Ihre Fantasie führt die zehnjährige Karla eines Abends, während über ihr der Regen gegen das Dach prasselt, auf das Schiff des liebenswerten Kapitäns Frippe Geier. Gemeinsam mit dem kleinen, dicken Kapitän erlebt Karla zahlreiche Abenteuer auf ihrem Weg durch die Südsee. Sie lenkt das kleine Segelboot sicher durch den tosenden Sturm, freundet sich mit der hässlichen Meerjungfrau Dolores an und rettet gemeinsam mit ihr und dem gutmütigen Frippe die Meerjungfrauen vor dem Raub ihrer Perlen durch die Piraten.
Karla liegt auf der Matratze unter der Dachschräge ihrer kleinen Wohnung, als der Regen über ihr auf das Dach prasselt. Während sie dem Getose draußen lauscht und sich vorstellt, auf einem Schiff in der Südsee zu segeln, öffnet sich die Dachluke und ein kleines, dickes Männchen klettert vor Nässe triefend zu ihr herunter. Es ist der gutmütige Kapitän Frippe Geier, Bezwinger der 13 Südmeere und Entdecker des achten Kontinents, auf dessen Segelboot, der ";Schief Gewickelten Möwe";, sich Karla von nun an befindet. Nachdem Karla ihre erste Probe besteht und das Boot souverän durch den Sturm und die hohen Wellen steuert und damit Anerkennung vom Kapitän erfährt, lernen die beiden die hässliche Meerjungfrau Dolores kennen und schätzen. Weil das ";schwarze Schaf"; der Familie der schönen Meerjungfrauen wegen ihres Aussehens von ihren hübschen Schwestern verspottet wurde, verließ Dolores eines Tages ihr Zuhause. Fortan wird sie zum Ungeheuer, dem feuerroten Bollerross, das angeblich alles um sich verbrennt. Dabei ist sie nur eine rothaarige Meerjungfrau mit schielenden Augen, Hornbrille, knolliger Nase, Sommersprossen, schwarzen Stummelzähnen und einer rostigen Stimme.
Gemeinsam machen sich die drei Gefährten auf, die Schwelle zum achten Kontinent zu suchen. Auf ihrer Reise finden sie den aus Angst vor den Piraten abgetauchten Professor Blomm. Diesem ist die Schwelle bei seiner Flucht vor den Piraten davongetrieben. Ohne zu wissen, um welch wertvolles Treibgut es sich handelt, hatte Frippe die Schwelle, bei der es sich um ein altes Holzstück in der Größe einer Türschwelle handelt, zuvor aus dem Meer gefischt. Doch kaum dass das Geheimnis der Schwelle gelüftet ist, wird sie von den Piraten geklaut. Dolores nimmt die Verfolgung auf. Auf der Pirateninsel Krako angekommen, entgeht sie knapp den bösen Absichten der Piraten und gelangt mittels Schwelle zurück zu ihren Freunden. Sofern sich jemand eine Person von Herzen herbeiwünscht und dabei die Schwelle überschreitet, treffen sie aufeinander.
Gemeinsam segeln Dolores, Frippe und Karla nun zu den Silberstränden, um in einem großen Finale die Perlen der Meerjungfrauen vor der Gier der Piraten zu retten. Zu guter letzt macht Frippe Dolores einen Heiratsantrag. Der Pirat und ehemalige Freund von Frippe, Ole Leevorluv, erfährt Läuterung, entsagt dem Piratenleben und bemüht sich von neuem um die Freundschaft von Frippe. Last but not least verabschiedet Karla sich von ihren neu gewonnenen Freunden und überschreitet die Schwelle, um sich in ihrem Bett wiederzufinden.
Piratenjäger ist ein freundliches Buch mit netten Charakteren, die aber auch ihre menschlichen Schwächen wie Angeberei, Arroganz, Maßlosigkeit, Gier und Sturheit zeigen. Es geht um Freunde auf Abwegen, um Fehltritte, Erkenntnis und Verzeihen; es geht um innere Werte und nicht um den äußeren Schein. Meike Haas gelingt es auf sympathische Weise, in einer spannenden Geschichte ihre Figuren mit ihren Stärken und Schwächen überzeugend darzustellen und nach einigen Umwegen alle auf die richtige Bahn zu führen. Selbst die schüchterne und nicht gerade durch Schönheit überzeugende Meerjungfrau Dolores gewinnt im Verlauf der Geschichte Selbstvertrauen und gibt den Leserinnen und Lesern noch einen wichtigen Rat mit auf den Weg: ";Zu sehen ist wichtiger, als gesehen zu werden";. Der gut gemeinte Rat von Meike Haas, mehr Wert auf innere als auf äußere Werte zu legen - Dolores ist dafür ein hervorragendes Beispiel - ist bis auf den Fauxpas, dass sie Hornbrille und Sommersprossen als Attribute von Hässlichkeit bezeichnet, gelungen.
Erfreulich ist, dass die Autorin gegen das Klischee angeht, dass nur Jungen von Abenteuern mit Piraten und Ungeheuern träumen.
Obwohl die Idee, dass sich ein Kind nachts in der Welt der Fantasie wiederfindet, nicht neu ist, wird die Geschichte nie langweilig. Dies liegt sicherlich auch zu einem großen Teil an den zahlreichen sprachlichen Spielereien wie ";gefüllte Seesterne";, ";Korallenplätzchen";, ";Planktonroulade"; und Frippes Kreationen wie ";Heiliger Wolkenbruch";, ";Beim gescheckten Walross";, ";Beim heiligen Walross und allen Meeresgeistern";, um hier nur einige zu nennen. Im Ganzen ist die Sprache einfach und kindgerecht.
Das Buch ist unspektakulär, aber lesefreundlich gestaltet: Die Geschichte ist gut lesbar mit großer Schrift in zwölf Kapiteln verpackt. Jedes Kapitel beginnt mit einer einfachen Bleistiftzeichnung von den Hauptprotagonisten oder einem Meeresgegenstand, die zur Auflockerung des ansonsten textlastigen Buches dienen sollen.
Fazit:
Mit Piratenjäger ist Meike Haas ein liebenswertes Kinderbuch gelungen, das selbst die bösen Piraten, nicht wirklich böse erscheinen lässt. In der heutigen Zeit, in der Grundschüler schon ";Harry Potter"; gelesen oder ";Herr der Ringe"; auf DVD gesehen haben, ist dieses Buch ein wirklicher Segen. Trotz fehlender Grausamkeiten, die ja von echten Piraten erwartet werden, ist die Geschichte spannend aufgebaut und hält junge Leserinnen und Leser bei der Stange. Darüber hinaus zeigt es, dass Mädchen nicht nur von Pferden, sondern auch von deftigen Abenteuern auf hoher, stürmischer See träumen. Gleich mehrere Botschaften erreichen uns beim Lesen: erstens kann Freundschaft durch nichts ersetzt werden und sei es auch noch so wertvoll, zweitens siegt das Gute und drittens soll man einen Menschen (oder eine Meerjungfrau) nicht nach seinem (oder ihrem) Äußeren voreilig be- bzw. verurteilen.
Meike Haas erzählt eine schöne Geschichte, mit deren Hauptprotagonistin Karla sich Kinder identifizieren können.
Piratenjäger ist ein empfehlenswertes Buch für graue Tage, wenn der Regen unermüdlich gegen die Scheiben donnert und man beim Lesen im Bett das Gefühl hat, in einer Koje auf einem Schiff zu liegen und nur von Wasser umgeben zu sein...
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