Angst vor gar nix?
- Klett Kinderbuch
- Erschienen: Januar 2019
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Illustrator: Daniel Kratzke
Zehn Gründe zum Fürchten und ein fürchterlicher Angeber
Drachen, Spinnen, Hundebisse, Spritzen, Schlangen, der dunkle Keller mit seinen Ungeheuern, abends alleine zu Hause sein, Halloween, Wespenstiche und zum Zahnarzt müssen – alles Ängste, mit denen sich Kinder plagen. Echte – und die in diesem Buch auch. Nur einer, der Franz, hält alle Ängste für „Firlefanz“, entkräftet auf unempathische Weise alle Gründe. Entweder empfiehlt er – nicht gerade überzeugende – Gegenmittel, beispielsweise eine lange Bockwurstkette als Schutz vor dem gefürchteten Hundebiss. Oder er macht sich einfach lustig und prahlt damit, nachts in das Haus einzubrechen, in dem ein anderes Kind gerade alleine ist und sich ängstigt. Und alles kommentiert er mit dem Satz, dass er selbst vor „gar nix“ Angst habe
Kein Buch für Angsthasen, aber ein Denkzettel für Angeber
Wie nähert man sich dem Thema Angst, ohne Angst zu machen? Werner Holzwarth und Daniel Kratzke versuchen es mit lässiger Sprache und witzigen Bildern. Die Wortwahl der durchgängig gereimten Erzählung ist eher cool als wirklich furchtsam: „Ich habe nur vor einem Schiss: vor einem Rauhaardackelbiss!“Auch die lustigen Illustrationen der verängstigten Kinder verhindern, die verschiedenen Ängste ernst zu nehmen. Ermutigend für „Angsthasen“ wirkt, dass die anderen zehn Kinder freimütig von ihren Ängsten erzählen, obwohl das Ausgelachtwerden die Erzählung von Anfang bis beinahe zum Ende durchzieht.
Das Ende ist allerdings verblüffend: Franz hat ja Angst vor „gar nix“, sein Satz zieht sich wie ein Refrain durchs Buch. Bis zum Schluss ahnt er nicht, wie Recht er damit hat. Aber dann kauert er im „Gar nix“ und findet das wirklich „Mist, wenn man so ohne Freunde ist“. Und versteht, dass auch er Angst hat. Angst vor „gar nix“. Schön ist, dass das Finale kein schadenfroher Knaller ist, in dem Franz der Bloßgestellte sein wird und wir uns endlich über ihn lustig machen dürfen. Denn die anderen Kinder tauchen unvermittelt und ohne jegliche Schadenfreude wieder auf und bieten ihm die einzig wirksame Hilfe an: „Wir sind hier, komm einfach her.“ Ebenso eindrücklich ist es in den Illustrationen dargestellt, wie die Isolation durchbrochen wird: mit einem aufgerissenen Loch in der weißen Seite dar, durch das Franz‘ Freunde – bunt, fröhlich und zahlreich – schauen und Franz wieder zum Strahlen bringen.
Rockiger Erzählstil, Bilder wie ein Videoclip
Die querformatige, kurzweilige Bildgestaltung wirkt wie ein Videoclip. Das Cover, auf dem Franz umringt von allen angsteinflößenden Wesen und Gegenständen frech auf Halloweenkürbissen thront, sieht aus wie ein Filmplakat. Auf jeder Breitband-Doppelseite werden jeweils die Kinder in ihren vorgestellten Angstsituationen dargestellt. So entsteht eine rasante Sequenz, die mit Sophie beginnt, die über Jans Angst vor Drachen lacht und selbst Spinnen fürchtet, und mit Jan endet, der Wespenstiche nicht schlimm findet, aber seine Angst vor Drachen einräumt. Diese Kreisförmigkeit ähnelt einer rege Diskussionsrunde der Kinder, wobei Franz, der auf jeder Doppelseite im Eck rechts unten zu sehen ist, als ständig nervender Störenfried sichtbar ist.
Für die Kleinen, die Vier-, Fünf- und Sechsjährigen kann dieses Sammelsurium von Horrorszenarien möglicherweise zu viel sein. Sie orientieren sich stärker an den Bildern als am Text verstehen vielleicht noch nicht den Witz der Geschichte und das Versöhnliche daran.
Fazit:
Das Thema des bekannten Märchens „Von einem, der auszog das Fürchten zu lernen“ erscheint hier in heutigem Gewand, frech gereimt und rasant gezeichnet. Und es bietet einiges an Stoff für Kinder im Grundschulalter. Wenn das Buch in Kindergruppen vorgelesen wird, wird es eine interessante Gruppendynamik bewirken und viele Gesprächsthemen aufwerfen. Protagonist dieser Geschichte ist Franz, ein fürchterlicher Angeber, der sich für absolut furchtlos hält und immer wieder betont, dass er vor „gar nix“ Angst hat. Ohne zu ahnen, wie Recht er damit hat.
Werner Holzwarth, Klett Kinderbuch
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