Zusammen umarmen wir die ganze Welt

Eine Umarmung ist eine Umarmung ist eine Umarmung? Oder steckt doch mehr hinter der wundervollen Erkenntnis, die zwei Bären im Wald ganz unverhofft machen?

Ein kleiner und ein großer Bär spazieren langsam und vertraut zusammen durch den herbstlichen Wald. Die Blätter an Bäumen und Sträuchern leuchten in den schönsten Herbstfarben und zaubern eine wunderbare Stimmung. Beide Bären legen sich eng aneinander gekuschelt auf den Boden und lassen die friedlichen Eindrücke der vorüber ziehenden Wolken und der raschelnden Blätter über ihren Köpfen auf sich wirken: "Papa, schau mal, die Wolke streichelt den Berg! Und die Blütenblätter kuscheln sich dicht aneinander! Hat sich alles so lieb wie wir uns beide?"

Diese Beobachtungen und die Frage zum Anlass nehmend, erläutert Vater Bär seinem kleinen Bärenkind anhand vieler weiterer Beispiele verschiedene Arten von Liebe, Geborgenheit oder Zusammenhalt, wie z.B. die Entstehung des Lebens durch die Verbindung von Feuer, Wasser und Luft oder auch Bäume, die mit ihren Zweigen die Nester der Vögel umarmend beschützen. Und auch der Honig, für Bären ja ein besonderer Leckerbissen, entsteht aus einer Art Umarmung der Blüten mit den Bienen, wie Papa Bär erklärt. Ebenso können zärtliche Blicke Umarmungen sein und Kinder entstehen im besten Fall aus der Umarmung zweier sich liebender Tiere oder Menschen...

So offensichtlich diese Zusammenhänge auch sein mögen und tagtäglich vor unseren Augen passieren, ist der Blick auf die Welt durch die Perspektive der Umarmung doch eine ganz neue (oder häufig vergessene), die den rein biologisch, physikalischen oder anderweitig rational erklärbaren Zusammenhängen eine besondere Note verleiht.

Passend zu der sanften und dennoch stimmungsvoll beeindruckenden Aussage ist die Farbigkeit des Buches kräftig, harmonisch, warm und in gedeckten Farben gehalten. Die Collagetechnik erlaubt es, dass unterschiedliche Texturen und Muster dezent durchschimmern und den Illustrationen eine plastische Tiefe und Mehrschichtigkeit geben. Die beiden Bären sind zudem wahre Sympathieträger: mit freundlichen und aufgeschlossenen Gesichtern und der typischen bärigen Gemütlichkeit stapfen die beiden durch den Wald. Der große Bär trägt einen gemütlichen Pullover mit verschiedenen Mustern, der kleine Bär einen kuscheligen Schal, so dass die äußere Geborgenheit und Gemütlichkeit gut mit der inneren Ruhe harmoniert.

Die seitenfüllenden, harmonischen Bilder werden durch sehr kurze Textpassagen begleitet, die dem optischen Eindruck eine inhaltliche Richtung geben. Ganz ohne die Textzeilen würden die Bilder nicht die Botschaft vermitteln, die Manuela Monari wichtig war. Doch auch mit ihnen ist immer noch viel Spielraum für eigene Gedanken und Ideen, da die Texte viel Interpretationsspielraum lassen, eher Textfragmente sind und keine komplette Geschichte erzählen. Kleineren Kindern mögen die Zeilen teilweise zu poetisch und vielleicht auch unverständlich sein, jedoch haben sie ein großes Interpretationspotenzial und können zu intensiven Gesprächen anregen.

Fazit:

Liebe, Geborgenheit, Achtsamkeit, Vertrauen - gibt es etwas Wichtigeres? Und wenn wir die Augen einmal öffnen, sehen wir, dass viele Dinge auf der Welt durch Liebe miteinander verbunden sind. Ein wunderschönes Bilderbuch, das die Welt mit einem überraschend harmonisch und Mut machenden Blick betrachtet.

Claudia Goldammer