Aufforderung zum Ungehorsam
Wie langweilig: Hetty würde so gerne die Welt draussen erkunden, ausserhalb des Dachbodens des alten Herrenhauses, auf dem sie mit ihrer Mutter in der Gemeinschaft vieler anderer Flattermäuse lebt. Aber die Mutter mag Hetty nicht losziehen lassen. Gerade als Hetty glaubt, der Mutter Hulda zu entwischen, kommt die griesgrämige Madame Schoffsuri dazwischen und packt Hetty. Das alles hat zur Folge, dass die kleine Flattermaus von nun an einen Peilsender tragen muss. Die Freiheit und damit die Farben draussen, scheinen unerreichbar. Da bringt Fidel ihre beste Freundin Hetty auf eine Idee: Sie, Fidel, wird den Peilsender tragen und damit der Mutter vorgaukeln, dass Hetty brav im Musikunterricht sitzt. Hetty hingegen wird sich auf einen abenteuerlichen Ausflug in die bunte Welt draussen machen. Die kleine Flattermaus begegnet allerlei seltsamen Geschöpfen, nimmt an einem Schneckenrennen teil und entdeckt eine kleine Maus, die in Not geraten ist. Beim Rettungsversuch bringt sich Hetty selber in eine missliche Lage. Die fleischfressende Pflanze, in deren Kelch sie zusammen mit dem Mäusebuben Möppelchen sitzt, droht sie zu verspeisen. Zum Glück hat sich Fidel schon auf die Suche nach ihrer Freundin gemacht.
Fragwürdiges Verhalten
Wer das Buch «Hetty Flattermaus» in die Hand nimmt, erwartet eine bezaubernde Geschichte um eine vorwitzige kleine Fledermaus, die Abenteuer bestehen will. Geboten wird aber ein Kinderbuch, das von Klischees wimmelt und in etlichen Szenen ein höchst fragwürdiges Verhalten der kleinen Heldin offenbart. Nicht nur, dass sich Hetty offen gegen die Grenzen der Mutter auflehnt und das auch auslebt, als sie der Mutter entwischt und vor ihr flüchtet, um ins begehrte Freie zu gelangen. Dass sich die Mutter dabei in eine missliche Lage bringt und in einem Rohr stecken bleibt, kümmert Hetty nicht. Die Autorin legitimiert diese Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Mutter. Hetty schreibt sie Gedanken zu wie: «Dass Hulda (die Mutter) sich im Fernrohr festgeflogen hatte, dafür konnte Hetty ja eigentlich nichts…» Also nutzt die Göre das, was sie Schicksal nennt und lässt die Mutter stecken. Schliesslich ist die Mutter ja selber schuld, hat sie doch so gerne an «Nektarpralinen genascht», dass sie halt nicht mehr so zierlich ist. Und nicht nur Hetty ist schnell mit abwertenden Urteilen – etwa mit dem Begriff Helikopter-Mutter für Hulda – auch die Mutter selber reagiert auf eine Beschwerde ihrer Nachbarin wegen Radaus höchst gehässig: «diese …. Diese… Mustermutter mit ihren glatt geschleckten Streberzwillingen. Die sind doch alle drei zum Knallniesen.» Dass Hetty sich der Überwachung durch die Mutter entzieht und den Peilsender ablegt - okay. Doch als sie später glücklich von ihrem Ausflug zurückkehrt, bleibt sie bei der Lüge, anstatt sie zu beichten. Hier wird den kleinen Leserinnen und Lesern ein Verhalten vorgelebt, das so eigentlich nicht sein müssen sollte.
Schön bebildert
Unabhängig davon hat Julia Christians dem Vorlesebuch mit hübschen Bildern Leben eingehaucht. Hetty und ihre kleinen Freunde werden liebevoll dargestellt und die reichhaltig gestalteten Zeichnungen lassen die Kinder beim Betrachten Vieles entdecken. Die Bilder sind optimal über das Buch verteilt, so dass sie kleinen Leseanfängern, die sich die Geschichte selber erarbeiten wollen, immer wieder Raum bieten, das Gelesene in einem Bild wiederzufinden und die Eindrücke so zu vertiefen.
Fazit
Annette Roeder greift in ihrem Kinderbuch «Hetty Flattermaus» die moderne Welt auf und spickt die Geschichte mit etlichen Alltagsproblemen. Allerdings auf eine Weise, die Gleichgültigkeit, Gehässigkeit und Lügen verniedlicht bis salonfähig macht. Wer das Buch für seine Kinder in Betracht zieht, tut gut daran, sich erst selber ein Bild davon zu machen und unter Umständen das Verhalten der kleinen Flattermaus wie auch deren Mutter einzuordnen.
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