Gemeinsam sind wir käferstark!
- Annette Betz
- Erschienen: August 2019
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Katharina Sieg (Illustratorin)
Erdhummel Fiona, Bombardierkäfer Bert und der Mistkäfer Zorro
Sobald es draußen kälter wird und die sinkenden Temperaturen uns vom Balkon, Garten oder Park wieder in die Häuser treiben, freuen wir uns auf das Einkuscheln in unsere Bettdecken und gemütliche Stunden in geheizten Räumen. Die Tiere im Wald und auf dem Feld haben indessen ganz andere Sorgen. Wie auch für uns ist eine geeignete Überwinterung für sie überlebensnotwendig, denn nur geschützt vor Kälte und Feuchtigkeit, mit einem ausreichend Nahrungsvorrat, können sie den Temperaturen trotzten, bis die ersten warmen Sonnenstrahlen ihnen den nächsten Frühling ankündigen.
Die Suche nach einem geeigneten Quartier beginnt früh, denn wer immer die Augen offen hält, findet den besten Platz. Doch manchmal gibt es mehrere Anwärter auf ein gemütliches, freies Erdloch. Daher verwundert es nicht, wenn der Bombardierkäfer Bert, die Erdhummel Fiona und der Mistkäfer Zorro gleichzeitig ein Auge auf den perfekten Überwinterungsplatz unter dem Baum geworfen haben. Das Jahreswerk ist erledigt, Zorro hat viele Dungkugeln gerollt, Fiona sich um den Fortbestand ihres Volkes gekümmert und Bert hat viele Pupsgeschichten gesammelt. Zufälligerweise machen sich die drei Insekten nun zeitgleich auf den Weg zum auserkorenen Winterquartier, beäugen es noch ein bisschen, bevor sie sich endgültig dafür entscheiden, nehmen Anlauf, um es zu beziehen und… knallen fürchterlich miteinander zusammen.
Gemeinsam statt einsam
Verständlicherweise sind Schreck und Frustration groß, denn einen Plan B, sprich ein anderes Quartier, hat keiner von ihnen parat. Deswegen heißt die Devise „Verteidigung, bloß nicht Aufgeben“ und so kommt es, dass jeder in einer Höhlenecke sitzt und stur bleibt. Doch als ihr Hunger immer größer wird, sie ihren Platz aber partout nicht aufgeben wollen, ist Zorro so weise, die Lage mit den beiden anderen zu besprechen. Eigentlich ist doch die Gegenwart der Anderen gar nicht so schlecht? Fiona duftet ganz lieblich, Bert hat ein paar unterhaltsame Geschichten auf Lager und Zorro ist ein ziemlich guter Sänger. So fällt es tatsächlich gar nicht so schwer, sich aufeinander ein zu lassen und miteinander zu arrangieren. Schöner Nebeneffekt: die gemeinsame Gesellschaft lässt die Tage wie im Flug vergehen.
Aber eines Tages kommt Greta, die Winkelspinne, des Weges und erbittet auch noch einen Platz im warmen Loch. Doch da sind sich die drei einig: eine Spinne kommt ihnen nicht in die Höhle, sie sind doch nicht lebensmüde. Auch wenn Greta noch so hoch und heilig verspricht, niemanden von ihnen zu fressen. Da ist nichts zu machen, sorry.
Traurig verweilt Greta vor dem Loch, als sie mitbekommt, wie sich eine dicke Erdkröte zum Angriff auf die drei Freunde rüstet. Nur dank ihrer Warnung überleben sie knapp die Attacke und können die Angreiferin mit einer dicken Dungkugel, die gezielt in den Mund abgefeuert wird, einem schmerzhaften Stich und einem mächtigen Stinkefurz in die Flucht schlagen. Das haben sie gemeinsam geschafft! Da ist es mehr als selbstverständlich, dass Greta zum Dank nun doch auch in die Höhle einziehen darf. Zu viert ist es nochmal kurzweiliger und wärmer.
Durch Teilen mehr erhalten
„Teilen macht Freude“ ist ein Satz, den sich viele Kinder oft anhören müssen und der manchem Elternteil zum Hals heraushängt, weil die ständige Wiederholung auf dem Spielplatz scheinbar ohne Erfolg bleibt. Doch auch, wenn es wie eine abgedroschene Phrase klingt: macht es nicht einfach mehr Spaß, wenn auch andere Kinder mit dem eigenen Sandspielzeug spielen können, um gemeinsam die höchste Burg der Welt zu bauen? Nun ist Sandspielzeug nicht zwingend überlebensnotwendig, aber die daraus resultierende Erfahrung lässt zumindest erahnen, dass es Situationen geben könnte, in denen man als Einzelkämpfer nicht viel ausrichten kann, gemeinsam mit anderen jedoch viel stärker ist. Dazu gehört dann allerdings auch, dass man sich etwas traut und zulässt, die eigene Komfortzone einmal zu verlassen. Nicht immer wird dieser Schritt vielleicht so glücklich wie bei Bert, Fiona und Zorro enden, die mit Mut und Toleranz mehr gewonnen als verloren haben, aber er dient der eigenen Horizonterweiterung.
Barbara Rose vermittelt diese wichtige Botschaft geschickt in eine kurzweilige und unterhaltsame Geschichte integriert, die ohne einen mahnend erhobenen Zeigefinger auskommt. Die wenigen Sätze sind kurz und arbeiten viel mit wörtlicher Rede, zudem hat sie viele lautmalerische Wörter eingearbeitet, die Kinder beim Lesen sehr erheitern und Platz für lautstarke Intonation lassen. Die detailreichen und liebevollen Illustrationen greifen jedoch nicht nur die lautmalerischen Aspekte auf sondern setzen auch gekonnt die Charaktere der Tiere in Szene: natürlich ist Zorro mit der entsprechenden Maske dargestellt und trägt Fiona ein kleines Krönchen.
Den Perspektivwechsel wagen
Geschickt beginnt Barbara Rose die Handlung aus der jeweiligen Perspektive der drei Insekten zu entwickeln, so dass jeder Leser mit jedem der Tiere mitfühlen und mitfiebern kann. Doch als die drei dann im Kampf um ein und denselben Unterschlupf auf einander treffen, ist auch die eigene Gefühlsverwirrung groß: zu wem halte ich? Wer hat mehr Recht bzw. das größere Anrecht auf die Höhle? Schnell ist klar, dass der Konflikt nur gelöst werden kann, wenn jeder auf die anderen zugeht und damit ein Stück von seinem bisherigen Standpunkt abweicht. Vermutlich haben sie nicht geahnt, dass sie sich mit diesem Schritt nicht nur kurzweilige Winterabende verhandelt haben, sondern auch nur als Team den Angriff der Kröte abwehren konnten – alleine wäre jedes Tier für sich ein leichtes Opfer gewesen. So aber waren sie käferstark!
Fazit
Den eigenen Standpunkt verlassen und sich in Andere hineinversetzen, auf Andere zugehen und nach einem Kompromiss suchen, die Kraft der Gemeinschaft schätzen lernen – das alles sind große Themen und wichtige Erkenntnisse, die Bert, Fiona und Zorro das Überleben sichern und gleichzeitig einen großen Lesespaß garantieren.
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