Propeller-Opa

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Claudia Goldammer
92%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonJan 2018

Idee

Älterer Herr erlebt mit seinem Enkel, der an ihn glaubt, aufregende Abenteuer. Gekonnte Verflechtung des ernsten Themas Demenz mit einer Abenteuergeschichte voller kindlicher Liebe.

Bilder

Witzig, sehr lebendig und anschaulich und ebenso unkonventionell wie die Geschichte. Perfekte Auflockerung des Leseflusses und gekonnte Ergänzung der abenteuerlichen Geschichte.

Text

Herrlich flüssig, locker und leicht geschrieben, wunderbar zu lesen. Unbekannte Begrifflichkeiten werden in einem Glossar am Ende des Buches erklärt

Humorvoll, rasant und einfühlsam

"Propeller-Opa". Diesen Titel des neuen Buches von David Walliams muss man erstmal auf sich wirken lassen. Vielversprechend klingt er. Außergewöhnlich und nach einem großen Abenteuer. Und er hält, was er verspricht.

Jacks Opa war mit Leib und Seele Pilot einer Spitfire bei der Royal Air Force. Zwar ist er schon eine ganze Zeit nicht mehr aktiv, doch mit zunehmendem Alter verliert er immer mehr die Relation zum Hier und Jetzt. Er vergisst, daß Jack sein Enkel ist und erkennt seinen eigenen Sohn nicht mehr. Doch wenn man mit ihm im soldatischen Jargon spricht und die richtigen Vokabeln verwendet, dann springt er sofort darauf an. So wird Jack darin beispielsweise zum Staffelkapitän und sein Opa hört auf die Anrede Oberstleutnant. Klar, dass Jacks Eltern es immer weniger verantworten können, seinen Opa allein wohnen zu lassen. Als er nach einer aufregenden nächtlichen Suchaktion an der Kirchturmspitze hängend gefunden wird (in der irrigen Annahme, er säße in einem Flugzeug), steht fest: so kann es nicht weitergehen.

Da kommt das Angebot von Gemeindepastor Eber gerade recht, Jacks Opa im Altersheim "Twilight Towers" unterzubringen. Doch Jack ist dieser Ort nicht geheuer. Man munkelt, dass die alten Leute das Heim nur tot wieder verlassen und tatsächlich ist das Heim verriegelt und verammelt wie eine Festung. Die Hausordnung ist eine beeindruckende Liste mit 17 unverschämten Punkten und beinhaltet bösartige Verbote bzw. Regeln wie: "Gebadet wird jeden ersten Montag im Monat. Das Badewasser wird von allen Gästen gemeinsam benutzt." oder "Sämtliche Mahlzeiten sind aufzuessen, egal wie vergammelt sie auch sind. Reste werden Ihnen bei der nächsten Mahlzeit wieder vorgesetzt.". Die Besuchszeit ist auf sonntags von 15 Uhr bis 15:15 Uhr beschränkt, dann wird ein großer Klamauk veranstaltet und den Besuchern vorgegaukelt, man feiere ständig Parties in den Twilight Towers, obwohl tatsächlich die Alten in der restlichen Zeit der Woche mit Tabletten ruhig gestellt werden.

Jack findet all dies bei nächtlichen Einbrüchen in die Twilight Towers heraus, denn so leicht lässt er sich nicht von seinem Opa trennen. Und auch der hat den Ernst der Lage erkannt und versteckt nicht nur die Schlaftabletten in seinem korrekten Fliegerschnurrbart sondern lässt sich über Jack auch die nötige Ausrüstung zur Flucht verschaffen. Doch die Vorsteherin Miss Swine und ihre Gehilfen ahnen bald, dass Jacks Opa etwas im Schilde führt, so dass die beiden die nächste Gelegenheit zur Flucht nutzen müssen, als sie sich ihnen bietet. Da aber Jacks Opa die Schlaftabletten durch Smarties ausgetauscht hat, stehen bald alle Heimbewohner Schlange, um diesem unheimlichen Ort den Rücken zu kehren.

Klar, dass dabei das eine oder andere schief geht und alsbald das ganze Heim alarmiert ist. Die Vorsteherin läuft mit ihren Schwestern zu Höchsttouren auf, nur allzu bereit, mit dem Viehtreiber Stromstöße auszuteilen. Die Schwestern tragen zwar liebliche Namen wie Rose oder Jasmin, sind aber in Wahrheit vierschrötige Kerle und auch die Vorsteherin trägt ein dunkles Geheimnis mit sich herum. Als beim Fluchtversuch schließlich das Haus lichterloh in Flammen steht (der Viehtreiber setzt einen Vorhang in Brand), gelingt Jack und seinem Großvater die Flucht mit Hilfe eines Sargs auf Rädern, der sie pfeilschnell durch das Feuer befördert. Endlich zurück in Freiheit spürt Jacks Großvater aber auch, dass er weiterhin hoch hinauf in die Lüfte muss, um einmal noch seinen Lebenstraum leben. Gemeinsam mit Jack gelingt ihm tatsächlich der unglaubliche Diebstahl einer Spitfire aus dem Londoner Kriegsmuseum, um schließlich mit ihr hoch hinauf in die Lüfte aufzusteigen&

Die turbulente Geschichte von David Walliams hat wieder alles, was Kinder begeistert: eine schnelle Story, ungewöhnliche Wendungen, schräge Charaktere und eine unkonventionelle Sicht auf die Dinge. Flüssig, leicht und humorvoll geschrieben, gelingt es David Walliams, Kinder die stolze Anzahl von mehr als 460 Seiten in wenigen Tagen durchlesen zu lassen und dabei bestens unterhalten zu sein. Und das, obwohl diese wunderbare Geschichte über die innige Freundschaft zwischen einem Großvater und seinem Enkel mit dem Thema der Altersdemenz und dem Pflegeproblem auch ernste Themen anspricht, die wahrscheinlich in vielen Familien früher oder später auftauchen.

Ganz nebenbei vermittelt er seinen Lerserinnen und Lesern, dass sich Erwachsene verändern und unter Umständen nicht mehr allein leben können, dass sie Dinge vergessen und Personen nicht mehr den Gesichtern zuordnen können, die sie jahrelang umgeben haben und dass sie eher in der Vergangenheit als im Jetzt leben. Doch Jack hat beschlossen, das Ganze als Spiel zu sehen und dabei einfach mitzumachen, um noch möglichst viel mit seinem Opa zu erleben.

Zu Beginn der Handlung werden alle Charaktere der Geschichte vorab vorgestellt und von Tony Ross zeichnerisch gekonnt umgesetzt. Da Jacks Mutter an der Käsetheke des Supermarktes arbeitet, umgibt sie eine fast greifbare Käsewolke und die Schwestern des Altenheims zeigen sich in ihrer ganzen grobschlächtigen Grausamkeit, die jedoch so überzeichnet ist, dass sie schon wieder komisch wirkt. Die quirligen Zeichnungen ziehen sich durch das ganze Buch und lockern den Lesefluss enorm auf. Teilweise sind sie seitenfüllend, teiweise zeigen sie nur kleine Details, vereinzelt ändern sie die Leserichtung oder spielen mit Worten des Textes. Wird David Walliams vielfach als würdiger Nachfolger Roald Dahls Gedanken- und Schreibwelt verglichen, scheint Tony Ross ein würdiger Nachfolger Quentin Blakes zu sein, dem es auch gelingt, die abstrusen Geschichten und skurilen Figuren lebendig, glaubhaft und sehr witzig zu illustrieren.

Da Jacks Opa hauptsächlich in der Vergangenheit lebt, sind im Buch recht viele Begriffe aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges zu finden. In einem Glossar am Ende der Geschichte sind diese kurz und knapp kindgerecht erklärt.

Fazit:

Humorvolle, rasante und einfühlsame Geschichte um Demenz und der bedingungslosen Liebe eines Enkels zu seinem Opa. Verpackt in einer skurile und turbulente Abenteuergeschichte ist der Lesespaß garantiert.

Claudia Goldammer

Propeller-Opa

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