Der Blick von außen
Wer sich von Mein außerirdischer Freund eine lustige Alien-Geschichte verspricht, wird ein bisschen enttäuscht sein. Zwar spielt ein kleines grünes Alien mit, das mit einem Ufo anreist in unsere Welt, das wird dann aber mehr oder weniger zu einer Art Austauschschüler. Er wohnt bei einem „menschlichen“ Jungen in der Familie, geht mit ihm zur Schule und erlebt dessen Alltag und die Freizeit. Seine Alien-Artigkeit, der Heimatplanet, die Lebensweise dort, das Raumschiff und alle anderen mögliche Science-Fiction-Themen spielen keinerlei Rolle in der Geschichte; außer dass der Austauschschüler eben grün ist und ein bisschen marsmännchenartig anders aussieht. Und dass er eben einen außerirdischen Blick hat darauf „wie die Dinge hier laufen“ und nachfragt.
Warum, warum, warum
Warum darf die kleine Schwester nicht ins Zimmer des Gastbruders? Warum wirft der mit Steinen nach Tieren, warum hilft er nicht einem Kind, dem ein anderer das Pausenbrot abknöpft? Warum lässt er manche Kinder nicht mitspielen, warum lacht er ein Mädchen aus, dem das Eis heruntergefallen ist?
Das Buch hat wenig Text und viele bunte Bilder, die Figuren sehen sympathisch und ein bisschen nach Comic aus, mit großem Kopf und großen Kulleraugen, so dass das gehässige Geschehen auf den Bildern leicht und hell bleibt.
Angestoßen durch die außerirdische Fragerei sollen die kleinen Leserinnen und Leser drauf kommen, diese irdischen Gepflogenheiten genauso zu hinterfragen: Ja, warum mache ich das eigentlich?
Wirklich aufgelöst wird es in der Geschichte allerdings nicht. Nachdem der kleine Außerirdische wieder weg ist, erkennt der Junge wie schäbig er sich oft benimmt und ändert einfach sein Verhalten.
Etwas zu ändern ist gar nicht mal so leicht
Aber so einfach ist Andersmachen in der Realität leider oft nicht. Denn es gibt mehr Gründe als „Darum“ oder „Weil es alle machen“. Die meisten Kinder wissen durchaus, dass Ärgern, Ausgrenzen, Wehtun, ob als Anführer oder Mitläufer wie hier im Buch, nicht okay ist; sie wollen es auch selber nicht gerne erleben. Sie wissen aber nicht, wie sie es besser machen können, weil es eben nicht nur an dem jeweiligen Kind liegt, sondern auch an den Strukturen, die zum Beispiel immer noch auf den Schulhöfen herrschen. Die zu ändern wäre eher Sache der Erwachsenen und dazu braucht es mehr als ein nettes Buch zu lesen. Darüber nachzudenken ist allerdings der erste Schritt für Kinder und Erwachsene und dabei kann diese Geschichte durchaus eine Hilfe sein. Ob zuhause oder in Kindergruppen oder Grundschulklassen.
Fazit
Das Buch dreht sich weniger um den Außerirdischen als um seinen Blick von außen, der unverstellt wahrnimmt, dass es für viele Verhaltensweisen, die wir selbstverständlich finden, eigentlich keinen wirklichen Grund gibt. Wenn der vom Buch angestoßene Perspektivwechsel gelingt und die kleinen Leserinnen und Leser Hilfestellung bei der Umsetzung bekommen, dann kann der kleine außerirdische Freund unsere Erde durchaus ein Stück besser machen.
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