Caldera, Band 1 - Die Wächter des Dschungels

Caldera, Band 1 - Die Wächter des Dschungels
Caldera, Band 1 - Die Wächter des Dschungels
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Sigrid Tinz
88%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonSep 2018

Idee

Umwelt und Fantasy, Freundschaft und Verrat, Abenteuer – hier steckt viel drin an Botschaften. Nicht alle kommen unbedingt an; aber die Protagonisten sind auf jeden Fall kennenlernenswert.

Bilder

Im Buch sind es einige wenige, schwarz-weiße Bilder. Viel zu wenige, von den sehr individuell und liebenswert gestalteten Tierfiguren auf dem Cover könnte es ruhig mehr geben.

Text

Spannend und schnell, humorvoll und emotional; der komplexe Inhalt entrollt sich nach und nach während der Wanderung der Tierkinder und so kann man als Leser gut folgen.

Caldera. So heißt die Heimat von Panthermädchen Mali, ihrer Schwester Chumba, ihrem eitlen Cousin Hazel und der Tante Usha. Und Caldera ist natürlich auch die Heimat vieler anderer kleiner, großer, wilder, bunter, dunkler, sanfter Tiere. Ein Dschungel wie am Amazonas, aber mit ein bisschen Magie. Und: dieser Dschungel ist in Gefahr.

Panthermädchen Mali liegt Tags im Bau und kann nicht schlafen. Panther schlafen tagsüber, sie können gar nicht anders. Ihre Wachzeit ist die Nacht.

Aber Mali kann eben nicht schlafen. Sie ist anders als ihre Familie, das merkt sie immer wieder. Und während sie so daliegt und Ameisen zählt, erfahren wir von ihr via Selbstgespräch das wichtigste für die Geschichte.

Sie spielt im Dschungel, der sehr an einen echten Regenwald angelehnt und zusätzlich magisch verfeinert ist. In Caldera ist die Welt der Nachtwandler - Panther, Fledermäuse oder Schlangen beispielsweise - strikt getrennt von der Welt der Tagwandler, zum Beispiel Affen. Tagwandler sind Tags wach, nachts nicht; bei Nachtwandlern ist das umgekehrt. Sie dürfen es nicht, weil es "widernatürlich" ist und es geht auch nicht. Sie werden dann jeweils einfach nicht wach, weil die Dämmerung einen Schleier bildet, der für jede Seite von der anderen undurchdringlich ist. Nur Ameisen können das. Den Schleier überwinden, tagsüber wach sein und nachts auch. Sie sind Schattenwandler. Mali lebt in einer Höhle aus Lianen, zusammen mit ihrer Schwester Chumba, bei ihrer Tante Usha. Malis und Chumbas eigene Mutter ist bei der Geburt gestorben. Usha ist die mächtigste Pantherin in der Gegend. Mit ihnen in der Höhle leben noch drei Pantherbabys, Ushas Kinder, und ihr großer Sohn, der eitle eifersüchtige Hazel. Sie alle jagen nachts und schlafen tagsüber, so wie es sich gehört. Nur Mali eben nicht.

Aber: nach und nach findet sie heraus, warum. Eines Tages schleicht sie sich nämlich hinaus, statt immer nur den anderen beim Schlafen zu zusehen. Das ist langweilig. Sie trifft dort Auriel, eine große Würgeschlange. Der erzählt ihr alles. Dass sie auch eine Schattenwandlerin ist. Weil sie genau zu einer Sonnenfinsternis geboren wurde, zu einer Zeit, als es tagsüber kurz Nacht war. Auriel ist ebenfalls Schattenwandler. Und er ist gerade dabei alle Tiere des Urwalds zu finden, die auch an dieser Sonnenfinsternis geboren wurden und deshalb Schattenwandler sind. Mali ist froh, endlich zu wissen, was mit ihr los ist und warum sie so anders ist.

Aber Auriel sucht die schattenwandelnden Tierkinder nicht zum Spaß oder um ihnen zu ihrem Seelenfrieden zu verhelfen. Sondern für eine Mission. Die sagenumwobene Ameisenkönigin, die tief in einem Inkatempel eingesperrt ist, scheint zu erwachen. Wenn das passiert, wird ganz Caldera ins Unglück stürzen. Nur die Schattenwandler können sie aufhalten. Also Auriel, Mali und all die Tierkinder, die bei der letzten Sonnenfinsternis geboren wurde.

Nach einigem Zögern und Zaudern macht Mali sich mit Auriel auf den Weg. Trifft viele Tiere unterwegs und besonders freundet sie sich an mit Lima, einem Fledermausmädchen, dem Affen Gogo und dem Frosch Rumi; einen Pfeilgiftfrosch, der ab und zu seine Freunde scharf warnen muss: "Achtung, ich habe mich vor Aufregung "eingegiftet", fasst mich jetzt bloß nicht an."

Jedes Tier ist seine eigene Persönlichkeit: Lima ist ein positives Wesen der Sorte "Awwww, hast du schönes Fell, darf ich mal anfassen, ach das hätte ich auch so gerne, aber stimmt, wir wollen ja zum Tempel, darf ich auf dir reiten, Mali, awwww und sooo weich ist dein Fell, unglaublich, ich wünschte ich hätte es auch so." Mali selber ist verschlossen und umsichtig und mutig, der Affe Gogo ein hibbeliger Kerl mit dem Herz am richtigen Fleck. Jedes Tier ist gleichzeitig so nach seiner Art beschrieben, wie es eben ist. Die Fledermaus fängt Mücken, Mali jagd und frisst knochenknackend Vögel und Ratten, Frösche und Mäuse. Wie im wahren Leben.

Ausnahme sind die Ameisen. Auch sie sind Ameisen, das schon, mit ihrer faszinierenden biochemischen Kommunikationstechnik und ihrem Sozialstaatswesen. Gleichzeitig sind sie aber das personifizierte Böse, die Weltverschwörung. Und da setzt meine erste Kritik an, denn das sind Tiere ja nicht. Gut oder böse. Das sind menschliche Kategorien, die wir auf sie übertragen. Und selbst wenn jedes Tier seinen eigenen Charakter hat und haben wird, eine ganze Art ist niemals "böse". Wären es Menschen, die so beschrieben würden, wäre das diskriminierend bis rassistisch und mindestens eindimensional klischeehaft. Dass ihre Lebensweise und ihr evolutionärer Erfolg faszinierend sind und auch ein bisschen scary, keine Frage. Aber nur für uns Menschen. Für sich und für die Natur sind sie wie alle Insekten ein längst nicht in alle Einzelheiten erforschtes, aber wichtiges Rädchen im globalen Ökologiegetriebe.

Die Reise der Tierkinder und dann auch der anschließende Kampf im Tempel gegen die Ameisen ist spannend, überraschend, angereichert mit humorvollen Szenen und mit fast allem von dem, was im Alter der Zielgruppe so Thema ist: wer bin ich, wie bin ich, andere sind anders; wie gehe ich damit um, wie komme ich mit ihnen klar, alleine ist es schwerer als zusammen und damit es zusammen klappt, braucht man Empathie, aber auch ein Gefühl für die eigenen Grenzen.

In so einer Tier-Clique ist das natürlich wunderbar plakativ zu präsentieren: Lima kann fliegen, Mali, Rumi und Gogo können das nicht. Gogo kann toll klettern, Rumi lange unter Wasser bleiben und Mali kann sich gut anschleichen.

Aber: trotz allem Teamwork, dass die so unterschiedlichen Tiere nach und nach hinkriegen, am Ende kommt Tante Usha und greift ein. Das ist wie bei jedem Kinderkrimi, am Ende kommen die Erwachsenen und übernehmen. "Holt euch Hilfe, wenn es nicht mehr weitergeht. Dafür sind Erwachsene da. Ihr müsst es nicht alleine schaffen", lautet die Botschaft und das ist auch richtig so.

Über eine lange Strecke in der Handlung ist Auriel, die Schlange, so etwas wie der Erwachsene. Der Anführer, der alles weiß, die anderen leitet, lenkt, informiert, schützt und motiviert. Alle sind froh, wenn er da ist, er ist für viele "aus der Art geschlagen" Schattenwandlerkinder der erste, der sie so nimmt, wie sie sind, sie gut und besonders findet und ihnen etwas zutraut. Und von ihm erfahren sie, dass jeder von ihnen eine Eigenschaft zu einer geradezu magischen Fähigkeit ausbauen kann. Der hitzköpfige Gogo zum Beispiel ist in der Lage, Feuer aus seinen Händen sprühen zu lassen. Mali, deren Leben sie gelehrt hat, im Hintergrund zu bleiben, kann sich wirklich so richtig unsichtbar machen, die freundliche Lima, die allen nur Gutes will, kann heilen.

Kurz vor dem Ende stellt sich jedoch heraus, dass Auriel der Böse ist. Ich möchte hier lieber nicht spoilern. Nur so viel: das Geschehen entwickelt sich wie in einem Thriller und erscheint für ein Kinderbuch vielleicht nicht geeignet. Nun ist die Zielgruppe nicht mehr so jung, dass es ihr Urvertrauen erschüttert, einige werden die überaus spannende Wendung sicherlich toll finden, aber beim genauen Hinsehen ist diese auch fatal nahe am wahren Leben. Besonders empfänglich für Missbrauch sind nämlich Kinder mit instabilem Selbstwertgefühl, denen ein väterlich oder mütterlich wirkender Freund Zuneigung und Anerkennung schenkt, um sie dann für seine Zwecke auszunutzen.

Vertrauen ist Glücksache, der Stärkere gewinnt, Fressen und Gefressen werden, auch das sind Botschaften dieser Geschichte.

Insgesamt ist das Leben in Caldera hart und harsch - mehr als die niedlich runden Tierkinder auf dem tollen Cover vermuten lassen.

Fazit:

Ein Buch voller Inhalt, so üppig wie der Dschungel, in dem die Handlung spielt; die Geschichte steckt voller Themen und Botschaften: von liebenswerten Tierkindern, Fantasy, Freundschaft, Verantwortung und Verrat, Abenteuer und Humor. Allerdings kommt nicht jede mögliche Botschaft unbedingt an und manche Entwicklungen wirken sogar zwiespältig. Wie das wahre Leben und die Realität. Aber: es ist auch toll zu lesen; der volle und durchaus auch schwere Inhalt ist bunt verpackt und leicht geschrieben.

Sigrid Tinz

Caldera, Band 1 - Die Wächter des Dschungels

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Caldera, Band 1 - Die Wächter des Dschungels

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