Karlchen

  • Lappan
  • Erschienen: September 2005
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Kinderbuch Couch
82%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonSep 2005

Idee

Eine unsentimentale aber dennoch anrührende Geschichte. Spannend und angefüllt mit sympathischen Charakteren – allen voran erobert Karlchen die Herzen.

Bilder

Eine ganz eigene Atmosphäre. Eingetaucht in warmes Licht und gedeckte Farben wirken die Stofftiere sehr lebendig. Die Perspektiven unterstützen die Dramaturgie der Geschichte.

Text

Lebendige und humorvolle Erzählweise, manchmal etwas zu schnell erzählte Dialogwechsel denen die „Ruhepunkte“ in der Geschichte fehlen.

[ab 5 Jahren]

Jeder, der einmal einen abgewetzten Teddy, eine Puppe oder eine Schmusedecke als Kind so sehr geliebt hat, dass er ohne ihn, oder sie, das Haus nicht verlassen wollte, versteht, dass es nicht seine Schönheit ist, das dieses ";Objekt der Zuneigung"; so über die Maßen liebenswert macht. Dies erfahren wir auch in der Geschichte des Plüschkaters Karlchen. Denn es sind die Erinnerungen, die an dem Tierchen haften, die ihn für seinen kleinen Besitzer so unverzichtbar machen. Und für den Fall, dass der kleine Kater doch einmal verloren gehen sollte, trägt er die Telefonnummer des Jungen um den Hals - Zum Glück, denn sonst hätten sie sich vielleicht niemals wiedergefunden... aber von Anfang an:

Eines Tages geht Oliver, ein rundlicher Junge mit einer roten Baseballkappe, in das Spielzeuggeschäft von Frau Talbot. Für ihn sind Spielzeugläden nämlich das tollste auf der ganzen Welt. Die beiden sehen sich um und schließlich entdeckt Oliver eine riesige Modelleisenbahn. Nun herrscht dort ein solches Gedränge, dass Oliver Karlchen auf dem Fußboden, unter die Eisenbahnplatte, absetzt.

Schließlich muss er sehen, wie sich Olivers Füße fortbewegen und dann, irgendwann, wird das Licht im Geschäft gelöscht. Karlchen sitzt noch immer unter der Eisenbahn, von Oliver keine Spur. Frau Talbot, die Ladenbesitzerin, nimmt an, dass es sich bei Karlchen um eines ihrer Plüschtiere handelt und setzt ihn in das Regal zu den anderen Stofftieren. In dem Licht der Straßenlaterne kann Karlchen erkennen, dass seine tierischen Plüschnachbarn wunderschön, kuschelig, und einfach nagelneu aussehen. Alles ist nun ganz still im Laden - die Tiere scheinen zu schlafen - und auch Karlchen nickt ein.

Doch dann wacht Karlchen auf, weil ein schöner blauer Stoffhase ihn fragt, woher er denn komme. Teddybär, Hund, Ente, Tiger und Co.stellen fest, dass Karlchen ganz schön dreckig, sein Fell abgewetzt und sein Schwanz nicht mehr flauschig ist. Seine Ohren seien eingerissen und seine Augen ganz zerkratzt. Keines der Tiere kann sich vorstellen, dass Karlchen noch von irgendjemandem gekauft werden würde. Bis schließlich ein großes schwarz-weiß geflecktes Pferd ihn fragt, wer ihn denn nur so übel zugerichtet hätte. Karlchen schämt sich zum ersten Mal in seinem Dasein für sein schäbiges Aussehen. Entschuldigend erzählt er, dass sein Fell so verfilzt sei, weil Oliver ihn ständig knuddele, dass seine Augen zerkratzt seien, weil Oliver ihn immer auf dem Spielplatz von der Rutsche herunterrutschen lasse, dass seine Ohren eingerissen seien, weil Oliver ihn an daran festhielte, um ihn herumzuwirbeln und dass sein Schwanz nicht mehr so schön flauschig sei, weil Oliver ihn auch daran festhielte, wenn er ihn mit sich herumträgt. Die Tiere wundern sich: Wer ist denn Oliver? Da berichtet Karlchen von dem kleinen Jungen dem er gehört und erklärt den noch ganz und gar neuen Tieren, wie schön es ist, von einem Kind geliebt zu werden. Schließlich werden die Tiere auf Karlchens Halsband aufmerksam. An ihm hängt eine Plakette aus Metall auf der Karlchens Name und die Telefonnummer des Jungen eingraviert sind. Der Teddybär, neugierig und noch dazu ungeschickt, lässt die Plakette fallen und verschwindet in einem Bodengitter. Die Situation scheint zunächst ausweglos.

Wie die anderen Plüschtiere schließlich mithelfen, damit Karlchen wieder an die Plakette mit der Telefonnummer gelangen kann, stellt den spannenden Höhepunkt der Geschichte dar. Denn jeden Moment kann Frau Talbot den Laden betreten und dann ist es, das wissen wir ja alle, Stofftieren in Anwesenheit von Menschen nicht mehr möglich, sich zu bewegen. Karlchen gelingt es, die Herzen seiner ";fabrikneuen"; Artgenossen zu gewinnen, indem er ihnen durch seine Geschichte zum ersten Mal vor Augen hält, wie es ist, geliebt zu werden, so sehr, dass das Aussehen nicht mehr wichtig ist. Das Aussehen, auf das sich die noch nagelneuen Stofftiere doch anfangs so viel eingebildet hatten.

Als die Ladenbesitzerin am nächsten Morgen in ihr Geschäft kommt, findet sie Karlchen am Fuße des Regals liegen, neben ihm sein Halsband mit der Telefonnummer. Frau Talbot wählt die Nummer und erklärt, dass sie ein kleines Kätzchen mit Namen Karlchen gefunden habe. Oliver macht sich sofort auf den Weg.

Sehr lebendig erzählt Sandi Douglas Parker die Gesichte vom verlorengegangen Plüschkater. Dass ihr dies so einfühlsam gelungen ist mag daran liegen, dass ihr eigener Sohn, wie Oliver, seine geliebte Plüschkatze in einem Spielzeugladen hatte liegenlassen. Diese Erfahrung verhalf ihr schließlich zu der Idee zu ihrem ersten Kinderbuch. Die Erzählung beginnt zunächst in einem ruhigen Fluss und wird überwiegend aus der Perspektive von Karlchen erzählt.

In der Mitte der Geschichte, in der die Spannung stetig steigt, finden wir allerdings einen sehr dialogstarken Texteil, der den Kindern eine hohe Konzentration abverlangt. Manchmal geht der Dialogwechsel von einem Tier zum anderen so schnell von statten, dass Kinder dem nicht immer folgen können.

Dies kann schließlich dazu führen, dass das Erzählte nicht mehr aufgenommen wird. Das ist in diesem Fall besonders schade, denn dies ist genau der Teil, in dem die Botschaft des Buches deutlich wird, nämlich, dass das Äußere nicht von Bedeutung ist, wenn man so geliebt wird, wie Karlchen. An dieser Stelle ist es sicherlich hilfreich, langsamer vorzulesen und den Tieren verschiedene Stimmlagen und Ausdrücke zu verleihen - ein wenig schauspielerisches Talent ist hier schon gefragt, aber es lohnt sich, denn es macht Kindern und Vorlesern gleichermassen Spass, die verschiedenen Tiere zu charakterisieren. Nicht zuletzt ist der ereignis- und dialogreiche Mittelteil der Geschichte auch der Grund, warum wir das Buch für Kinder ab 5 Jahren empfehlen würden.

Andererseits gelingt es Sandi Douglas Parker an anderer Stelle aber sehr gut, Spannung zu erzeugen und Humor zu beweisen. Geschickt setzt sie sprachliche Wiederholungen ein, um die Eigenheiten von Karlchens Gedankenwelt lebendig darzustellen. ";Plötzlich bewegten sich Olivers Turnschuhe. Leider bewegten sie sich. Und zwar weg. Immer weiter. Weg... und schließlich konnte Karlchen Olivers Turnschuhe überhaupt nicht mehr sehen. Weg waren sie. Einfach weg."; Ist ein Ausschnitt aus Karlchens Sicht der Dinge. Dies macht zum einen die tiefe Besorgnis des kleinen Katers deutlich, lässt aber noch Raum zum Schmunzeln. Auch Karlchens stille Einwände, als Frau Talbot ihn immer wieder Kätzchen nennt (";Nicht Kätzchen, sondern Kater, dachte Karlchen";), sind gerade zum Ende hin ein Humor, der ganz wundervoll mit der Erleichterung über das Happy End zusammentrifft.

In den stimmungsvollen und aufwändigen Illustrationen in Öl, von Gerhard Glück, finden wir viel Atmosphäre, warmes Licht und gedeckte Farben. Die Menschen mit ihren runden Gesichtern entsprechen nicht dem allgemeinen Schönheitsideal und wirken ein wenig blass und dümmlich, was den humorvollen Unterton dieser Gesichte jedoch eher unterstreicht. Sehr viel mehr Liebe zum Detail erfahren in diesem Buch zweifellos die sympathischen Stofftiere. Mit vielen feinen Pinselstrichen verleiht Gerhard Glück ihnen das typisch kuschelige Aussehen aber schafft es gleichermassen, sie keineswegs starr wirken zu lassen, sondern sie sehr wach und lebendig darzustellen. Die Gesichter der plüschigen Helden sind aussdrucksstark und verraten ihre Emotionen. Ebenso die Perspektiven, die der Illustrator gewählt hat (zum Beispiel die Perspektive, in der der Betrachter vom Regal herunter auf den Fußboden blickt, wo Karlchen vor dem Gitter sitzt und zu den anderen Tieren hinaufschaut) leisten einen massgeblichen Beitrag zur Intensität der Geschichte.

Am Ende bleibt noch, den Wunsch, den Karlchen am Schluss an seine zurückbleibenden ";Artgenossen"; zublinzelt, an alle Stofftiere weiterzugeben: ";dass sie auch schon bald schäbig und fleckig aussehen würden wie er selbst, mit verfilztem Fell, mit eingerissenen Ohren, mit zerkratzten Augen ... an den Nähten geflickt mit herausquellender Füllung.

Und heiß und innig geliebt von einem Kind wie Oliver...";

Fazit:

Ein vielversprechendes Kinderbuch-Debüt von Sandi Douglas Parker. Hier finden wir viel Atmosphäre, Spannung und Humor, die uns die Geschichte von Karlchen nicht so schnell vergessen lassen. Kinder werden bei der Lektüre von ";Karlchen"; ihr Lieblingstier fester an sich drücken und wir Erwachsene fühlen uns an das heißgeliebte Kuscheltier unserer Kindertage erinnert. Schön, wenn wir sagen können, dass es immer noch da ist.

Stefanie Eckmann-Schmechta

Karlchen

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