelt und in tiefer Trauer verbringen sie die Nacht an der Seite des toten Löwen. Doch plötzlich stellen sie fest, dass der steinerne Opfertisch in zwei Teile zerborsten und von der Leiche Aslans keine Spur mehr zu sehen ist...
In einem temporeichen Finale, bei dem das Gute ohne nennenswerten Widerstand sicher und souverän siegt, dürfen wir zu unser aller Beruhigung miterleben, wie die böse Hexe vernichtet wird und mit ihr auch die meisten der finsteren Gestalten. Doch eines Tages, nach Jahren ihrer gerechten Herrschaft über Narnia, finden sich die Kinder in dem Haus des Professors wieder, wo seit ihrem Verschwinden kaum eine Minute vergangen zu sein scheint...
Mit seiner leichten und unpretentiösen Sprache vermag es C. S. Lewis wunderschöne, anrührende Bilder vor unserem inneren Auge entstehen zu lassen: Die beiden Mädchen, die Aslan bei seinem schweren Gang zum Opfertisch begleiten, jede an einer Seite, ihre Hände in seine dichte, königliche Mähne vergraben; der berauschend euphorische Ritt auf dem Rücken des mächtigen Aslan. Diese Momentaufnahmen sind eingebettet in die Landschaft Narnias, die Lewis sehr lebendig beschreibt, ohne sich in langatmigen ";Monologen"; zu verlieren. Die Atmosphäre Narnias und besonders das Naturschauspiel, als der Winter binnen weniger Stunden dem Frühling weicht, erfreut das Herz, macht die unberührte Natur dieses fantastischen Landes beinahe greifbar. Es demonstriert unbändige Lebensfreude und mit ihr die Übermacht des Guten, wie es das kalte Böse, das Narnia in seinen Klauen hält, allein durch seine Anwesenheit besiegt.
Die Charaktere der Fabelwesen und sprechenden Tiere sind klar und, bei aller Kurzweiligkeit der Geschichte, mit erstaunlich hohem Erinnerungswert herausgearbeitet. Durch ihre, für sie typischen Handlungen, in denen man viel von dem Humor des Autors entdecken kann, werden sie für uns umso sympathischer.
Besonders hat mich beeindruckt, wie wirkungsvoll C.S. Lewis die Kinder direkt in seinen Erzählungen anspricht. Für mich einer der massgeblichen Aspekte, dass dieses Buch so viel Wärme und persönliche Präsenz des Autors auszustrahlen vermag und dadurch schwierig zu vermittelnde Gefühle oder Stimmung erläutert. Dies geschieht auf so herzliche und sympathische Weise, dass sich die kleinen Abenteurer einfach angesprochen fühlen müssen.
(";";Wo sind wir denn hier?"; kam Peters Stimme, die sich in der Dunkelheit müde und blass anhörte. (Ich hoffe, Du weißt, was ich damit meine, dass eine Stimme sich blass anhört.)";)
Das Kind wird so in das Geschehen involviert. Sie werden sich mit der Sprache intensiver auseinandersetzen, denn ist eine solche Frage erst einmal aufgeworfen, werden sie überlegen, aus welchem Gefühl eine ";blasse Stimme"; entstammen könnte.
C.S. Lewis behält beim Schreiben die Befindlichkeiten seiner jungen Leser und Zuhörer stets im Auge. Mit einem beeindruckenden Spürsinn entdeckt er dunkle, beängstigende Schluchten seiner Geschichte und weiß sie gefühlvoll zu begleiten ohne sie aber zu vermeiden. Dies geschieht zum einen wiederum durch die direkte Ansprache, die auch gerne mal humorvoll eingesetzt wird aber auch durch das aufmerksame Ersuchen der kindlichen Empathie. Hier ist besonders der bedrückende Wendepunkt der Geschichte hervorzuheben, an dem der Löwe stirbt - ein für uns unumkehrbarer Schlusspunkt, der tiefe, schmerzhafte Gefühle auslöst. Der Tod des geschundenen und gedemütigten Aslan, der sich zu keinem Zeitpunkt zur Wehr gesetzt hatte, stürzt die beiden Mädchen in tiefe Trauer. C.S. Lewis hält an diesem Punkt seiner Geschichte inne und nimmt seine ";Mitreisenden";, im übertragenen Sinne, an die Hand, um ihnen die dargestellten Gefühle zu erklären - er stellt sich so zwischen die Kinder und das aufwühlende Geschehen: ";Ich hoffe, niemand, der dieses Buch liest, war jemals so unglücklich, wie Susan und Lucy es in jener Nacht waren; aber wenn du das schon einmal erlebt hast - wenn du schon einmal die ganze Nacht durchwacht und geweint hast, bis du keine Tränen mehr in dir hattest - , dann weißt du, dass am Ende so etwas wie Stille einkehrt. Man fühlt sich, als ob nie wieder irgendetwas geschehen würde.";
Meist aber hält sich C.S. Lewis ohnehin nicht lange mit gewaltvollen Szenen auf. Auf eine langwierige Darstellung von Brutalität verzichtet er. Dabei sind seine Erzählungen nicht minder spannend! Im Gegenteil. Es gefällt mir persönlich besonders gut, dass die jungen Leser und Zuhörer nicht durch unnötige und gewaltvolle Details auf die Folter gespannt werden - der Rest wird ihrer eigenen Fantasie überlassen und so können keine ";Schreckensvisionen"; aufgebaut werden, die sie aus sich heraus nie gehabt hätten.
Sehr auffällig und wohltuend ist die Omnipräsenz des Guten: Aslan, der Löwe, ist jeder noch so dunklen Macht überlegen. Er ist so stark, dass er sich zur Schwäche entschliessen muss, damit das Böse siegen kann. Aber der Triumph der finsteren Gestalten Narnias währt nicht lange, denn das Gute ist nicht nur stärker, sondern auch weiser.
Es ist ein Buch voller Symbolik und mit allen Zutaten für ein richtig gutes Märchen, ein romantisches Märchen mit viel Atmosphäre und Herz, das manchem vielleicht etwas ";gefühlsduselig"; vorkommen mag. Ich aber reklamiere, dass dies ein Buch für Kinder ist. Dabei ist es sowohl für Jungen (denn schließlich werden die beiden Jungen Peter und Edmund noch zu Rittern geschlagen) als auch für Mädchen ein unterhaltsamer und leichter Lesestoff, der gar nicht besser in diese bevorstehende, lange Winterzeit passen könnte.
Neben dem ";König von Narnia"; werden im Ueberreuter-Verlag noch sechs weitere Bücher über Narnia erscheinen und auch ";Die Chroniken von Narnia"; mit Illustrationen der Erstausgabe. Seit Veröffentlichung der ";Chroniken";, im Jahr 1950, erreichten C.S. Lewis´ Bücher weltweit eine Auflage von 85 Millionen Exemplaren.
Fazit:
Ein wunderbares Märchen, auch zum Vorlesen, das in klassischer Form, jedoch in neuem Gewand und neuer Übersetzung auch heute noch viele Liebhaber finden wird. Durch die direkte Ansprache des Autors und durch seine gefühlvolle Erzählweise voller Humor und Wachsamkeit, ist es ein durch und durch harmonisches Buch - in dem, es sei mir dies gestattet, eine gewisse Unschuld liegt und damit eine wahre Wohltat für Kinder und Eltern heutiger Tage sein dürfte. Warmherzig und fantasievoll umfängt es uns und beschert uns zauberhafte Augenblicke.
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