Der Dominoeffekt oder die unsichtbaren Fäden der Natur
- Sauerländer
- Erschienen: September 2017
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Wie hängen Schafe aus Neuseeland und exotische Pflanzen in der Provence miteinander zusammen? Oder gibt es tatsächlich Frösche, die in einem Hotel leben?
Dass im Leben vieles miteinander verbunden ist, wissen Familien, wenn im Winter die Erkältung aus dem Kindergarten rundherum gereicht wird. Doch was im Kleinen stimmt, stimmt (in diesem Fall) im Großen erst recht, auch wenn die Auswirkungen des einen auf das andere nicht immer sofort (und so klar wie beim Familienschnupfen) erkennbar sind.
Gianumberto Accinelli hat es sich zur Aufgabe gemacht, den geheimen Zusammenhängen in der Natur, den Verflechtungen und Verwebungen scheinbar voneinander unabhängiger Phänomene auf die Spur zu kommen und aufzudecken. Im Gegensatz zum gewünschten Dominoeffekt im Kinderzimmer, wenn z.B. Spielsteine mit zittrigen Händen in langen Linien aufgebaut werden, um am Ende zu sehen, wie sie nacheinander umfallen, sind die hier beschriebenen Ereignisse häufig unerwünscht und nicht vorhersehbar gewesen. Denn immer noch weiß der Mensch nur buchstückhaft, wie die einzelnen Teile des Gebildes Natur miteinander verbunden sind, wie das eine das andere bedingt und welche Auswirkungen das Fehlen oder Hinzukommen einer Sache haben kann.
In 18 kurzen und flüssig zu lesenden Kapiteln durchstreift Accinelli die ganze Erde und vereint wissenschaftliche Erkenntnisse mit historischen Ereignissen, um zu zeigen, dass unbedachtes Handeln teilweise verheerende Auswirkungen haben kann. So brachten 24 frei gelassene Kaninchen die australische Landwirtschaft und Viehzucht nahezu zum Erliegen und sorgten außerdem dafür, dass einheimische Vögel fast ausstarben. Ein anderes Beispiel ist das der Fruchtfliege: um die Apfelplantagen vor dem unstillbaren Hunger der kleinen Lebewesen zu schützen, wurden künstliche Äpfel, die mit Duftstoffen und Insektiziden präpariert waren, in die Bäume gehangen. Doch leider lockte der unwiderstehliche Duft auch das Rotwild aus den umliegenden Wäldern an, so dass es nicht nur Jubel über die gebannte Insektenplage sondern auch viel Trauer und Empörung über das Rotwildsterben gab.
Neben diesen bedenklichen Zusammenhängen und Entwicklungen schildert Accinelli in seinen wissenschaftlichen und historischen Geschichten aber auch rein Erstaunliches oder Kurioses. So beschreibt er eine Schweineorgel, die im 15. Jahrhundert erbaut wurde und mit den mehr als 20 verschiedenen Grunztönen der Schweine spielt oder er erläutert eindrücklich die Intelligenz von Kraken, die nicht nur gewandt im Wasser sind sondern auch schnell dazu lernen und einander nachahmen.
Die Vernetzung scheinbar getrennter Dinge ist wunderbar leicht und subtil von Serena Viola illustrativ umgesetzt. Dabei kombiniert sie verschiedene Stile wie Drucke oder Zeichnungen und stimmt die Bilder auf das jeweilige Kapitel ab. Unter allem liegen grazile, fast unsichtbare Fäden, die das ganze Buch durchziehen und nicht nur Bild und Text sondern auch die einzelnen Kapitel mit einander verbinden. Ebenso wie die textliche Leichtigkeit nehmen die schwebenden Illustrationen dem Inhalt die Schwere und hinterlassen trotz der erschreckenden Geschichten ein Gefühl der positiven Achtsamkeit.
Fazit:
Dass die Natur ein fragiles und sensibles Gebilde ist, wissen mittlerweile die meisten. Und dennoch erstaunen Accinellis Erzählungen und regen noch einmal mehr an, über das eigene Handeln und Eingreifen in unser Ökosystem einzugreifen. Spannend erzählte Geschichten, die eindrücklich vor Augen führen, wie komplex unsere Erde ist.
Claudia Goldammer
Gianumberto Accinelli, Sauerländer
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