Bulli heißt eigentlich Lord Royal Bullheimer und ist ein ehemaliges Turnierpony mit vornehmem Stammbaum. Dass er nach seiner Karriere als Reitpony weitermacht, findet er unter seiner Würde. Weil er so zickig und biestig zu allen Kindern ist, die es mit ihm versuchen, ist er nun Frührentner und steht nur noch auf der Weide. Lina ist Stadtkind und Pferdehasserin, auf dem Land zu sein ist unter ihrer Würde und sie ist es nur, weil der Onkel verreist ist und ihre Mutter dessen Hof hütet. Der an die Weide von Lord Bulli liegt .... und am Ende des Buches sind Bulli und Lina ganz verliebt ineinander und so was wie ein Traumpaar.
Für pferdebegeisterte Mädchen in der Vorpubertät ist das Pferd weniger ein Tier, sondern mehr so etwas wie der erste Freund. Darüber gibt es viele soziologische hochinteressante Studien. Zum Beispiel wie sie das Pferd begrüßen: nämlich nicht, wie man das eigentlich macht und lernt, schräg von der Seite und dann den Hals klopfen. Sondern sie kommen von vorne und legen dem Tier die Arme um den Hals, die Wange aufs warme Fell und zum Schluss gibt es einen Kuss auf die weiche Nase. Deswegen: Mag es aus Erwachsenensicht befremdlich sein, wenn sich hier ein Pony in ein Mädchen verliebt - für viele Mädchen ist es genau das, wovon sie träumen.
Lina ist allerdings kein typisches Mädchen. Für Pferde und Ponys ist sie überhaupt nicht zu haben. Sie ist ein Stadtkind durch und durch, zeichnet und malt leidenschaftlich gern, findet es auf dem Land eklig, matschig, dreckig und stinkig und vor Pferden hat sie richtig, richtig Angst, fast wie bei einer Phobie. Sie verbringt die Ferien auf dem Hof ihres Onkels nur, weil der eine lange Reise macht und ihre Mutter solange Haus, Hof und dessen Koi-Karpfenzucht hütet. Nebenan ist ein Pferdehof und eine Weide mit zwei Pferden: eins davon ist Lord Royal Bullheimer, ein ehemaliges Turnierpony mit vornehmer Abstammung; jetzt ein griesgrämiger, kinderhassender Renter, weil er soo griesgrämig und kinderhassend ist, dass er als Reitpony nicht taugt. Das einzige Kind, das er jemals mochte, war Pia, seine Reiterin von früher. Die ist aber längst groß, studiert in einer anderen Stadt und hat keine Zeit mehr für ihr altes Pony.
In Lina erkennt er ein bisschen seine Pia wieder und er interessiert sich zum ersten Mal wieder für ein Kind.
"Ein Mädchen ganz nach meinem Geschmack, ein bisschen störrisch und mit eigenem Kopf", wie er seinem Weidekumpel Walli erzählt. Denn Bulli kann sprechen - nicht zu den Menschen in der Geschichte - aber mit den anderen Pferden. Und zu den Leserinnen, denn abwechselnd mit Lina erzählt er jeweils ein Kapitel aus der Ich-Perspektive. Beide, Erzähler und Erzählerin, lassen sich durch den Stil des Textes unterscheiden, sind aber gleichwertig locker, lustig und gut lesbar geschrieben, mit viel wörtlicher Rede, kurzen Sätzen, normaler Umgangssprache. Wenn Bulli dran ist, klingt es wirklich so, als würde da ein älterer Herr seinen zweiten Frühling erleben, seine Ansichten und sein Verhalten passen ebenfalls dazu. Lina interessiert ihn, also stellt er ihr nach und folgt ihr auf Schritt und Tritt, schnaubt sie an, stupst sie in die Seite und wenn sie ihn - schreckenstarr - abwehrt und abweist, macht er - "Hej, ich will dir doch nichts tun" - einfach weiter. In der festen Überzeugung, sie irgendwann weichgeklopft und von sich überzeugt zu haben. Angesichts der laufenden #MeToo-Debatte macht das fast ein bisschen Unbehagen. Aber: es sind ja nur Ponys.
Die vielen lustigen, liebenswerten, schrägen schwarz-weißen Bilder sind im ganzen Buch verteilt und helfen dabei, Bulli auch vor dem inneren Auge immer wieder als Pony zu sehen. Und natürlich passiert neben der Lovestory noch viel mehr an Handlung. Lina hat Zickerei mit ihrer Mutter und umgekehrt. Da gibt es Noah, den Sohn der Pferdehofbesitzer; Karlchen, Linas Jack-Russel-Terrier, der auch durch die Szenerie fegt, wie es zu seiner Rasse passt. Und dann verschwinden auch noch einige der wertvollen Koi-Karpfen und womöglich steht die japanische Mafia dahinter. Noah und Lina legen sich auf die Lauer und als der Dieb erneut mit einem Fisch verschwindet, steht plötzlich Bulli da, Lina steigt auf und zusammen geht's auf Verfolgungsjagd.
Fazit:
Lord Royal Bullheimer ist ein Rassepony und mag keine Kinder. Und Lina mag keine Ponys und ist nur in der Nähe von Herrn Bullheimers Pferdehof, weil sie die Ferien bei ihrem Onkel verbringt. Klingt wie der Gegenentwurf zu allen typischen Pferdemädchenbüchern, bleibt es aber nicht lange, denn irgendwas scheinen die beiden aneinander zu finden und am Ende und nach vielen lustigen Abweisungs- und Annäherungsversuchen sind sie ganz verliebt ineinander. Damit ist diese besondere Spannung natürlich raus für die nächsten Folgen, die nach diesem Auftaktband erscheinen werden, aber echte Pferdebuch-Mädchen mögen es eigentlich sowieso am liebsten, wenn Tier und Kind ein Herz und eine Seele sind und ein Team. Und die Nebenhandlungen und Nebenfiguren versprechen ebenfalls tolle Geschichten für die beiden neuen Freunde.
Sigrid Tinz
Antje Szillat, Frauke Scheunemann, Loewe
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