Schneegestöber - oder der Tag, als Oma Grizabella verschwand

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Kinderbuch Couch
83%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonDez 2015

Idee

Leonie ist unkompliziert und sympathisch, doch sie lernt, sich auch mal zu wehren und nein zu sagen. Drumherum passiert eine Menge, das junge Leserinnen spannend finden.

Text

Die Sprache liest sich leicht und flüssig. Es gibt wenig Ruhepunkte in der Geschichte, weshalb auch der Text entsprechend temporeich ist. Die Perspektive von Leonie wird gut eingefangen.

Weihnachten auf einer verschneiten Hallig; das klingt doch schon mal sehr romantisch. Leonie, die am 24. Dezember 13 Jahre werden soll, freut sich schon darauf. Doch geht das gut, wenn die ganze Familie, Onkel, Tanten, Cousinen, Cousins und die Großmutter mit von der Partie sind? Und da ist auch noch Ludvig, der Junge vom Leuchtturm, aus dem Leonie überhaupt nicht schlau wird. Dann verschwindet ausgerechnet an Leonies Geburtstag Oma Grizabella. Aber wie kann das sein, im Rollstuhl auf einer Hallig? Friedliche Weihnachten und ein schöner Geburtstag sehen wirklich anders aus.

Auf einer kleinen Hallig, mitten in den Nordsee, da findet sich die gesamte Familie von Leonie ein. Das sind die Geschwister ihres Vaters - also die Onkel und Tanten - und deren Partner - also wieder Onkel und Tanten, dafür aber angeheiratet - und deren Kinder: Die Cousins und Cousinen. Am Anfang ist es denn auch gar nicht leicht, die vielen Namen und die Personen zuzuordnen. Doch nach und nach wird aber klar: Onkel Lothar ist der, der die nervige Freundin hat - fortan von Leonie nur die "holde Sandrina" genannt. Das Paar, das die Hallig bewohnt sind Tante Ulla und Onkel Olaf und die haben vier Kinder: Gonne, Finn, Sünje und das Nesthäkchen Malte. Besonders mit Sünje versteht sich Leonie gut und sie finden auch gleich wieder zueinander. Dabei ist Sünje nicht gerade zimperlich, wenn es darum geht, ihre "Stadtcousine" in das Landleben auf einer Hallig einzuführen. Sie spielt gern Spielchen und stellt Bedingungen, worüber sich Leonie mit der Zeit ziemlich ärgert.

Mit Onkel Lothar ist auch Oma Grizabella gekommen. Die alte Dame muss im Rollstuhl sitzen und macht nicht den Eindruck, als wäre sie in letzter Zeit bei ihrem Sohn Lothar (und seiner neuen Freundin) besonders glücklich gewesen. Sünje und Leonie finden schnell heraus, dass es der "holden Sandrina" bei diesem Familientreffen vor allem darum geht, die alte Dame loszuwerden. Und Onkel Lothar hofft, dass eines seiner Geschwister sich der alten Dame freiwillig annehmen wird. Die Stimmung ist von Anfang an gespannt, auch weil Ulla und Olaf andere Prioritäten setzen und Lothar volle Aufmerksamkeit für sich und seine Begleitung fordert. Dabei tut Sandrina alles, um sich noch unbeliebter zu machen. Richtig hoch her geht es, als Onkel Rainer und Tante Sybille aus Stuttgart mit ihren beiden Kindern kommen, die, natürlich, niemand wirklich leiden kann. Streitereien beim Essen sind an der Tagesordnung und Loenie und Sünje, die als einzige zu wissen scheinen, was Lothar und Sandrina vorhaben, überlegen, wie sie damit umgehen sollen.

Währenddessen werden kleine Lämmer geboren, der Schnee verwandelt die Hallig in ein Winterwunderland und der merkwürdige Ludvig, den Leonie viel zu interessant findet, um ihn zu ignorieren, zeigt sich plötzlich von einer ganz anderen Seite. Nämlich nicht mürrisch und in sich gekehrt; er eröffnet Leonie, dass er sie wirklich mag und Leonie hat zum ersten Mal in ihrem Leben Schmetterlinge im Bauch.

Und dann ist da ja auch noch Leonies Geburtstag - ihr 13. Und da fängt ja bekanntlich das Teenagerleben an. Doch Leonie kommt gar nicht dazu, mit Ludvig und ihrer Familie zu feiern, denn auf einmal ist Oma Grizabella verschwunden und nirgendwo auf der Hallig zu finden. Ludvig und Leonie beschleicht ein schlimmer Verdacht: Sie wird doch wohl nicht über das Watt - in diesem dicken Nebel - zum Festland gefahren sein? Mit ihrem Rollstuhl und ganz allein&?

Patricia Schröder hat mit der winterlichen Hallig einen wunderschönen, romantischen Schauplatz für ihre Familien- Weihnachtsgeschichte gewählt. Es gibt viel Natur, viel Freiheit, viele süße Tiere, die Kinder können den ganzen Tag tun und lassen was sie wollen - alles könnte doch so schön sein. Doch die Erwachsenen machen dabei nicht mit. Die Großmutter stichelt, ihr ältester Sohn Lothar, bei dem sie lebt, ist durchgehend entrüstet und macht sich gleichzeitig lächerlich, indem er vollkommen selbstvergessen mit seiner neuen Partnerin turtelt. Diese ist unhöflich und keinesfalls bereit, sich auf die Familie einzulassen. Am allerwenigsten legt sie Wert auf die Bekanntschaft mit den Kindern. Klar, dass es bei den Mahlzeiten hoch her geht, frei nach dem Motto: "Kindermund tut Wahrheit kund".

Auffallend ist, wie übergriffig sich die Familienangehören zueinander verhalten - vor allem gegenüber den Gastgebern, die mit ihrem Hof, den Kindern und den vielen Tieren mehr als genug zu tun haben. Patricia Schröder schildert die Situation ganz aus Leonies Sicht, der Protagonistin der Geschichte, und lässt keinerlei Zweifel, wer in dieser Familie in Ordnung ist und wer nicht. Das ist wirkt dann manchmal etwas schwarz-weiß, manchmal auch etwas zotig, und nicht immer spielt die Oma fair. Auch dass Leonie so vollkommen selbstlos ihren Geburtstag hinten an stellt und sich kein bisschen darüber ärgert, dass ausgerechnet an ihrem Ehrentag die Oma verschwinden muss, finde ich schon außergewöhnlich.

Alles in Allem ist Leonie eine sehr sympathische und witzige "Erzählerin". Sie ist - im Gegensatz zu ihrer Schwester oder ihrer Cousine Klarissa etwa - unkompliziert und bindet ihrer Umwelt nicht jede ihrer Befindlichkeiten direkt auf die Nase. Doch bald findet sie heraus, dass immer unkompliziert zu sein, auch nicht richtig ist. Dass sie auch mal "Kante" zeigen kann und muss, damit sie respektiert wird. Dazu gehört, die Wahrheit zu sagen, auch, wenn sie unangenehm ist. Soweit Leonies Entwicklung während dieser aufregenden Tage.

All das, die erste Verliebtheit, die Verbundenheit mit der Familie, die Suche nach sich selbst und den eigenen Grenzen, das genau brauchen junge Leserinnen - denn für sich ist diese Geschichte gedacht - zum Schmökern.

Diese ganze "Gefühlsgemenge" bringt Patricia Schröder sehr kompakt und ohne viel Geschnörkel rüber. Manche Dialoge wirken schon sehr eloquent für Kinder - pardon - Jugendliche in Leonies Alter, aber es liest sich eben recht flüssig weg. Und schließlich bringt Patricia Schröder einige Anreize in die Geschichte, die die Leserinnnen neugierig machen und zum Weiterlesen anregen. Denn, wie erwähnt, spielt auch die erste Verliebtheit eine große Rolle. Und trotzig oder unbeholfen wie so zwei Teenager sind, düsen Ludvig und Leonie oft aneinander vorbei anstatt aufeinander zu. Das und die Tatsache, dass Ludvig offensichtlich ein ziemlich großes Geheimnis mit sich herumträgt, lassen junge Leserinnen am Ball bleiben.

Das alles garniert sie stimmungsvoll mit einer schönen, weihnachtliche Kulisse, niedlichen Tieren, nervigen aber unterhaltsamen Familienkrächen, mit einem Augenzwinkern versehen, für die weihnachtliche Einstimmung also genau das richtige. Auch was die schönen Landschaftsbeschreibungen angeht. Schließlich lebt die Autorin selbst auf einer Nordseeinsel und kennt sich gut mit den winterlichen Witterungsverhältnissen, die gerade am Meer sehr schnell umschlagen können, bestens aus.

Am Ende wird es nämlich noch ziemlich spannend; Nebel auf einer Hallig, da ist es keine gute Idee über das Watt zum Festland zu laufen. Das muss auch Leonie feststellen, denn sie verliert sofort die Orientierung! Zum Glück gibt es ja den treuen Hütehund Kowalski - und ... aber mehr wird hier noch nicht verraten!

Fazit

Eine turbulente Weihnachtsgeschichte mit schrägen Verwandten, wilden Cousinen, kleinen Lämmern und einer verschwundenen Oma. Eine unterhaltsame vorweihnachtliche Einstimmung mit Nordseeidylle.

Stefanie Eckmann-Schmechta

Schneegestöber - oder der Tag, als Oma Grizabella verschwand

Patricia Schröder, Coppenrath

Schneegestöber - oder der Tag, als Oma Grizabella verschwand

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