Was tut man wohl, wenn plötzlich aus dem eigenen Adventskalender, dort, wo sich hinter dem Türchen mit der großen 24 eigentlich ein dickes Stück Schokolade verbergen sollte, ein kleiner Wichtelpops herauslugt, der ein paar Mal hin und her wackelt und schließlich wieder hinter dem Türchen verschwindet?
Na klar, man traut seinen eigenen Augen nicht. Doch Jonas und Mila, die beiden Geschwister, trauen zwar auch ihren Augen nicht, sind aber doch neugierig genug, um der Sache sofort auf den Grund zu gehen. Schließlich ist Mila felsenfest der Meinung, dass das nur ein Weihnachtswichtel gewesen sein kann, der in diesem Moment ihren Wunschzettel geholt hat. Doch mit dieser Theorie lässt Jonas sich nicht so einfach abspeisen. Schnell versucht er, das Türchen zu öffnen (das erstaunlich fest geschlossen ist dafür, dass es eben geöffnet war) und bemerkt bereits beim ersten kleinen Spalt das sonderbare Leuchten, das aus ihm heraus strömt. Und als Mila sich dieses Leuchten ganz genau ansehen will, ist sie auch schon im nächsten Moment verschwunden. Voller Panik späht auch Jonas in das Türchen, nur, um sich, einen Wimpernschlag später, in einem eingeschneiten und scheinbar völlig verlassenen Zug wiederzufinden. Dort trifft er auch auf seine nicht weniger verwunderte Schwester. Die Situation erscheint aussichtslos: da stehen sie im Schlafanzug in einem eingeschneiten Zug und wissen weder, wie sie dorthin gekommen sind, noch, wo sie eigentlich sind, noch, wie sie wieder nach Hause kommen. Doch statt untätig abzuwarten, beschließen die beiden, die Gegend zu erkunden. Allerdings erschwert das dichte Schneetreiben ihren mühsamen Versuch, voran zu kommen und weit sehen können sie auch nicht.
Daher sind sie hoch erfreut, in einem Waldstück eine kleine beleuchtete Hütte zu entdecken. Leider bietet sich bei einem Blick durchs Fenster kein besonders erbaulicher Anblick: ein großer, zottiger, in Felle gekleideter Mann bindet an einem Tisch sitzend blattlose Zweige zu Ruten. Sollten sie klopfen und um Unterschlupf bitten oder nicht? Gerade, als Jonas all seinen Mut zusammennehmen will, um den Mann um Einlass zu bitten, hält ein leises Niesen die Kinder davon ab. Nur ein paar Meter hinter ihnen steht ein waschechter Lebkuchenmann und warnt sie mit leiser Stimme davor, anzuklopfen, denn schließlich wohne Knecht Ruprecht, der Kinderschreck, in der Hütte. Grund genug, um zu beschließen, gleich den langen Weg ins Lebkuchendorf anzutreten. Doch da steht ihnen plötzlich ein großer Wolf mit gefletschten Zähnen gegenüber. In ihrer Not bewerfen die Kinder ihn mit Schneebällen, was wiederum Knecht Ruprecht aus dem Haus lockt. Besonders freundlich ist er tatsächlich nicht, aber immerhin lässt er die Kinder eine Nacht in seiner Hütte schlafen und bringt sie am nächsten Tag direkt ins Weihnachtsdorf, damit die Weihnachtsmänner sich um sie kümmern.
Mila und Jonas staunen nicht schlecht als sie erfahren, dass die unterschiedlichen Weihnachtsmänner der Erde (z.B. Santa Claus, Sinterklaas, Père Noël, Julenissen) zusammen mit La Befana, der italienischen Weihnachtshexe und Molly, der Frau des Weihnachtsmanns und vielen Wichteln in einem Haus leben. Und die Weihnachtsmänner wiederum sind sehr erstaunt zu hören, dass die beiden Kinder durch einen Adventskalender rutschen konnten, um dann direkt im eingeschneiten Sternenflitzer zu landen. Gern würden sie die beiden auch gleich wieder zurück bringen, doch leider sind die Rentiere an einer schweren Bronchitis erkrankt und Väterchen Frost, der das Heilmoos besorgen wollte, scheint auch verschwunden zu sein. Und zu allem Übel treiben auch noch 13 Weihnachtstrolle mit ihrer Mutter ihr Unwesen im Umfeld und stehlen und verwüsten alles, was ihnen unter die Nase kommt.
Also müssen die beiden wohl in den sauren Apfel beißen und sich gedulden, bis es den Rentieren besser geht. Doch als sich deren Zustand immer weiter verschlechtert, Väterchen Frost weiterhin unauffindbar bleibt und die Weihnachtstrolle zwei Nächte hintereinander ins Weihnachtsdorf einfallen, beschließt die tierliebe Mila, sich selber auf die Suche nach dem Moos zu machen. Dabei gerät sie zwar prompt in die Gefangenschaft der Trolle, macht aber auch Bekanntschaft mit Väterchen Frost und seinem Eiszepter und lernt ein zweites Mal Knecht Ruprechts Hilfsbereitschaft schätzen ...
Vorweihnachtliche Kinderbücher, in denen Kinder entweder in ihrem Adventkalender Abenteuer erleben oder in denen Figuren aus dem Adventkalender heraus purzeln, erfreuen sich ungebrochener Beliebtheit. Schließlich wohnt ihnen schon per se ein ganz eigener Zauber inne, der sich hervorragend als Vorlage für wunderliche, zauberhafte Geschichten eignet. Daher ist es mehr als verständlich, dass Sabine Städing mit ihrem neuesten Buch dieses Thema aufgreift. Und ebenso wie bei Magnolia Steel und Petronella Apfelmus gelingt ihr eine lockere, fluffig erzählte, unterhaltsame, amüsante und kurzweilige Geschichte, bei der die Zeit wie im Flug vergeht.
Bereits vom ersten Kapitel an lässt das Abenteuer von Jonas und Mila seine Leserinnen und Leser nicht mehr los. Gepaart mit der vorweihnachtlichen Umgebung, den Düften, die man in der Nase zu haben glaubt, der heimeligen Gemütlichkeit im Weihnachtsdorf und der wunderbar beschriebenen frostigen Kälte mit dem vielen Schnee, ist es ein perfekter Lesespaß für die Zeit, in der das Warten am Schwersten fällt.
Unterteilt in 24 Kapitel kann das Buch als Art literarischer Adventskalender dienen - es eignet sich aber auch sehr gut, um es in einem Rutsch durchzulesen oder um es auf nur ein paar Tage zu verteilen. Bereits am Ende des 1. Kapitels tauchen die Kinder nach einer kurzen Einführung in den Kalender ein und schon ist man mitten in der anderen Welt. Diese ist durchaus auch beängstigend und furchteinflößend beschrieben - schließlich irren in ihr zwei Kinder in Schlafanzügen nachts im Schneegestöber durch einen Wald - aber nie kommt der Gedanke auf, dass die beiden es nicht schaffen könnten oder ihnen akute Gefahr droht. Natürlich werden die Ängste von Mila und Jonas auch thematisiert, aber beide gehen die Gelegenheit recht pragmatisch an, um eine gute Lösung zu finden und verzagen nicht.
Die leicht zu lesende und sehr flüssig geschriebene Geschichte ist mit zurückhaltenden Illustrationen in Schwarz-, Weiß- und Grautönen von Barbara Scholz aufgelockert, die mal nur kleine Elemente oder Figuren auf einer Seite zeigen, teilweise aber auch halbe Seiten einnehmen und so zusätzlich Abwechslung bringen. Neben den knuffigen Wichteln, den sympathischen Weihnachtsmännern und den beiden mutigen Kindern zeigen sie sehr eindrücklich, wie gegensätzlich die stinkenden und garstigen Trolle in dieser friedlichen Welt stören. Aber auch das muss ja nicht so bleiben, nicht wahr?
Fazit
Manchmal bergen Weihnachtskalender mehr Überraschungen, als man denken würde: Spannende, kurzweilige, unterhaltsame und fesselnd erzählte Geschichte um ein unglaubliches Weihnachtsabenteuer zweier Kinder im Weihnachtsdorf. Hier vergeht die Zeit des Wartens wie im Flug, denn wer hat nicht schon einmal davon geträumt, so eine Geschichte zu erleben?
Claudia Goldammer, November 2016
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