Bartimäus - Das Auge des Golem

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  • Erschienen: September 2005
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Bartimäus - Das Auge des Golem
Bartimäus - Das Auge des Golem
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Kinderbuch Couch
92%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonSep 2005

Idee

Der schlaue, nicht gerade bescheidene über 5000 Jahre junge Dschinn Bartimäus ist wieder da! Sprühender Ideenreichtum, verzwickte, spannende Handlungsstränge und ein temporeichen Showdown garantieren wunderbaren Lesespaß!

Text

Szenisch sehr dicht, ungeheuer aufregend und bildreich erzählt.

[ab 11 Jahren]

Ausgezeichnet mit dem Kinderbuch-Couch-Star*. Das Warten hat endlich ein Ende! Der schlaue, nicht gerade bescheidene über 5000 Jahre junge Dschinn Bartimäus ist wieder da! Dieser originelle Wüstengeist hat ein freches Mundwerk, ist boshaft und gefährlich wie alle Fabelwesen. Allerdings dauert es im zweiten Band ziemlich lang bevor die respektlose, dämonische Quasselstrippe auftaucht und sich ihre üblichen, sarkastischen Gefechte mit dem jungen Zaubermeister Nathanael liefert.

Die Zauberer sind im britischen Weltreich an der Macht und tyrannisieren mit Kobolden, Suchkugeln, Foliots, Afriten und magischen Artefakten die Menschen, die sie die Gewöhnlichen nennen. In London geschehen unerklärliche Anschläge ungewöhnlichen Ausmaßes, hinter denen die Regierung den Widerstand, eine Gruppe unzufriedener Gewöhnlicher, vermutet. Oder regen sich da andere unbezwingbare Mächte? Nathanael steht als Angestellter im Staatsdienst unter Erfolgsdruck. Er muss die Täter stellen - schnell - ansonsten sind seine Tage gezählt. Nur ein mächtiger Dschinn kann helfen.

London hat sich zum wohlhabenden Zentrum des britischen Reiches entwickelt, in dem die Zauberer die Regierung stellen. Präzise Zeitangaben fehlen, man könnte vermuten, die Handlung spielt im 19. Jahrhundert. Die einflussreichen Zauberer agieren in den höchsten Staatsämtern, kleiden sich wie Bankangestellte und betrachten ihresgleichen als die Elite des Landes. Sie unterdrücken die Gewöhnlichen, die Menschen, die für sie alle wichtigen Arbeiten erledigen, umnebeln sie mit Propaganda und verweigern ihnen jegliche Bildung. Allerdings verfügen die Zauberer nicht über magische Kräfte, sondern über ein Jahrhunderte geheimgehaltenes, umfangreiches Wissen. Der wahre Ursprung ihrer Macht liegt in den übernatürlichen Fähigkeiten der Dämonen, die mit Hilfe von Beschwörungsformeln und exakt gezeichneten Pentagrammen gerufen werden. Diese Geister sind die Befehlsempfänger. Je nach Macht und Stellung der Zauberer können sie beschworen werden. Da gibt es die höhergestellten Afriden, Mariden und Dschinn, aber auch die niederen Geister, die Foliot und Kobolde. Die Zauberer erteilen ihnen Aufträge und nutzen sie für ihre Machenschaften als Spione, Boten, Personenschutz und Diener. Wenn die Dämonen ihre Aufgaben nicht exakt ausführen, peinigen die Zauberer sie mit Bannzaubern und anderen schmerzhaften Strafen. Allerdings sind die Fabelwesen auch bei den kleinsten Fehlern ihrer Meister in der Lage gnadenlos zurückzuschlagen.

Es ist eine harte, lieblose und düstere Welt, in der der junge Zauberer Nathanael im Sicherheitsapparat eine glänzende Karriere anstrebt. Immerhin hat der 14-Jährige als Günstling des Premierministers alle Aufstiegschancen. Der schüchterne und stille Nathanael wurde mit zwölf Jahren von seiner Familie getrennt und erlernte das schwere Zaubererhandwerk mit viel Ehrgeiz, Fleiß und Talent. Als Kind beschwor er bereits den mächtigen Dschinn Bartimäus, ein Beweis für Nathanaels außerordentliche Begabung. Bartimäus war von dieser magischen Dienstverpflichtung durch den Dreikäsehoch nicht gerade begeistert. Der schlaue Dschinn hoffte auf einen klitzekleinen Fehler, um seinem Meister mit der piepsigen Stimme den Garaus zu machen, aber da hatte der schnoddrige Draufgänger sich geirrt. Nat war zwar unerfahren, aber auch clever. Vor zwei Jahren rettete er dann dem ersten Mann im Staat das Leben und dazu noch das Amulett von Samarkand, nachzulesen im ersten Buch";Bartimäus - Das Amulett von Samarkand ";.

Unter den Fittichen seiner neuen Lehrmeisterin Miss Jessica Whitwell hat sich Nathanael zu einem arroganten, eitlen Zauberer entwickelt und unterscheidet sich in seinem Verhalten kaum von seinen Kollegen. Er trägt teure Designerklamotten und achtet peinlich genau auf sein äußeres Erscheinungsbild. Als Assistent von Mr Julius Tallow, dem Leiter der Abteilung für Innere Angelegenheiten, gehört das Aufspüren der Widerstandsbewegung zu seinem Aufgabenbereich. Die Gruppenmitglieder des Widerstandes stehlen magische Gegenstände aus den Zaubererdepots und setzen diese gegen die sogenannte Elite der Hexenmeister ein. Zum Widerstand gehört auch Kitty Jones.

Jonathan Stroud ließ bisher den Leser aus zwei Perspektiven die Handlung verfolgen. Bartimäus als Ich-Erzähler betrachtet die Dinge mit trockenem, bissigen Humor. Die innere Stimme des Dschinn wird durch Fußnoten, die nicht überblättert werden sollten, ergänzt. Nathanaels Sicht auf die Dinge wird von einem Erzähler übernommen. Neu im zweiten Band sind die Passagen die Kittys Gedanken und Werdegang beschreiben. Das Mädchen gewährt einen genauen Einblick in das unabenteuerliche und unterdrückte Leben der Gewöhnlichen. Als Kitty 13 Jahre alt war, wurden sie und ihr Freund Jakob mit dem tyrannischen und rechtlosen System der Zauberer konfrontiert. Dabei lernt Kitty, dass sie eine angeborene Abwehrkraft gegen Zauberei besitzt und als einzelne Person völlig machtlos dem Regime der Magier ausgeliefert ist. Kitty begegnet Mr T.E. Pennyfaether, einem alten, seltsamen Mann, der ihr hilft. Sie schließt sich ihm und seinen Freunden, die alle diese Abwehrkraft besitzen und im Widerstand organisiert sind, an. Der Aufruhr von innen stört die Welt der Zauberer immer empfindlicher.

Am Gladstone-Tag, Gladstone ist der legendäre Begründer des britischen Weltreiches durch seinen Sieg über Prag, geschieht ein kapitales Verbrechen. Mehrere teure Geschäfte auf dem Piccadilly werden von einer unbekannten, riesigen Macht sinnlos zerstört. Nat vermutet sofort, dass dieser Anschlag nichts mit den Widerständlern zu tun hat. Bei einem Treffen beim Premierminister Rupert Devereaux kommt es zu einem Schlagabtausch zwischen Nat und dem Polizeichef Mr Duvall, der der Meinung ist, die Gewöhnlichen stecken hinter dem Anschlag. Nat kann den Vorschlag machen, nachdem magische Suchkugeln und spionierende Foliots nichts ausrichten konnten, Dschinns der höchsten Kategorie an wichtigen Touristentreffpunkten und Einkaufszentren in London zu postieren. Und nun kommt Bartimäus endlich ins Spiel, den Nat eigentlich nicht wieder beschwören wollte. Bartimäus ist außer sich als er seinen Meister sieht:

" Klar habe ich damit gerechnet, dass mich eines Tages wieder irgendein Schwachkopf mit spitzem Hut beschwört, aber doch nicht derselbe wie beim letzten Mal!" Bartimäus soll Nats Widersacher, dieses zerstörerische Wesen ausfindig machen und ihn beschützen. Der Dschinn schüttet wieder voller Freude all seinen Spott über Nat aus, er macht sich über sein Aussehen lustig und belächelt seine Entwicklung zum Karrieristen. Aber dann bezieht der missmutige Bartimäus, wieder regnet es zu seinem Leidwesen in London, seinen Posten. Das Kraftwesen taucht auf und Bartimäus kann unter Einsatz seines Dämonenlebens erkennen, dass es sich um einen Golem handelt. Allerdings sind die Golems seit Jahrhunderten ausgestorben. Polizeichef Duvall behauptet, dass Bartimäus für seinen Meister lügt. Jessica Whitwell schickt Nat in geheimer Mission nach Prag, um herauszufinden, ob es möglich ist einen Golem neu zu erschaffen.

Inzwischen plant der Widerstand seinen größten Coup. Ziel der Operation ist das Grab von William Gladstone in der Westminster Abbey Kathedrale. Der Sargdeckel von Gladstones Grab, dem Eroberer Prags, hebt sich und ungeheure Schätze offenbaren sich. Allerdings können die Gewöhnlichen kein sumerisch lesen und Mr Hopkins, der viele Informationen beschaffen konnte und neu in der Gruppe ist, wartet angeblich am Eingang. Gewarnt wird am Grab vor dem nimmermüden Wächter, einem mächtigen Afriten, der die sterblichen Überreste samt Wunderdingen bewacht. Mit seiner Kraft tötet der Geist die Eindringlinge.

Nur Kitty kann dank des Silberanhängers von Jakobs Oma entkommen und auch noch den Stab, einen wertvollen Artefakt mit dem Gladstone Prag besiegt hat, mitnehmen.

In London aus Prag zurückgekehrt kann Nat der Regierung von einem Hintermann berichten, der den Golem dort in Auftrag gegeben hat, aber seine Identität bleibt im Ungewissen. Es muss ein englischer, mächtiger Zauberer sein, der die Regierung stürzen will. Wieder sägt ein Zauberer am Stuhl des PM. Nat weiß, wenn er diesen ausfindig machen kann, den Golem besiegt und Kitty den Stab abluchst, ist seine Karriere gerettet. Bartimäus ist da skeptischer, doch als Handlanger seines Herrn ist seine Meinung nicht gefragt. Nat kommt auf Kittys Spur und es ergibt sich, dass das Mädchen mit Bartimäus ein vertrauensvolles Gespräch führt und erkennt, dass sie wirklich zu wenig über die Vergangenheit weiß. Jedes große Reich wurde durch innere Kräfte zerstört. Der Widerstand war zu schwach, aber wer weiß, wie viele Menschen genauso wie Kitty Abwehrkräfte gegen die Machenschaften der Zaubererregierung besitzen. In einem großen Finale treffen alle Kräfte aufeinander. Nats Rolle dabei ist etwas kläglich, auch Bartimäus kann gegen einen Golem wenig ausrichten, aber Kitty ist mutig und durch den Dschinn gut instruiert, wie man einen Golem vernichtet. Der machtgierige Zauberer, der hinter den Anschlägen steckt, wird durch den Golem selbst enttarnt und der Stab landet im Arsenal des PM. Nats Karriere ist gerettet. Er wird Leiter der Abteilung Innere Sicherheit und somit jüngster Minister aller Zeiten. Bartimäus kann aufatmen, denn die Freiheit naht. Kitty geht ihre Unterhaltung mit dem Dschinn über den Untergang der mächtigen Reiche nicht aus dem Kopf.

Jonathan Stroud verarbeitet in seiner spannenden wie humorvollen Geschichte altvertraute Handlungsmuster der Zaubererwelt und kombiniert diese auf originelle Weise mit den magischen Luft- und Feuerwesen: den Dämonen. Aber er mixt auch weitere Genres hinzu, z.B. den Entwicklungsroman oder die Politsatire und gewinnt damit Tiefe. Trotz zahlreicher, witziger Einfälle und seiner unbändigen Erzählfreude verliert der Autor die eigentliche Geschichte nicht aus den Augen. Seine Hauptfiguren sind nicht eindimensional, es gibt viel Raum für Zwischentöne und Widersprüche. So wandeln sich die Sympathieträger, denn Nat ist nicht mehr wie im ersten Teil der bedauernswerte, ausgelieferte Zauberlehrling, der sich selbst helfen muss. Er hat sich zu einer komplexen, eher negativ besetzten Figur entwickelt. Seine Darstellungsweise bietet natürlich für den Gegenpart Bartimäus reichhaltigen Stoff für verbale, spitze Attacken auf die menschlichen Schwächen. Unterhaltsam an der Geschichte ist auch die Verbindung von real menschlicher Welt und Zaubererwelt, die sich abgesehen von den Dämonen in den Strukturen ähnlich sind. Stroud erzählt szenisch sehr dicht, ungeheuer aufregend und bildreich und er kann das Niveau bis zur letzten Seite, immerhin sind es 670,halten. Dabei nutzt er verschiedene Sprachebenen. Zum einen gibt es den respektlosen, ironische Ton des 5000 Jahre jungen Dschinns, zum anderen die gestelzte und gespreizte Sprache der Zauberer und den Slang der niederen Geister.

Ohne Probleme kann der Leser den Ereignisse im zweiten Band folgen, auch wenn er das erste Buch der geplanten Trilogie nicht kennt. Doch wer wissen möchte, wie der Dschinn und Nat sich kennen gelernt haben und eine Schicksalsgemeinschaft gegen den widerlich machtgierigen Zauberer Simon Lovelace bilden mussten, der sollte auf jeden Fall zum ersten Buch greifen. In"; Bartimäus - Das Amulett von Samarkand"; nehmen der Dschinn und seine unschätzbaren Lebenserfahrungen, die weder Nat noch dem Leser vorenthalten werden dürfen, einen grossen Platz ein. Mit diesen witzig-trockenen Zurechtweisungen geht Stroud im zweiten Band leider sparsamer um.

Fazit

Der englische Autor Jonathan Stroud fasziniert auch im zweiten Band durch seinen sprühenden Ideenreichtum und den wortgewandten, komischen Dialogen seiner beiden Hauptfiguren, Bartimäus und Nathanael. Er schafft es, verzwickte, spannende Handlungsstränge gekonnt in einem bravourösen, temporeichen Showdown zu entflechten. Für den dritten Band ist der Boden bereitet und daran ist wie immer Bartimäus Schuld. Zum Glück! Wer das Fantasy - Genre mag, der sollte dieses Buch nicht verpassen. Ein fulminanter Schmöker und wunderbarer Lesespaß!

Karin Hahn

Bartimäus - Das Auge des Golem

Jonathan Stroud, cbj

Bartimäus - Das Auge des Golem

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