Wütend und daher allein, oder allein und daher wütend?
Gefühle sind manchmal gar nicht so einfach, besonders wenn man noch klein ist und nicht so viel Erfahrung im Umgang mit ihnen hat. Freude, Glück und Stolz fühlen sich toll an, am liebsten würde man springen, tanzen und lachen und die ganze Welt umarmen. Doch auf der anderen Seite gibt es auch negative Gefühle: Ärger, Trauer, Enttäuschung oder Wut fühlen sich gar nicht schön an und es ist nicht so einfach, diese Emotionen auszuhalten und mit ihnen klarzukommen. Schlagen, treten und schreien sind zuhause oder im Kindergarten oft keine gute Lösung, denn man könnte anderen wehtun oder Dinge zerstören – und hat man diese Ausbrüche zu oft, steht man irgendwann ganz alleine da, weil niemand mehr mit einem spielen möchte…
Kleiner Streuner ganz allein
Kleiner Streuner fühlt sich allein. Im Gegensatz zu den anderen Hunden hat er niemanden, mit dem er spielen kann oder der Zeit mit ihm verbringen möchte. Die großen Hunde spielen Ball, die kleinen rennen zusammen im Kreis, die alten schlafen und die jungen wälzen sich im Matsch. Nur ihn fragt niemand, ob er mitmachen möchte und daher ist er wütend. So richtig wütend, denn all die Dinge würde er auch gerne machen und an ihrem Spaß teilhaben! Von Tag zu Tag wird die Wut immer größer, bis er es irgendwann nicht mehr ertragen kann, dabei zuzusehen, wie die anderen Hunde sich Vergnügen.
Er beschließt, ihnen alles wegzunehmen, womit sie ihre Zeit bisher verbrachten: Bälle und Kissen, Schwingseile und Stöcke landen auf einem großen Haufen, auf den er sich ganz oben drauf legt, um seine Beute zu bewachen. Doch was nun? Die anderen Hunde hätten ihre Sachen schon gerne zurück, trauen sich jedoch nicht, Kleiner Streuner nach ihren Spielsachen zu fragen, denn er war immer so wütend und nachher würden sie auch so wütend werden, wenn sie sich auf ihn einlassen… Auch Kleiner Streuner macht sich Gedanken: Was, wenn er die Sachen zurückgibt und sie immer noch nicht mit ihm spielen? Die Zeit vergeht, doch eine Lösung ist nicht in Sicht…
Schwieriges Thema in neuer Verpackung
Maria Frazee widmet sich in ihrem Bilderbuch einem nicht ganz einfachen Thema, für das es oft keine einfache Lösung gibt: Den Umgang mit Wut. Gerade Kindern fällt es manchmal schwer Gefühle einzuordnen und haben oft noch keine guten Bewältigungsstrategien, um mit negativen Emotionen umzugehen. Schnell kann ein Teufelskreislauf entstehen, wie das Beispiel von Kleiner Streuner zeigt. Er ist wütend, weil keiner mit ihm spielt, gleichzeitig spielt aber auch keiner mit ihm, weil er so wütend ist.
Eine Lösung oder ein Happy End gibt es im Buch nicht, die Autorin lässt den Ausgang offen und regt somit die Kinder zum Nachdenken an. Schwere Kost für ein Kinderbuch, das ansonsten durch kurze, einfache Texte und schlichte Bilder erstmal einfach zu verstehen scheint. Doch je weiter die Handlung voranschreitet, desto drückender wird die Stimmung in der Geschichte.
Bilder überwiegend in grau, schwarz und braun
Auch in der bildlichen Gestaltung setzt sich die düstere Stimmung fort. Die Bilder, die überwiegend in grau, schwarz und braun mit nur wenigen anderen Farben gezeichnet wurden, zeigen einen Kleiner Streuner, der allein mit hängenden Ohren am Zaun sitzt oder die anderen Hunde wütend von seinem geklauten Spielzeughügel aus anfletscht. Fröhlichkeit oder Spaß findet sich hier nicht, die Umsetzung der Gefühle des wütenden Hundes werden konsequent umgesetzt und die Bilder „harmonieren“ mit den Texten.
Fazit
Kleiner Streuner ist kein Buch für kuschelige Vorlesezeiten auf dem Sofa und hinterlässt kein schönes Gefühl. Auch wenn ein Bilderbuch über Wut und ihre Auswirkungen ganz klar seine Berechtigung auf dem Markt hat, eignet es sich eher weniger für die private Buchsammlung, in der Bücher immer wieder hervorgeholt und gelesen werden. Eher passt es in Bibliotheken, wo es gezielt ausgeliehen werden kann, wenn das Thema Wut bei den Kleinen aufkommt. Auch für Kitagruppen ist die Behandlung des Themas mithilfe des Buches gut vorstellbar, wenn anschließend gemeinsam nach Lösungen für Kleiner Streuners Situation gesucht und Wut als Gefühl behandelt wird.
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