Warren der 13. ist kein gewöhnlicher Junge. Nicht allein sein Name ist ungewöhnlich, auch mit seinem Gesicht, das einer Schildkröte ähnelt, seiner grauen Haut und den schiefen Zähnen, sieht er alles andere als vertrauenserweckend aus.
Dabei ist der 12-jährige ein lieber Kerl, dem das Schicksal bereits einige herbe Schläge versetzt hat. Seine Mutter starb früh und mit sieben Jahren verlor er auch noch seinen Vater, Warren den 12. Dieser hatte bis zu seinem Tod ein prunkvolles Hotel mit bestem Ruf weit über die Ländergrenzen hinaus geführt. Doch nach dem Tod des Vaters sprang Warrens Onkel Rupert ein, denn Warren war noch viel zu jung, um die Leitung eines Hotels zu übernehmen. Jedoch zeichnet sich Rupert nicht gerade durch Fleiß und Elan aus und so verfällt das Hotel zuzehends.
Die Gäste bleiben aus und schließlich gibt es nur noch Mr. Friggs, Warrens Lehrer und einziger Dauergast, Chef Bunion, der Koch, der dem Hotel aus reiner Liebe zu vergangenen Tagen die Treue hält, sowie Onkel Rupert und seine frisch angetraute Frau Tante Annaconda. Und natürlich Warren, der versucht, als Hausmeister, Page, Kammerjäger, Zimmer-Service-Junge und einfach als Junge für Alles das Hotel einigermaßen in Schuss zu halten.
Daher ist die Aufregung riesig, als eines Tages ein großes Auto vorfährt und ein Hotelgast die Lobby betritt. Eine große und dünne Gestalt ist es, ganz in schwarz gekleidet bis auf Gesicht und Hände, die mit weißen Verbänden umwickelt sind. Außerdem spricht der Gast kein einziges Wort sondern kommuniziert über Karten mit Symbolen darauf. Doch einmal auf sein Zmmer gebracht, spukt der Gast Warren nicht weiter im Kopf herum. Er hat andere Probleme, denn Tante Annaconda stellt, seitdem sie vor etwa vier Monaten Onkel Rupert heiratete und ins Hotel einzog, jeden Winkel des großen Gebäudes gehörig auf den Kopf. Dabei geht sie denkbar rücksichtslos vor und hinterlässt zerfetzte Vorhänge, Teppiche und Decken, gelöste und herausgebrochene Fußbodeldielen und jede Menge Scherben. Tante Annaconda ist besessen von der Idee, dass im Hotel "das magische Auge" versteckt ist. Doch da auch sie nicht so richtig weiß, was genau sich dahinter verbirgt, gestaltet sich die Suche einigermaßen schwierig.
Seit kurzem hat Tante Annaconda, die - man ahnt es bereits - in Wirklichkeit eine skrupellose Hexe ist und sich vom magischen Auge neue Zauberkraft erhofft, Unterstützung durch eine bleichgesichtige Schülerin, die sich Warren als Petula vorstellt und schnell Freundschaft mit ihm schließt. Doch steht Petula tatsächlich auf Warrens Seite oder wurde sie von Tante Annaconda auf Warren angesetzt? Und was hat es mit dem geheimnisvollen Oktopus im Heizungskeller auf sich? Warum taucht zu allen möglichen Zeiten und an allen möglichen Orten plötzlich eine Schnecke auf? Bis diese, und weitere, Fragen beantwortet sind, treffen nicht nur Annacondas Hexenschwestern Scalene und Isosceles im Hotel ein, sondern auch noch viele weitere Gäste, die, auf der Suche nach dem magischen Auge, nun jeder für sich das Hotel auf den Kopf stellen. Wird Warren es gelingen, das Blatt noch zu wenden?
"Warren der 13. und das Magische Auge" ist kein gewöhnliches Buch. Aus dem schier unerschöpflichen Angebot an Kinderliteratur sticht es im Buchladen bereits durch sein unübliches Format und seinen aufwändig gestalteten und kinderbuchunüblichen Einband heraus. Das Cover zieren keine gefälligen Farben, keine freundlichen Charaktere, keine sympathischen Gestalten. Im Gegenteil. Es wirkt mit dem roten Grund und der schwarzen Zeichnung, auf der Warren zwischen Tante und Onkel im Dunkeln umherirrt, unheimlich und gruselig. Weder Warren erscheint mit seinem Äußeren besonders anziehend, noch würde man zu Rupert oder Annaconda spontan Vertrauen fassen. Die Goldprägung verleiht dem Eindruck zusätzlich etwas Hochwertiges und Geheimnisvolles.
Wer von jeher gern zu Gothic Novels oder Grusel-Schauergeschichten greift, wird also auch um Warren den 13. nicht drum herum kommen. Doch auch, wer hier bisher zurückhaltend war, sei Warren der 13. ans Herz gelegt. Zum einen überzeugt das Buch einfach durch seine detailreiche und stimmige Gestaltung. Was mit dem Cover vielversprechend beginnt, setzt sich unvermindert im Inneren fort. Jedes Kapitel wird mit einer bebilderten Doppelseite und einer aufwändig gestalteten Kapitelüberschrift begonnen, die Kapitel selbst sind auch von den zahreichen schraffierten Zeichnungen oder Spielereien mit Schrift und Ornamenten aufgelockert. Wie das Cover bereits vermuten lässt, verwendet Will Staehle ausschließlich schwarz, weiß und rot, um einen stimmigen Gesamteindruck zu kreieren. Die Hexensequenzen sind von denen der "normalen Geschichte" gestalterisch abgegrenzt, in dem hier weißer Text auf schwarzem Untergrund steht und dadurch die ganze Atmosphäre gleich etwas düsterer wird. Der Text ist, auch das fällt sofort ins Auge, zweispaltig gesetzt, was recht ungewöhnlich ist und eher an Lexika-Einträge erinnert. Zudem hat jede rechte Seite eine zusätzliche Überschrift in der Kopfzeile erhalten, die die wichtigste Botschaft des Textes zusammenfasst. (Auf den Hexenseiten sind diese übrigens in Spiegelschrift geschrieben.)
Zum anderen ist die Geschichte um Warren den 13. spannend erzählt, birgt unzählige unerwartete Wendungen und ist einfach unterhaltsam. Die skurile Handlung offeriert einen gewissen Gruselfaktor, ist jedoch so einfühlsam erzählt, dass auch ängstliche Kinder ruhig einschlafen können. Die Handlung strotzt vor kuriosen Einfällen, denn Tania del Rio spielt nicht mit Klischees, im Gegenteil, in Warren werden Erwartungshaltungen gut durcheinandergeschüttelt. Doch mit einer Sache spielt Tania del Rio nicht: auch hier siegt am Ende das Gute über das Böse, auch in Warren werden Freundschaften geschlossen, die zusammen durch dick und dünn gehen und auch hier wird deutlich, dass niemand nach seinem Äußeren beurteilt werden sollte, sondern dass es auf die inneren Werte ankommt.
Fazit
In "Warren der 13." steckt vor allem viel Liebe: Liebe zu den ungewöhnlichen Charakteren, Liebe zur spannenden Handlung mit vielen unerwarteten Wendungen und Liebe zur Gestaltung, die sich in zahlreichen Details durch das ganze Buch hindurch zeigt. Diese Liebe springt leicht auf seine Leserinnen und Leser über, die sich dieser skurilen, überraschenden und schaurigen Gruselgeschichte kaum entziehen können und am Ende des Buch, sehr verliebt, nur schwer aus der Hand legen.
Claudia Goldammer
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