Der Troll und die wilden Piraten

Der Troll und die wilden Piraten
Der Troll und die wilden Piraten
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Sigrid Tinz
91%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonOkt 2016

Idee

Märchentroll trifft Piraten auf Schatzsuche, Märchen trifft moderne Sprache und am Ende passt die ganze Geschichte perfekt zusammen.

Bilder

Strichzeichnungen, bunte Farben, Details, Landschaft u. skurril-sympathische Figuren, ihr Gesichtsausdruck sagt mehr als 1000 Worte, besonders der Troll mit seinen Glubschaugen. Illustr: David Roberts

Text

Außen Märchenstil, innen flotter Text und pfiffige Dialoge, viele schöne klingende Wörter. Übersetzerin Tatjana Kröll

Ausgezeichnet mit dem Kinderbuch-Couch-Star*
Kapitän Hank und seine Crew lieben Fisch, haben aber keinen Ahnung haben, wie man den so kocht, dass er schmeckt. Wenn sich doch mal einen Schatz fände, von dem man ein Kochbuch kaufen könnte. Stattdessen treffen sie irgendwann einen Troll, der kochen liebt und eigentlich gerne mal einen Ziegenbraten auf dem Tisch hätte. Stattdessen gibt es immer nur Fisch. Na, wenn das mal nicht gut ausgeht
.

Es gibt dieses Märchen von den drei Böcken Brausewind, die auf die Almwiesen wollten um sich fett zu fressen. Auf dem Wege war aber eine Brücke, und unter der Brücke wohnte ein großer Troll, der hatte Augen so groß wie Teller, eine Nase so dick wie eine Rübe und spitze Zähne. Zuerst kam der jüngste Bock Brausewind und der Troll wollte ihn fressen, aber der jüngste Bock sagte: "Warte nur ein wenig, gleich kommt der andre Bock Brausewind, der ist viel größer als ich." Der Troll wartet und als er den zweiten Bock Brausewind fangen und fressen will, sagt auch der: "Warte nur ein wenig, dann kommt der große Bock Brausewind, der ist noch viel, viel größer als ich." Nun gut, der Troll wartet, aber dann kommt der große Bock Brausewind und der ist wirklich groß, die Brücke kracht und knackt, als er darüber läuft und die Stimme ist ganz tief und als der Troll ihn fangen will, da spießt er ihn auf die Hörner und wirft ihn tot in den Fluss. Und geht auf die Alm, sich fett fressen. Bisschen brutal, wie der etwas dumme Troll hier ausgetrickst und platt gemacht wird und ich hatte als Kind immer Mitleid mit ihm. Er wäre ja vielleicht auch lieber ein flinker, schlauer Ziegenbock gewesen, statt allein und böse unter einer Brücke zu wohnen.

Umso besser gefällt mir die neue Variante, die Julia Donaldson aus der Geschichte gemacht hat. Unser Troll hat zwar immer noch ein Gesicht hat, dass nur eine Mutter lieben kann, ist nicht schlau und auch immer noch nicht der allergrößte Sympathieträger, aber Wort und Bild gehen deutlich empathischer mit ihm um als in dem alten Märchen. Empathischer - und moderner.

"Es war einmal ein Troll, der lebte unter einer Brücke (und da gehören Trolle auch hin)." Und da sitzt er auf dicken Steinen, die aus dem Wasser ragen, unter seinem Brückenbogen, haarig grün, mit Unterbiss, schiefen Zähnen, fetter Monobraue und großen, gelben Augen und liest Kochbücher mit Ziegenrezepten. Soweit so gut.

Auf der nächsten Seite kommt - kein Ziegenbock. Sondern der Schauplatz wechselt. Zu einer Piratencrew auf hoher See, die Tag für Tag nach Schätzen sucht, aber keine findet, und sich Abend für Abend darüber streitet, wer mit Kochen dran ist und sich ärgert, dass es nicht schmeckt; und weiter vom Schatz träumt, damit zumindest mal ein anständiges Kochbuch drin ist: Käptn Hank, Klischeepirat mit Holzbein, Ohrring und Kopftuch; Ben Locke, ein kugeliger Muskelklops, der überall Haare hat, nur nicht auf dem Kopf; der dünne Augenklappen-Percy und Pünktchen Peggy mit Turmfrisur, tausend Schleifen im Haar und zerfetztem Pünktchenkleid. Ihr Schiff ist wurmstichig und das Segel geflickt und das Piratenvokabular, wie es sein soll. Schlangenfraß ist es zum Beispiel, was Abend für Abend auf den Tisch kommt, matschiger, schleimiger, klebriger Schlangenfraß.

Der Text enthält insgesamt viel wörtliche Rede und viele tolle Wörter: die Tiere auf der Brücke trappeln und krabbeln und huschen und hoppeln, die Piraten buddeln und buddeln und buddeln, der Troll brüllt und grollt und bellt, wer denn da über seine Brücke trappelt und trampelt.

Die beiden Erzählstränge wechseln sich ab. Ein, zwei Seiten tritt der Troll auf, der Ablauf ähnelt dem aus dem Märchen bekannten: er hört ein Tier auf der Brücke, denkt an eine Ziege und will sie fressen. Es ist allerdings nur eine Spinne. Und die überredet ihn, sie laufen zu lassen mit dem Tipp, doch eine Brücke weiter zu ziehen, wo die Beute fetter sein könnte. Der Troll brät sich einen Fisch - mag er eigentlich nicht, aber essen muss man ja was - packt seine Sachen und zieht weiter. Dort hört er ein Tier, hofft auf eine Ziege, erwischt aber nur eine Maus, die ihn überredet, sie nicht zu fressen und ihm vorschlägt, eine Brücke weiterzuziehen, wo er ein Kaninchen erwischt, dass ihn eine Brücke weiter schickt.

Dazwischen jeweils ein, zwei Seiten die Piraten, vergeblich buddelnd und angewidert vom abendlichen Schlangenfraß. Diese sich wiederholenden Abläufe mögen Kinder sehr. Hier weicht es immer eine Spur vom nächsten ab, was noch mehr Spaß macht, weil der Wiedererkennungseffekt mit einem kleinen Überraschungsmoment präsentiert wird. Die Doppelseiten sind senkrecht in einzelne Szenen aufgeteilt, so dass pro Tierfang und pro Piratentag eine kleine Bildgeschichte abläuft. Die Schrift ist in die Bilder gesetzt, schwarz und groß und manchmal auch noch größer, wenn es lauter wird und auch mal aus der Zeile tanzend, wenn die Handlung Fahrt aufnimmt.

Dass es die nächste Brücke gar nicht gibt, merkt der Troll, als er am Meer ankommt. "Das Kaninchen hat mich ausgetrickst." Hier gibts nur Sand - und vielleicht Ziegen. Denen er eine Fallgrube graben will. Dabei findet er eine Truhe voller blinkendem Kram, den schmeißt er ins Meer und legt sich in der Truhe schlafen. Ausgerechnet an dem Tag, an dem die Piraten endlich mal auf der richtigen Spur, am richtigen Strand gebuddelt haben. Sie finden die Truhe, aber statt mit Gold mit Troll. Und sind stocksauer wütend. Das legt sich allerdings, als klar wird, dass der Troll kochen kann. Dumm nur für ihn, dass es auf See so wenig Ziegen gibt, sondern vor allen Dingen Fisch.

Fazit:

Julia Donaldson hat der alten Sage vom Troll unter der Brücke einen zeitgenössischen Tonfall verpasst und neues Personal dazu - eine skurrile Piratencombo wie aus einem Abenteuerfilm. So wirkt dieses Märchen mal nicht altertümlich wie ein verstaubter, aufgespießter Schmetterling, sondern lebendig und lustig und verbreitet gerade dadurch wahrhaft märchenhaften Zauber. Auch die Moral von der Geschicht ist modern, denn es geht nicht um Gut und Böse und dass jenes dieses mit roher Gewalt besiegt. Sondern: Auch wenn jeder etwas verliert, können alle etwas gewinnen. Anders als geplant, aber oft besser als man denkt. Und es macht riesig Spaß, die Geschichte vorzulesen. Und ihr zuzuhören. Und die Bilder anzuschauen. Nochmal den Troll!

Sigrid Tinz, Oktober 2016

Der Troll und die wilden Piraten

Julia Donaldson, Knesebeck

Der Troll und die wilden Piraten

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