Mathildas Monster
- Orell Füssli
- Erschienen: April 2017
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Unsichtbare Freunde oder ausgedachte Begleiter sind ein typisches Kinderbuchthema, bekannte Prototypen sind Pumuckl oder Karlsson vom Dach, das Sams oder Pettersons Findus. Immer wieder kommen neue Kollegen dazu, in diesem Buch ganz, ganz, ganz, ganz viele, Monster en masse sozusagen. Und anders als sonst, wo es ja meist losgeht mit dem Spaß und den Geschichten und Bänden und Folgen, wenn das Wesen aufgetaucht ist - geht es hier um die Zeit davor, um die Suche eines Mädchens nach ihrem ganz persönlichen Monster.
In Mathildas Klasse waren Monster gerade total angesagt, aber Mathilda hatte keines, noch nicht. Man konnte nämlich nicht einfach losgehen und sich eines besorgen, das Monster musste einen finden. So war das.
Kurzer Einschub: das ist in etwa die Textmenge pro Seite. Also eher kurz und knapp - aber gut - wird erzählt, was Mathilda, die Hauptperson, denkt und fühlt und dazu kommen ein paar Hinweise, die den Leser, Hörer und Betrachter die Illustrationen in die richtige Richtung interpretieren lassen: hier sieht man beispielsweise ganzseitig den Klassenraum, jedes Kind am Tisch, in eine Textarbeit vertieft; die Lehrerin hängt Zeichnungen auf. Neben einigen Kindern sind Monster: klein, rot, haarig, groß, wie ein grüner Dino, ein blaues vogelartiges Irgendwas. Hinter Mathilda steht niemand, sie ist die einzige, die nicht auf ihr Heft schaut, sondern verstimmt und etwas neidisch zu dem Nachbarsmonster schielt. Die Szene ist ruhig und doch voller Action und Stimmung, alle Konturen sind weich, die Farben pastellig - vor den Monstern muss absolut keiner Angst bekommen, so kuscheltierweich wie sie sind.
Die Perspektiven wechseln. Es gibt Großaufnahmen wie z.B. den riesigen Zottelmonsterfinger, der auf einen kleinen Jungen zeigt und ihn sich so aussucht. Und es gibt Seiten voller kleiner Sequenzen, in denen ein Kind nach dem anderen von seinem Monster gefunden wird: in der Leseecke der Bücherei ist es ein grüner Sitzsack mit Augen, ein anderes kommt mit dem Rad, es gibt kleine Monsterchen zum Betüdeln und solche, die groß sind wie Trampoline und mit denen man toben und spielen kann. Das Monster von Mathildas Bruder sitzt wie ein Äffchen auf seiner Schulter und Lennys Monster taucht genau dann auf, groß und bärig, als er mal wieder von den großen Jungs geärgert wird. Hochgradig unterhaltsam und gleichzeitig Alltag mit Wiedererkennungseffekten, die ein Kind auch ins Erzählen bringen können. Und es sich durchaus lange bei einer Seite verweilen lässt.
Irgendwann haben alle Kinder ihr Monster, alle Monster ihr Kind. Nur Mathilda nicht. Sie wartet und wartet, versucht es sich schön zu reden oder besonders liebenswert zu sein. Auch das sind alles Gefühle, die Kinder kennen; genau wie die hämischen Kommentare des großen Bruders dazu und der laue Trost der Eltern: "Nicht traurig sein, du musst Geduld haben" und so weiter. Aber dann hat Mathilda keine Geduld mehr, sie will nicht warten, sie will ihr Monster. Und marschiert los, durch den Wald, über eine wunderbare Blumenwiese - bis sie eine Stimme hört. Ihr Monster! Seine goldfluffigen Flügel haben sich in den Ästen eines Baumes verheddert. Mathilda hilft ihm loszukommen und die beiden fliegen zu ihr nach Hause. Und wo sonst die Geschichten um Fantasiegefährten erst losgehen, endet diese Geschichte; wie im Märchen: und wenn sie nicht gestorben sind, dann spielen sie noch heute - im Kopfkino von Vorleser und Kind auf jeden Fall.
Fazit
Eine bunte, fröhliche Geschichte mit vielen liebenswerten Monsterfiguren und zwischen den Zeilen mit viel Lebensweisheit: Gut Ding will Weile haben, ja, aber manchmal ist Reden nur Silber und Handeln Gold. Und besonders wenn es um das eigene Leben geht, sollte man es selber in die Hand nehmen.
Sigrid Tinz
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