Über die Welt in unseren Köpfen
In unserem Kopf haben wir eine klare Vorstellung von der Welt und den Dingen und Wesen, die es auf dieser Welt gibt. Im Sommer ist es warm, im Herbst fallen die Blätter von den Bäumen und im Winter liegt Schnee. Klar kann der Sommer auch verregnet sein und Schnee gibt es im Winter in vielen Regionen auch kaum, dennoch ist es so in unseren Köpfen. Auch andere Dinge ordnen wir oft in bestimmte Schubladen ein. Hunde jagen Katzen, Katzen jagen Mäuse, Mäuse lieben Käse. Doch genauso gibt es Katzen, die zusammen mit einem Hund im selben Körbchen schlafen oder Katzen, die sich vielleicht nichts aus Mäusen machen. Und wie ist das mit Löwen? Was denken wir über den „König der Tiere“? Spontan werden die meisten wahrscheinlich sagen, dass er groß ist, dass er eine stolze Mähne trägt und stark und gefährlich ist. Andere Tiere sollten schnell vor ihm fliehen, wenn ihnen ihr Leben lieb ist. Ein nettes, freundliches Exemplar, das gerne dichtet und nachdenkt, eine Ente lieber zur Freundin als zum Abendessen hat, kann nach dieser Definition auf jeden Fall kein richtiger Löwe sein. Oder gibt es vielleicht auch bei Löwen verschiedene Arten, wie ein Löwe sein kann?
Eine ganz besondere Freundschaft
Leonard ist ein ganz besonderer Löwe oder, wie die anderen Löwen finden, kein richtiger Löwe. Er geht mit Freude alleine spazieren, spürt gerne die Sonne auf seinen Rücken scheinen und das Gras unter seinen Pfoten. Außerdem hat er einen Denkhügel, auf dem er auch einfach mal nur träumt oder Gedichte dichtet. Und wenn das alles noch nicht seltsam genug ist, hat er auch noch eine Ente zur Freundin, die einfallsreiche Marianne. Gemeinsam schauen sie nachts die Sterne an, denken darüber nach, ob die Welt wohl irgendwo einen Rand hat oder spielen zusammen. Das Leben hätte schöner nicht seien können, wären da nicht die anderen Löwen, die für diese Art der Freundschaft überhaupt kein Verständnis aufbringen können. „Wenn du wirklich ein Löwe sein willst, Leonard – dann darfst du nicht nett sein!“ Wie sich Leonard daraufhin entscheidet und ob er, wenn er Marianne nicht frisst, kein richtiger Löwe mehr ist, erzählt Ed Verde Kindern ab 3 Jahren in seinem Bilderbuch.
„Du kannst auf vielerlei Arten du selber sein“
So lautet die Botschaft, die Leonard den gefährlichen Löwen zu sagen hat. Es gibt auf der Welt nicht nur einen richtigen Weg, wie man zu sein hat. Der Autor schreibt sein Buch für alle, „die gern in den Tag hineinträumen und für die, die sich ihre eigenen Gedanken machen“, so steht es auf der letzten Seite. Die Frage: „Wer bin ich und wie muss ich mich verhalten, damit mich die anderen normal finden?“ ist bereits im Kindergartenalter aktuell. Jungen tragen kein Rosa und spielen nicht mit Puppen oder auch umgekehrt, Mädchen tragen Kleider und lieben Barbies. Dass es so nicht sein muss, zeigt ihnen Leonard, der trotz allem ein richtiger Löwe ist, auch wenn er sich nicht wie alle anderen verhält. Toleranz gegenüber anderen und Mut, zu dem zu stehen, was einem selbst wichtig ist und sich nicht einfach von der Masse unterkriegen lassen ist die Devise. Denn würde Leonard sich den anderen Löwen beugen, happ-schnapp, wäre Marianne nicht mehr seine Freundin sondern nur noch ein schneller Imbiss.
Sympathische Figuren und witzig geschrieben
Ed Verde hat mit Leonard und Marianne sehr sympathische Figuren für sein Buch geschaffen, sodass es nicht schwerfällt, sich direkt mit ihnen zu identifizieren und in die Geschichte einzutauchen. Sein witziger Stil, der durch lautmalerische Einwürfe wie „Schnapp, mampf, SCHMATZ!“ oder auch Erzählerkommentare wie „(Manche sagen, dass der Löwe die Ente schon längst hätte fressen sollen...)“ deutlich wird, macht es dem Vorleser einfach, sich der Aufmerksamkeit seiner Zuhörer gewiss zu sein. Die Sprache passt zur Zielgruppe, die Länge der Sätze und die Wortwahl sind angemessen. Die Reime von Leonards Gedicht bleiben im Gedächtnis, sodass sie von Kindern bei mehrmaliger Lektüre schnell „mitgelesen“ werden können. Optisch werden wichtige Wörter durch Fettdruck oder Großbuchstaben hervorgehoben, sodass sie beim Vorlesen leicht zu erkennen sind um entsprechend betont zu werden. Auch die Bilder sind gelungen und harmonieren mit den Texten. Kräftige Farben und kleine Details, die sich entdecken lassen, wirken ansprechend und kindgerecht. Leonards Mimik ist gut erkennbar und zeigt an, wie er sich jeweils fühlt, sodass seine Gedanken leicht nachempfunden werden können.
Fazit
„Ganz einfach Löwe“ ist ein rundum gelungenes Bilderbuch, das gleichzeitig lustig ist, aber auch eine wichtige Botschaft beinhaltet. Die Themen Toleranz und eigene Identität werden hier ohne moralischen Zeigefinger auf witzige Art angesprochen. Und auch ohne pädagogisches Ziel macht es Spaß, Leonard und Marianne beim Dichten und Pläne schmieden zu begleiten.
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