Über den eigenen Schatten springen
Nein, damit hat Dachs nicht gerechnet. Tante Lula lässt nicht nur ihn in ihrem alten Haus wohnen, sie lädt auch ausgerechnet Stinktier ein, ebenfalls ins Haus einzuziehen. Das, wo Dachs doch so gerne alleine ist und seine Ruhe haben möchte. Stinktier ist das pure Gegenteil von ihm: laut, lebendig … und ein wunderbarer Koch. Stinktiers Frühstück ist so toll, dass sogar Dachs nicht anders kann, als es genießen. Und das, obwohl er doch sonst gar nicht so viel Wert auf das Essen legt. Viel wichtiger ist ihm nämlich seine Steine-Forschung. Aber jetzt, da Stinktier mit ihm Haus wohnt, ist nichts mehr so, wie es immer gewesen ist. Dachs fühlt sich gestört – und muss trotzdem zugeben, dass es gar nicht so schlimm ist, mit Stinktier unter einem Dach zu wohnen. Doch bewusst wird ihm das erst, als Stinktier verletzt von der ständigen Zurückweisung das Haus verlässt und Dachs sich Gedanken darüber machen muss, wie er ihn zurückgewinnt.
Den anderen akzeptieren, wie er ist
Amy Timberlakes Buch ist ein wunderbares Anschauungsstück in Sachen Toleranz und Kompromiss. Mit einer feinen Feder skizziert sie den brummigen Dachs, der ganz seinem tierischen Naturell folgend am liebsten alleine ist und sich plötzlich mit einem Gegenüber konfrontiert sieht, das er zunächst absolut nicht versteht. Erst nach und nach bewegt sich der behäbige Dachs auf das agile Stinktier zu und beide erleben, wie wertvoll es ist, über seinen Schatten zu springen und Toleranz walten zu lassen.
Obwohl die Autorin primär den Dachs und seine Gedanken beschreibt, kommt auch das Stinktier mit seinem luftigen – und in mancherlei Hinsicht distanzlosem – Verhalten zum prominenten Auftritt. Die beiden so ungleichen Wohnungsgenossen haben ihre guten und ihre schwierigen Seiten und werden genau deshalb zu wichtigen Identifikationsfiguren. Dass sich zwischen den beiden schließlich eine Freundschaft entwickelt, ist ein wundervoller Hinweis darauf, dass man auch mit Menschen befreundet sein kann, die so ganz anders sind.
Starke Illustrationen
Jon Klassen trägt mit seinen Illustrationen einen wichtigen Teil zum gelungenen Buch bei. Die Bilder wirken mit leichter Feder gezeichnet und kommen in einer Art daher, die sowohl Kinder als auch Erwachsene anzusprechen vermag. Klassen versteht es, das Thema aufzunehmen und durch seine Illustrationen zu unterstreichen – allerdings ohne den tiefgründigen Text damit in den Hintergrund zu schieben. Die Kombination von Text und Bild ist überzeugend und gelungen.
Fazit
Dachs und Stinktier ist ein Buch, mit dem einem Kind Werte wie Toleranz, Kompromissbereitschaft, aber auch Einzigartigkeit und Freundschaft nähergebracht werden kann. Der mit feinem Humor durchsetzte Text vermag manchen zum Schmunzeln zu bringen, ganz sicher aber hält er gerade den Erwachsenen auch immer mal wieder einen Spiegel vor das Gesicht. Die Tiefgründigkeit des Buches wird wohl bei vielen nachhallen.
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