Bravelands - Der Außenseiter
- Beltz & Gelberg
- Erschienen: März 2018
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Die Bravelands, so heißt in diesem Buch die Savanne Afrikas; schon der Name macht klar, es ist nicht nur einfach die Savanne, sondern eine mystische Welt. Hier leben seit ewigen Zeiten alle Tierarten zusammen. Nicht direkt friedlich, aber mit Anstand und Ehre: "Töte nur, um zu überleben." Über all das wacht und richtet die Große Mutter, eine alte Elefantenkuh. Denn nicht alle halten sich an diesen Kodex, und der Löwe Titan bricht ihn gleich mehrfach.
Erin Hunter schreibt Serien wie andere Socken stricken. Von ihr gibt es die Bücherwelt der Warrior Cats, für die man nicht nur einen Übersichtsplan über all die verfeindeten, verbündeten Katzenclans und ihre Vor- und Nachfahren braucht, sondern auch einen über alle Staffeln, Sammelbände und Sondertitel. Es gibt die Survivor Dogs; und Seekers, eine in der nordischen Landschaft angesiedelte Tier-Fantasy, in der Bären die Hauptrolle spielen.
Jetzt ist die Savanne dran. Oder wie diese Landschaft im Buch heißt: die Bravelands. Löwen, Zebras, Geparden, Hyänen, Geier, Erdmännchen, Elefanten, Krokodile, Paviane und all die uns aus dem Zoo und aus dem Fernsehen so gut bekannten Tiere leben hier in Frieden und Freiheit zusammen. "Töte nur, um zu überleben", so lautet der Kodex, der das einigermaßen garantiert. Darüber wacht ein "Große Mutter" genanntes auserwähltes Tier. Seit ewigen Zeiten fällt die Wahl auf eine Elefantenkuh. Sie muss die Krokodile tadeln, die sich aus mangelnder Empathie nicht immer an den Kodex halten und die spielende Affen fangen, um es dann wie einen Unfall aussehen zu lassen. Sie muss schlichten zwischen Gnus und Zebras, die sich streiten, wenn die Löwen nicht genau abwechselnd ihre Herden bejagen: "Wir waren letztes Mal schon dran, das ist unfair." Das hat ein klein bisschen Komik, aber lustig - im eigentlichen Sinne - gemeint ist es nicht. Der Grundton ist ernsthaft, denn in der Natur geht es ums Überleben.
Beim Setting orientiert sich Erin Hunter sehr eng an den realen Gegebenheiten, erschafft also keine eigenen mythischen Welten. Sondern: Schauplatz ist die Savanne. So wie man sie aus Filmen und Büchern kennt, mit Ebenen voller Gras, glühender Hitze, Regenzeiten und Wasserlöchern. Bevölkert von Herden, Raubtierrudeln und Trupps von Affen. Auch bei den Tieren bleibt die Geschichte eng am tatsächlichen Verhalten. Fantasy wird es durch die tierisch-menschliche Sprache, die Gefühle sowie durch die Regeln und Gesellschaftsstrukturen, die bei den einzelnen Tierarten herrschen. Die Tiere haben Namen. Kraftvoll bei den Löwen: Heldenmut und Wagemut, Loyal oder Titan. Verspielt bei den Pavianen: Mango, Matsch, Nuss, Borke und Beere. Ehrwürdig bei den Elefanten: Mond, Aurora, Große Mutter.
Nicht nur für die jeweilige Tierart sind die gewählten Namen symbolisch, auch für deren Charaktere. Die Sympathieträger klingen sympathisch, die Bösewichter böse. Die Löwin Flink ist die Mutter von Heldenmut, die Löwin Arglist die Mutter von Kaltschnauze. Pavian Raff ist der Widersacher von Pavianin Borke. Das ist plakativ bis holzschnittartig und fast ein bisschen manipulativ, ja, aber es macht es übersichtlich. Als Leser muss man nicht erst jeden einzelnen langsam kennenlernen und einordnen, sondern weiß woran man ist: Wer war noch mal Raff? Und wer war die Frau von dem bösen Löwen, Arglist - genau. Dadurch kann die Story insgesamt sehr dicht und voll werden und trotzdem Lesefutter bleiben, das man wegfuttern kann ohne dabei die Übersicht zu verlieren - und dabei noch Essen, Baden oder auf die kleine Schwester aufpassen.
Der böse Löwe ist übrigens Titan, ein Löwe ohne Rudel, nur mit einer Gefolgschaft anderer rudelloser männlicher Löwen. Er fordert den Löwen Gallant heraus, zum Kampf um dessen Rudel. Statt Tier gegen Tier und mit Ehre zu kämpfen, überfallen Titan und seine Kumpanen Gallant und töten ihn. Gallants Sohn Heldenmut, kann fliehen, wird von einem Pavian gerettet, der ihn zu seinem Stamm mitnimmt. Der kleine Heldenmut wächst also unter Affen auf, doch auch er wird größer, und egal wie sehr er es versucht, ein guter Affe zu sein: er ist und bleibt ein Löwe, was ihn auch viele spüren lassen. Ein paar junge Paviane werden allerdings echte Freunde und sind an seiner Seite, als er sich aufmacht, seinen Vater zu rächen und seine Mutter zu suchen. Einer von ihnen wird in Band 2 die Hauptperson sein, in Band 3 ist es dann die Elefantin Aurora, die dritte im Bunde, die in ihren Visionen alles schon kommen sieht, was kommen wird: etwas Großes, durchaus Bedrohliches was noch im Ungefähren ist, das aber auch die Geier am Himmel über Bravelands schon riechen können. Veränderung, das auf jeden Fall. Und dass daraus etwas Gutes wird, dafür werden sich die drei ungleichen Freunde anstrengen und viele Abenteuer und Herausforderungen zu bestehen haben - ohne die neuen Folgen im Detail zu kennen, die zur Zeit nur auf Englisch vorliegen. Aber soweit kennt man als Erwachsener das Sockenstrickmuster von Lesefutter-Serien. Was nicht despektierlich gemeint ist. Ermöglicht doch so ein Muster einen kontinuierlichen Output an Büchern und das ist letztendlich das, was einen echten Serienfan am glücklichsten macht: Nachschub.
Fazit:
Braveland ist eine neue, sehr nah an natürlichen Verhältnissen erzählte Naturfantasy der Erfolgsautorin Erin Hunter. Die gleichen großen Themen um Gut und Böse, Macht und Freundschaft wie immer, diesmal angesiedelt in der faszinierenden Tierwelt der Savannen Afrikas. Wie immer lebendig geschrieben, spannend und facettenreich erzählt: moderate Fantasy für Tierliebhaber, perfektes Lesefutter mit Nachschubgarantie.
Sigrid Tinz
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