Der kleine Käfer Skarabäus
- Thienemann
- Erschienen: Juli 2018
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Ein Kinderbuch über Mistkäfer? Es mag nicht gleich auf der Hand liegen, aber die kleinen Tiere sind äußerst kinderbuchgeeignet.
Tagein, tagaus derselbe Trott. Schöne, runde, glänzende Kugeln wollen gedreht werden, eine, nach der anderen. Jeden Tag. Sieben Tage die Woche, 52 Wochen im Jahr...
Zusammen mit den anderen Mistkäfern um ihn herum dreht der kleine Käfer Skarabäus emsig eine Kugel nach der anderen. Etwas freudlos zwar, etwas hektisch, ziemlich beschäftigt. Warum er das macht? Nun, das ist (scheinbar) ziemlich klar. Er räumt auf, schafft Abfall weg und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Ordnung in der Natur. Denken wir. Der Käfer sieht das anders. Für ihn ist jede Kugel eine Vorratskammer, ein leckerer Happen, der schnellstmöglich in Sicherheit gebracht werden muss, bevor die anderen die Köstlichkeit entdecken. Doch warum sind es immer Kugeln? Schöne, perfekte Kugeln, aber immer Kugeln. Und wie viele hat er davon bereits gedreht? Skarabäus weiß es nicht. Doch etwas anderes weiß er eines Tages ganz genau. Er will mal etwas anderes machen, er will ausbrechen aus der Routine. Etwas wagen. Gesagt, getan. Anstatt der schönen glänzenden Kugeln, dreht er kurzentschlossen einfach mal etwas Eckiges.
Natürlich kommt es, wie es kommen musste: die anderen Käfer sehen ihn skeptisch und mit großen Augen an. >>Was ist mit dem los?
Da zeigen sich doch ein paar weitere Mistkäfer interessiert und bestellen auch ausgefallenere andere Formen. Skarabäus meistert sie alle und schnell ist die ganze Käfergesellschaft mit den aberwitzigsten Mistfiguren unterwegs: Herzen, Igel, Nudeln, Brezeln, Kissen, Hüte und viele weitere mehr. Im Nu ist der Damm ist gebrochen, die Freude ist groß und der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, nichts ist unmöglich. Die Käfer scheinen wie ausgewechselt und drehen nun schwungvoll selber jegliche Formen, die ihnen in den Sinn kommt. Eifrig überschlagen sie sich förmlich vor Ideenreichtum und finden Gefallen an der neu gewagten Vielfalt, die auch so wunderbar vielfältig einsetzbar ist. Bis ein junger Käfer begeistert entdeckt, dass man ja auch wunderbar Fußbälle formen kann, mit denen es sich prima spielen lässt, wenn sie perfekt rund sind. Die Begeisterung greift schnell um sich - und schon sind sie wieder bei der alten, wohlvertrauten Kugelform& Doch wie lange&?
Routinen und vertraute Dinge helfen, sich im komplexen Alltag zurecht zu finden, denn sie bieten einen Rahmen und damit Sicherheit. Doch manche Routinen überholen sich auch mit der Zeit, wirken einschränkend und verhindern mitunter sogar eine Weiterentwicklung. Wer dies erkennt und sich in der Routine unwohl fühlt, sollte ausbrechen. Getreu dem Motto "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt" trägt es zur eigenen Reife auf jeden Fall bei, die eingetretenen Pfade zu verlassen und mal "ganz wild" zu sein. Ganze Kulturströmungen sind daraus entstanden und wir würden vielleicht immer noch in Höhlen im Wald wohnen, wenn nicht mal jemand etwas Neues gewagt und begonnen hätte, eine erste Hütte aus Holz zu bauen. Und selbst, wenn das Experiment zeigt, dass das Altbewährte richtig und gut war und weiterhin eine Berechtigung besitzt, dann ist diese Erkenntnis wertvoll. Denn sie trägt zur Wertschätzung und Achtung bei und verleiht dem Altbewährten wieder einen bereichernden Sinn. Eben genau so wie bei den Mistkäfern, die nach anfänglicher Skepsis und einem kleinen Exkurs über ungewöhnliche Formen schließlich wieder bei ihrer alten und vertrauten Kugelform landen, diese jetzt aber nicht mehr mechanisch sondern freudvoll und aus Überzeugung drehen.
Normalerweise rufen solche "spinnerten" Ideen Skepsis und Ablehung hervor. Wieso etwas Neues wagen, es funktioniert doch so, wie bisher, sehr gut? Doch manchmal braucht es nur einen kleinen Impuls, das Signal, dass jemand voran geht und andere mitzieht, denn eine gewisse Neugier und Entdeckerfreude schlummert doch in jedem von uns?
Werner Holzwarth ist es am Beispiel des kleinen Käfers Skarabäus gelungen, diese und viele weitere Botschaften in eine kindgerecht erzählte Geschichte zu verpacken, bei der (zunächst) die Freude über die lustigen und phantasievollen Käfer im Vordergrund steht. Doch es wird mehr hängen bleiben, denn die Geschichte gibt Kindern viel mit für Situationen, in denen sie auf sich selbst gestellt sind und eine extra Portion Mut und Zuversicht brauchen, um mit Freude ihren eigenen Weg zu gehen. Nicht umsonst, heißt der kleine Käfer schließlich Skarabäus&
Unabhängig von dieser persönlichen Bereicherung wird unausweichlich die Frage kommen, ob es diese lustigen Käfer wirklich gibt - ein willkommener Anlass also, um nach dem Lesen des Buches Wald und Wiesen zu durchstöbern und sich mit Mistkäfern zu befassen. Schließlich leisten die kleinen Tiere einen großen Beitrag in der Natur und nicht umsonst waren sie im Alten Ägypten heilig.
Die unterhaltsame Geschichte profitiert natürlich auch von dem harmonischen Zusammenspiel zwischen Text und Illustration. Sabine Kranz ist es hervorragend gelungen, den kurzen Text mit charakterstarken und sympathischen Zeichnungen zu bereichern. Die zunächst etwas einfältig aussehenden Mistkäfer besitzen dann doch eine überraschend ausdrucksstarke Mimik, die gekonnt die Gefühlswallungen zeigt, große Skepsis ebenso wie Begeisterung und Freude und somit den kleinen Lebewesen Persönlichkeit verleiht. Die ansprechende Farbgebung ist dezent und erdig gehalten, in gedeckten, warmen Tönen (passend zum Thema).
Fazit:
Ein Kinderbuch über Mistkäfer? Es mag nicht gleich auf der Hand liegen, aber die kleinen Tiere sind äußerst kinderbuchgeeignet. So klein, wie sie sind, haben sie eine Menge zu sagen und uns zum Thema Mut und Selbstvertrauen mitzugeben. Außerdem erzählen sie nebenbei sehr unterhaltsam eine amüsante und kurzweilige Geschichte.
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