Klassenkassenklau und entlaufener Leguan
Vorneweg: Wer bei „Karma“ denkt, ach, dieses ganze Fernöstliche. Achtsamkeit, Yoga und Bäume-Umarmen, jetzt auch schon im Kinderbuch? Der kann beruhigt sein. Denn Karma ist hier alltagsgebräuchlich und unspirituell zu verstehen, eher so als Modewort. Karma ist in diesem Buch die Bewertungsskala für das Wohlverhalten von Geistern. Menschen im Jenseits bekommen regelmäßig eine Zahl von 0 wie „ganz schlecht“ bis 100 wie „Bestnote“ aufs geisterliche Smartphone gepostet. Ist das Karma-Level zu niedrig, müssen sie runter auf die Erde, Gutes tun, nach Punkten haschen, ihr Karma-Level erhöhen. Karma-Jäger sein.
Julius Karma ist im Keller
Konkret geht es um den Geisterjungen Julius. Der macht im Himmel als Vorzeige-Unruhestifter so viel Quatsch, dass sein Karma bei unterirdischen unter 10 Punkten liegt. Auf der Erde angekommen, sucht er sich ein Menschenkind, das ihm beim Karma-Punkte-Jagen helfen soll. Es trifft Milena, die er konsequent Mina nennt. Die eigentlich nur ihren 11. Geburtstag feiern wollte, und keinen imaginären Begleiter aufgebrummt bekommen. Julius macht auch hier auf der Erde aus Versehen, mit Absicht und rund um die Uhr Quatsch. Für den Leser ist das einfach großartig: Die Geburtstagsfeier eskaliert krachend; seitenlang gibt es das pure Chaos, Situationskomik und zwischen den beiden lustig-gehässigen verbalen Schlagabtausch. Am Ende arrangieren sie sich aber irgendwie. Vor allem, weil Julius Mina-Milena leid tut. Schlimm, tot zu sein, keine Erinnerung mehr an sein Erdenleben zu haben. Sie würde ihm gerne helfen. Allerdings weiß sie nicht so richtig wie. Bis dann die Klassenkasse geklaut wird und Anton, Milenas Kindergartenfreund verdächtigt wird. Anton ist Tierfreak, Nerd und hat gerade außerdem einen Leguan aufgelesen, dem er dringend ein Terrarium bauen muss. Das ist die Chance für Julius, Karma zu sammeln.
Diebe jagen, Tieren helfen
Also legen Mina, ihre Freundin Isabell und der unsichtbare Julius los, in bester Kinderdetektiv-Tradition. Und ermitteln. Vorbei an den Erwachsenen, die eh nie Zeit haben und nie was verstehen. Dass Julius unsichtbar ist und auch noch ein paar übersinnliche Fähigkeiten mehr hat, hilft den Kindern immer dann weiter, wenn es eigentlich nicht mehr weiter geht. Für den Leser ist es so immer spannend und entspannend zu gleich; und das, was Julius sich einfallen lässt, ist immer wunderbar überraschend und oft sehr lustig. Neben allem dem fröhlichen Chaos und spannenden Tempo geht es aber auch um Moral und Anstand, um Zusammenhalten und Ehrlichkeit; und dass es nicht immer einfach ist, zu entscheiden, was richtig und was falsch ist. „Wann ist es okay, Geld aus der Klassenkasse abzuzweigen?“ überlegt Mina zum Beispiel. Und als sie sich in der Tierhandlung über Leguane informiert, fällt ihr auf, dass sie sich nie Gedanken darüber gemacht hat, wie sich eine Wüstenechse dort wohl fühlt. „Tiere sind einfach da. Schon immer gewesen. Im Zoo. Bei Freunden zu Hause. In der Tierhandlung. Es ist ganz normal. Aber ist es auch richtig?“ Klare Antworten bietet das Buch nicht, das ist eine große Stärke. Denn so ist das Leben eben nicht.
Am Ende wird alles gut. Julius erinnert sich dunkel daran, dass auch er mal ein Tier hatte, als er noch gelebt hat. Irgendeins, ein großes … das vielleicht traurig irgendwo weiter lebt, ohne ihn und nicht weiß, warum Julius nicht wieder kommt. Und schon haben die kindlichen Karma-Jäger den nächsten Fall. Band zwei wird zeigen, wie es weitergeht.
Fazit
Mina und die Karma-Jäger ist ein Kinderkrimi mit allem, was der so braucht; und mit allem, was einen Fall auch für heutige Kinder spannend und zeitgemäß macht: Smartphone, instagram und Tierrechte – um echtes Karma geht es weniger. Aber das ist fast egal und vielleicht auch gut so. Fernöstliche Tiefentspanntheit wäre sicherlich nicht ein solch rasanter Lesespaß.
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