Sophie im Narrenreich
- Beltz & Gelberg
- Erschienen: Oktober 2017
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Sophie wird 12 und exakt an diesem Tag taucht in ihrem Kleiderschrank ein gewisser Theobald auf, eine Art Kobold vom Äußeren her; und in Wirklichkeit ist er ein echter Narr. Das heißt, er kommt aus der Narrenwelt, einer Art Parallelwelt zur Menschenwelt. Beide sind aufeinander angewiesen und beide drohen unterzugehen, weil die Schwarznarren die Herrschaft an sich reißen wollen - und nur Sophie kann das verhindern.
Ein bisschen einfinden muss man sich, in jede Fantasy-Welt und in diese noch ein bisschen mehr. Was vielleicht am ungewöhnlichen Vokabular liegt. Statt um Drachen und Hobbits und Mittelerde und Elfenland geht es ums Narrenreich. Und Wörter wie "närrisch", "Narretei" oder "Höchstnärrischer Narrenrat" klingen - zumindest für Menschen aus Nordrhein-Westfalen - nach Karnevalsverein. Nicht nach der Fantasien-ähnlichen Parallelwelt, die es in diesem Buch ist: in der es Narren unterschiedlichster Art und Größe gibt, lustig wie Kobolde, fantastisch wie Einhörner, bunt wie Paradiesvögel, es gibt Stummnarrenfidelchen und Regenbogenzucker. Und es gibt auch dunkle und böse Narren, wie Dämonen; das sind die Schwarznarren.
Einfinden muss sich auch die Protagonistin Sophie. Sie ist gerade 12 geworden, hat einen großen Bruder eine alleinerziehende Mutter, keinen Vater, eine beste Freundin und eine Paten-Oma Lotte, mit der sie sehr gerne und oft Schokolade trinkt. An ihrem zwölften Geburtstag trifft sie den ersten Narr, in ihrem Zimmer, ganz typisch im Schrank, ist neugierig, ein bisschen ängstlich, zögerlich auch. Bald kommt der nächste und mit dem besucht sie dann das Narrenreich, staunt und freut sich. Und bereist und entdeckt fortan die neue Welt immer mal wieder.
Aber: das Wunderland ist in Gefahr.
Was Folgen hätte auch für uns Menschen. Denn: Jeder erwachsene Mensch trägt eine Art Inneres Kind in sich, durch das wir Glück empfinden können. Die Aufgabe der Narren ist es, Glück zu produzieren und den Menschen zu bringen. Großes Glück wie Liebe, kleines Glück wie den Hauch eines Sommerwinds. Der Glücksmoment, den wir Menschen dabei erleben, produziert wiederum bunte Energiebällchen - und das ist die Nahrung der Narren. So weit, so gut, so schön, gäbe es nicht die Schwarznarren, die innere Kinder rauben und einsperren. Die Menschen werden dadurch schwermütig und unglücklich. Und nicht mehr empfänglich für Glück. Folglich gibt es keine Glücksmomente mehr, keine Energiekugeln - die Narren müssen verhungern. Also muss etwas gegen die Schwarznarren getan werden! Um die Menschen zu retten und die Narren auch. Und das ist Sophies Job.
Das ist der Kern der Geschichte und ich denke, das war nicht zu viel verraten. Rund um diesen Plot gibt es noch sooo viele fantastische, abenteuerliche, lustige, nachdenkliche, interessante, bunte, traurige, spannende Szenen. Sophie pendelt zwischen dem Narrenreich und der Wirklichkeit. Sie trifft Narren und Wesen in einer solchen Vielfalt, dass man einmal mehr den Überblick verlieren könnte. Manche sind aber auch wie alte Bekannte, enthält das Narrenreich doch viele Anleihen aus anderen Fantastischen Werken und Welten, von "Alice im Wunderland" bis zur "Unendlichen Geschichte". Sophie zähmt Regenbögen - ganz vorsichtig mit Regenbogenzucker und Flötentönen, denn "es können hinterhältige brutale Mistviecher sein, wenn man sie am falschen Ende erwischt". Sie lernt fliegen, kämpfen und sich zu entscheiden, nimmt Rückschläge hin, sucht sich Verbündete und merkt, dass am Ende jeder für sich alleine entscheiden muss. Aber das man immer eine Wahl hat. Man könnte sagen: sie wird erwachsen.
Wie es ausgeht - verrate ich natürlich nicht. Außer, dass sich beide Stränge - Sophies Menschenleben ohne Vater und ihre Ausflüge in die Narrenwelt - nach einigen Kapiteln treffen. Und klar wird, warum ausgerechnet Sophie auserwählt als Retterin wurde.
Aber mehr wird jetzt wirklich nicht verraten.
Fazit
Mal wieder ein richtig gutes Buch, für alle, die das schöne Ritual des Vorlesens auch noch mit älteren Kindern pflegen; Ende Grundschule, Anfang weiterführende Schule ist das ideale Alter für diese fantastische Geschichte. Fantastisch voll mit Ideen und fantastisch komplex ausgedacht könnte es beim Selberlesen manchem und mancher 10 bis 11-Jährigen möglicherweise zu komplex sein, aber in Gute-Nacht-Geschichten-Portionen ist es perfekt. Je nach Alter werden die Kinder unterschiedliches heraushören und eines ganz bestimmt: Eine Tasse heißer Schokolade - und alles sieht gleich ganz anders aus.
Sigrid Tinz
Verena Petrasch, Beltz & Gelberg
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