Jakob und Ingxenje

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Sigrid Tinz
90%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonAug 2017

Idee

Kindersommer-Traum: Boot bauen und den Fluss entlang fahren bis zum Meer …. die Kinder treffen einen Wal und es wird noch wunderbarer, bleibt dabei knapp unter der Oberfläche des Möglichen.

Bilder

Ganzseitig bis sehr klein, immer schwarz-weiß, sehr stimmungsvoll und ganz oft mit Ingxenje, dem kleinen Pottwal.

Text

Schön gemütlich und irgendwie so wie man sich Wienerisch vorstellt, denn da leben die Hauptpersonen, das merkt man auch an den Austriazismen ab und zu; das Pottwalisch hat Zungenbrecher-Qualität.

Sommerferien! Die Freunde Jakob und Ollin, beide acht, freuen sich schon: Sie wollen ein Boot bauen und damit dann auf der Donau bis zum Schwarzen Meer fahren. Und weil Mütter und Freunde mit anpacken, wird aus dieser fantastischen Idee Realität: sie schippern los und treffen kurz vor dem Ziel ein verirrtes Pottwalkind, das wieder aufs offene Meer hinaus will, ja muss und soll. Die eigentliche Reise und das wirkliche Abenteuer fangen da also erst an.

So wie alles im Buch passiert, wird es im wahren Leben nie passieren, aber es sind nur ganz kleine Nuancen und es hätte doch alles irgendwie so passiert sein können.

Dass sich zwei Kinder Jakob und Ollin ausdenken, in den Sommerferien ein Boot zu bauen und damit die Donau bis ans Ende, bis ans Schwarze Meer zu schippern absolut möglich. Dass die Erwachsenen die beiden Mütter und deren kinderlose Freundin samt boots-erfahrenem Mann mitmachen: eher unwahrscheinlich, aber warum nicht? Verlängerten Urlaub nehmen, Geld, Material, Knowhow und Helfer organisieren, das Boot bauen, packen und losfahren. Dass sie es dann die Donau runter schaffen bis ins Delta klar. Dass dort ein junger Pottwal herumirrt, könnte doch durchaus passieren. Dass Jakob die pottwalische Sprache versteht und die beiden sich anfreunden das ist sehr unwahrscheinlich, aber nur so konkret, wie die Spiele und die Gespräche der beiden geschildert werden. Dass ein Junge und ein Tier eine Beziehung und ein Gespür für einander haben, ist absolut möglich. Es gibt Hundeflüsterer, Pferdeflüsterer warum also nicht auch Walflüsterer?

Und das macht die Faszination dieses Buches aus: ein Abenteuer ganz knapp unter der Oberfläche der Realität und darum sehr lebensecht.

Als Ingxenje auftaucht beginnt das Abenteuer erst richtig: der kleine Wal muss wieder ins große Meer, zu seiner Familie und zu seiner Mama. Und die Mannschaft an Bord will ihn dorthin führen. Das Schiff fährt voran durch den Bosporus, das Maramarameer, die Dardannellen bis nach Gibraltar. Sie fahren nachts und heimlich, denn Jakob, Ollin und die vier Erwachsenen haben keine Papiere für all die Ländern und außerdem ist die Gefahr groß, dass der Wal entdeckt und gefangen wird. So schwimmt das Fantastische wieder ganz nah an der Oberfläche der heutigen Realität.

Die Bilder sind ähnlich: lebensecht und doch träumerisch, ganzseitig bis sehr klein, immer schwarz-weiß, fast immer mit Ingxenje, dem kleinen Pottwal.

Es geht gut aus, der Wal erreicht den Atlantik, die Abenteurer kehren nach Wien zurück.

Und es geht noch weiter: Jakob geht wieder zur Schule und der Plan, im nächsten Jahr am gleichen Ort den Wal wieder zu treffen, zerschlägt sich, die Eltern wollen ruhigen Urlaub. Und er geht wieder ein Jahr zur Schule, wird älter, er denkt wenig an Ingxenje, weil keiner mehr seine Wal-Geschichten hören will und weil anderes wichtiger wird: Sammelkarten, Kumpels, Sport, Lernen für die Schule. Dann kommt der nächste Sommer, in die Ferien geht es nach Irland und dort treffen sie tatsächlich Ingxenje wieder und die Geschichte, die doch eigentlich schon zwei Jahre vorher zu Ende hätte sein können, wird auf einmal doch noch runder als sie vorher schien. Der irische Skipper, der mit ihnen aufs Meer hinausfährt und die Wale sucht, war ein eben solches Walkind wie Jakob und trifft dabei seinen Wal wieder und dann ist die Geschichte wirklich zu Ende.

All das ist eingebettet in viele lebenskluge und lustige Dialoge , erzählt mit feinem Humor, der wenig konstruiert wirkt, sondern sich aus der genauen Beobachtung und Beschreibung der Charaktere und Situationen wie von selbst ergibt. Dazu viel Sprache: das Wienerisch und die entzückenden Austriazismen, die durchklingen, und auch die Sprache der vielen bereisten Länder kommt immer wieder vor. Und das Pottwalisch das beim Vorlesen leider ein bisschen als Stolperstein wirkt, genau wie Ingxenje oder der Name des Schiffes zusammengesetzt aus den Anfangsbuchstaben der Protagonisten, was eine nette Idee ist, aber für den man beim Vorlesen jedes Mal neuen Anlauf nehmen muss.

Fazit

Typische Familien von heute, total patent, pragmatisch und zupackend bauen ein Boot und erleben ein fantastisches und eigentlich unmögliches Abenteuer, nämlich zusammen mit einem Pottwal das offene Meer zu suchen und zu finden und alles wirkt gleichzeitig authentisch und alltäglich. Jakob und Ingxenje ist kein Kinderbuch nach Strickmuster und von der Stange und an manchen Stellen wäre drüber polieren vielleicht noch gut gewesen, damit es rundum vollkommen glänzt aber ein Geschichten-Goldstück ist es trotzdem.

Sigrid Tinz

Jakob und Ingxenje

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