Das Liebesleben der Tiere

  • Klett
  • Erschienen: Februar 2018
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Sigrid Tinz
90%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonFeb 2018

Idee

Großartige Leseanreize, dazu ganz viel Wissen über die Tierwelt und einen perfekten unverkrampften Anlass, miteinander auch über das Liebesleben der Menschen zu reden.

Bilder

Anke Kuhls Tierwelt: naturwissenschaftlich korrekt und augenzwinkernd gleichzeitig; bunt, klar, deutlich, lustig und irgendwie hat jedes Tier und jedes Körperteil so etwas wie eine eigene Persönlichkeit.

Text

Anschaulich, vergnüglich, authentisch, faszinierend, wird es den biologischen Fakten und dem jeweiligen Tier gerecht wird. Und den jungen Lesern auch: erzählt offen und fasziniert von Sex ohne schlüpfrig zu werden – großartig.

Im Liebesleben der Tiere geht es natürlich nicht wirklich um Liebe, denn kein Mensch weiß wie und ob Tiere dieses Gefühl kennen. Eigentlich geht es von vorne bis hinten um Sex, oder noch nüchterner ausgedrückt: um tierisches Fortpflanzungsverhalten. Balzen, Paaren, Nester bauen, Eier legen, Nachwuchs aufziehen. Bis der alt genug ist, um wieder vorne anzufangen mit dem Balzen und Paaren.

Entstanden ist das Buch laut Verlag so: Die Autorin Katharina von der Gathen hat vor ein paar Jahren ein Aufklärungsbuch für Kinder geschrieben, "Klär mich auf!" und sie arbeitet zu diesem Thema auch regelmäßig in Schulen und Kindergruppen. Fragen wie "Gibt es das alles auch bei Tieren? Haben Elefanten auch Sex? Und wie machen das die Schlangen? Können Tiere schwul sein?" sind da an der Tagesordnung - jeder, der mit seinem Kind mal im Zoo war oder auf dem Bauernhof, kennt das vermutlich aus eigenem Erleben.

Katharina von der Gathen begann zu forschen, um auf die Fragen auch Antworten geben zu können. Und fand eine solche Vielfalt an tierischen Verhaltensweisen, dass auch daraus wieder ein Buch wurde. Dieses.

Es ist unterteilt in drei große Kapitel: Sie heißen "Ich krieg dich", "Ich hab dich", "Wenn der Nachwuchs kommt", also übersetzt: Vor dem Sex. Sex. Nach dem Sex. Innerhalb dieser Kapitel gibt es Überschriften, unter die Tiere mit ähnlichem Verhalten sortiert sind: Solche, die Tanzen beim Balzen und solche, die sich durch tolles Aussehen anpreisen oder auswählen lassen; solche die es mit Gewalt machen. Es gibt Tiere, die ständig Sex haben; und auch welche, die es nur einmal im Leben machen. Zum Beispiel, weil sie so wenig Libido haben wie die Pandas, oder im Gegensatz die Breitfuß-Beutelmäuse, die vor lauter Sexrausch das Essen vergessen und dann verhungern; oder weil das Gottesanbeterin-Weibchen ihren Mann oben schon anfängt aufzufressen, während er sie noch begattet.

Den einzelnen Tieren ist je ein Absatz gewidmet, überschrieben mit einem Schlagwort aus der Menschenwelt, das sofort ein Bild im Kopf entstehen lässt: "Fesselspiele", "Sex gegen Bezahlung", "Männer unnötig", "Mit dem Mund" - die dann folgende Beschreibung macht es aber gleich wieder absolut unerotisch und unschlüpfrig. Genau dieser Kontrast hat seinen eigenen Reiz und Witz. Und was man erfährt, ist durchweg hochinteressant. Dass zum Beispiel die eigentlich monogame Adelie-Pinguin-Frau ihr aus Kullersteinen gebautes Nest verlässt, um sich mit anderen Pinguinen zu "verlustieren" und ihnen dabei ein oder mehrere weitere Steinchen abzufordern. Oder der Maulwurf, den man als eifersüchtigen Kontrollfreak beschreiben könnte, verschließt er doch nach dem Akt die Scheide der Maulwürfin mit einem Schleimpropf wie mit einem Keuschheitsgürtel. Sein Samen, seine Gene sind drin, und wer nach ihm kommt, hat Pech gehabt. Der biologische Sinn dahinter könnte außerdem sein, dass die werdenden Babys im Maulwurfsbauch auch gut geschützt sind vor Keimen und Bakterien. So wie fast alles im Liebesleben der Tiere seinen biologischen Sinn hat und nicht nur zum Spaß an der Freude oder an der Gewalt oder an absonderlichen Sex praktiziert wird. "Wenn wir mit unserem menschlichen Auge darauf schauen" so steht es im Vorwort "können wir natürlich oft nur vermuten, was hinter den einzelnen Verhaltensweisen steckt. Ob es wirklich immer so ist, wie wir annehmen, das kann niemand sicher sagen. Wir können die Tiere ja nicht fragen. Schaut man wirklich einmal genauer hin, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus."

In der Tat.

Besonders genial sind die beiden Ausklappseiten der genialen Genitalien: einmal Penisse in allen Größen, Farben und Formen, drei Meter lang beim Wal, dünn und gekordelt beim Erpel, bunt und glattpoliert beim Mandrill, flauschig behaart beim Gorilla (und für ein so imposantes Tier wie einen Silberrücken eher klein); der Ameisenigel hat einen Vierfachpenis, denn Ameisenigelfrauen haben zwei Vaginas. Diese und andere sind auf der folgenden Doppelseite; und als drittes gibt es noch eine große Galerie voller süßer Tierbabys.

Alle Bilder in diesem Buch stammen wie bei "Klär mich auf" von Anke Kuhl. Sie sind so ernsthaft und korrekt, wie es sich für ein Biologiebuch gehört, wenn es sich um anatomische Details handelt. Und lustig zugespitze kleine Cartoons über das unterschiedliche Paarungsverhalten und locker in die Texte verstreut. Zum Beispiel das Bild zum Thema "Vermöbelt": Ein Hase, der verkniffen "Du bist die Beste und die Schönste und die Klügste" ruft, während die von ihm begehrte Häsin auf ihn eindrischt. Denn genauso ist das bei Feldhasen: nach dem Wettkampf gegen die anderen Herren muss er sich dann auch noch von seiner Herzensdame kräftig vermöbeln lassen, bevor er Vater ihrer Kinder werden darf.

Allein die Bilder durchzublättern macht unwahrscheinlich Spaß, wie von allein bleibt man hängen, liest rein und sich fest. Sex sells. So ist das eben. Als Leseanreiz, als Wissensmotor, aber auch um sich mit der eigenen Sexualität auseinanderzusetzen. Mit seiner expliziten und gleichzeitig sehr harmlosen Art ist das Buch perfekt für Familien, die mit dem Thema Liebe, Sex und Zärtlichkeit offen umgehen. Und für alle anderen eigentlich auch. Über einen Tierpimmel redet es sich leichter als über den menschlichen. Nicht von ungefähr wurden früher die Kinder mit Bienchen und Blümchen aufgeklärt. Wobei ein Walroßpenis oder das rosageschwollene Hintereil einer stierigen Kuh doch nochmal was anderes ist.

Fazit:

Vom Aal bis zum Zwergkärpfling, von der Kugelbauchmilbe bis zum Spitzmaulnashorn, in diesem Buch treten nicht nur bekannte Tiere auf, sondern auch solche, von deren Existenz man bislang nichts wusste, geschweige, dass sie so etwas wie ein Liebesleben haben. Wobei Liebe natürlich eine menschliche Kategorie ist, aber Katharina von Gathen und Anke Kuhl beschreiben und zeichnen die teils nüchternen, teils faszinierenden Fakten des tierischen Fortpflanzungsverhaltens so tierfreundlich und anschaulich, dass das Wort Liebe doch irgendwie passt. Perfekt zum Anschauen, Blättern, Festlesen. Man lernt unglaublich viel über Tiere, weitaus mehr als nur über ihren Sex. Und hat zahlreiche Gesprächsanlässe auch für das Thema Liebe, Sex und Zärtlichkeit der Spezies Mensch.

Sigrid Tinz

Das Liebesleben der Tiere

Katharina von der Gathen, Klett

Das Liebesleben der Tiere

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