Braver Nerd und dicke Zahnfee
Luis ist das bemitleidenswerte Kind einer leibhaftigen Helikoptermutter. Deren überbehütende Fürsorglichkeit hat wenig mit Empathie zu tun, sondern wirkt eher egoistisch: sie möchte immer nur das Beste für ihren Sohn, aber das was sie dafür hält, hat mit dem was tatsächlich gut ist meist wenig zu tun. So verpflanzt sie ihn von Berlin in ein Dorf im tiefsten Bayern, der Arbeit wegen, als gäbe es nirgends sonst einen Job als Zahnarzthelferin. Luis‘ Vater ist eher unpräsent, wenn überhaupt schickt er auf heimwehkranke Textnachrichten seines Sohnes leicht verstrahlte und verrätselte Kalendersprüche als Antwort.
Was ein ausgeschlagener Zahn anrichten kann
Luis ist so am Gängelband seiner Mutter, dass er sogar dann keine schlimmen Schimpfwörter verwendet, wenn sie ihm gar nicht zuhört. Und für ihn ist „kacke“ schon ein so schlimmes Schimpfwort, dass er, der Icherzähler, für dieses Buch ein „schnacke“ daraus macht, damit es nicht so ungezogen klingt.
Die Zielgruppe für dieses Buch, vom Verlag mit zehn Jahren angegeben, sind daher wohl ähnlich wohlerzogene Kinder wie Luis. Viele Kids in dem Alter hantieren längst mit anderen Vokabeln und finden ein verklausuliertes schnacke-kacke eher peinlich und langweilig als rebellisch und originell.
Die Geschichte, die Luis zu erzählen hat, ist ebenfalls eher harmlos. Aber herzig. Luis ist Vollnerd, die Jungs im Ort kernige bayrische Dorfbuben. Klischee, Juchee! Aber ein bisschen Spaß macht dieses Überzeichnete durchaus. Das Schlimmste, was passiert: Als Luis mit den Dorfjungs Eishockey spielt, um Anschluss und Respekt zu finden, wird ihm ein Scheidezahn ausgeschlagen. Das bringt ihm viel Häme im Dorfe, von seiner Mutter ein mitleidloses Donnerwetter – und, das ist das Besondere an diesem Buch: Es bringt ihm auch noch eine Stalking-Attacke ein. Und zwar von einer dicken kleinen Zahnfee, die Himmel und Hölle und auch unsaubere Methoden einsetzt, diesen Zahn zu bekommen, um ihre Zahnfee-Prüfung abzuschließen. Blöd, dass Luis keinen Bock auf die nervige Dickmadam in Stofftiergröße hat. Noch blöder, dass er den Zahn auch gar nicht hat. Der liegt nämlich fest verschlossen im Clubhaus im geheimen Trophäenschrank der Eishockeygang.
Zum Glück gibt es Lena
Da erweist es sich dann doch als Gutes, dass er als der Neue neben die Klassenaußenseiterin Lena gesetzt wurde. Die nicht nur die ganze Zeit im Unterricht vor sich hin summt, Bilder malt und trotzdem sagenhaft gute Noten schreibt, sondern auch in einem Hexenhäuschen wohnt, mit ihrer Mutter, die tatsächlich eine echte Hexe ist. Natürlich kein Umgang für Luis, findet seine Mutter, aber er findet das schon. Denn Lena ist die einzige, die sich nicht wundert, als er ihr von der Fee erzählt und die sich mit diesen magischen Dingen sogar auskennt und ihm und der Fee helfen kann.
Fazit
Ein kleiner Nerd und eine kleine Hexe helfen einer noch viel kleineren Zahnfee: Das Abenteuer um Luis und Lena ist eine niedlich-fantastische Freundschaftsgeschichte, die gut ausgeht und sicherlich eine Fortsetzung finden wird. Der nächste Problemfall, ein Taschenriese, der mit einem riesigen Problem im Gras sitzt, tritt am Ende dieses Bandes bereits in Erscheinung.
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