Frohe Weihnachten, Zwiebelchen!

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Stefanie Eckmann-Schmechta
91%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonDez 2015

Idee

Zwei Individualisten finden sich – eine schöne, alltagsnahe Geschichte, die zu Herzen geht und zugleich originell ist – und sie hat ein schönes, weihnachtliches Happy End!

Bilder

Tolle Einblicke in die Geschichte zu Anfang eines jeden Kapitels von Anke Kuhl. Sie passen in ihrer einfühlsamen und dennoch humorvollen Art ideal zu der Erzählweise und zur Stimmung.

Text

Schlichte, aber bildreichen Sprache. Ihr Ausdruck ist originell, frisch und nahegehend. Egal, ob es gerade lustig, spannend oder traurig wird. Aus dem Schwedischen v. Frederike Buchinger.

Ausgezeichnet mit dem Kinderbuch-Couch-Star*
Zwiebelchen, der ja eigentlich Stig heißt, wünscht sich zu Weihnachten nichts sehnlicher, als ein Fahrrad. Doch das ist für Zwiebelchens Mutter zu teuer; er soll sich doch bitte etwas anderes aussuchen. Aber es gibt nichts was er sonst aussuchen könnte. Überhaupt nichts. Da kommt ihm die Idee, dass der Karl - der komische Kauz aus der Nachbarschaft - Hühner hypnotisieren kann; und wenn Karl Hühner hypnotisieren kann, dann kann er doch auch Zwiebelchens Mutter dazu bringen, ihm Weihnachten ein Fahrrad zu kaufen. Oder nicht?

Eigentlich hat Stig, der schon als Baby zärtlich von seiner Mama nur "Zwiebelchen" genannt wird, noch einen anderen großen Wunsch. Er möchte seinen Papa kennen lernen. Doch seine Mama weiß weder wer er ist noch wo er wohnt. Für Stig keine leichte Situation: Die anderen Kinder finden das komisch und sie bemitleiden ihn, dass der arme Stig keinen Papa hat. Und gerade Bemitleiden geht für Stig gar nicht. Er wird stets wütend, wenn ihn jemand auf diese bestimmte Weise anschaut oder das Thema erwähnt. Und wenn dieser blöde Elmar, der einen Vater hat und ein Fahrrad noch dazu, sagt, dass Stig es verdient hätte keinen Vater zu haben, dann rastet Stig auch schon mal aus. Stig will unbedingt seinen Vater namens Joppe in Stockholm in der langen Straße - so die sehr vagen Angaben der Mutter - besuchen. Und die hat jedes Mal die gleiche Antwort parat:

"Ich wollte ihn nicht. Ich wollte nur dich."

Aber der Reihe nach; denn erstmal macht sich Stig auf, um Karl zu fragen, ob er auch Stigs Mutter hypnotisieren kann. Doch Karl ist zwar still, hinkt mit seinen verschieden langen Beinen und kann keine Hühner hypnotisieren, aber irgendwie findet Stig das mit den Hühnern auch ganz schön interessant und er kommt wieder. Karl und Stig freunden sich an. Er ist oft bei Karl, füttert die Hühner, sammelt die Eier ein, kümmert sich darum, dass sie am Platz bleiben. Stig möchte auch, so wie Karl, ein Huhn aufheben und auf den Arm nehmen können, doch da kommt ihm immer der eifersüchtige Hahn in die Quere. Als Stig eines Tages wieder seinem Lieblingshuhn nachläuft, um es wieder zum Stall zurück zu scheuchen, entdeckt er im Wald auf einmal ein altes Kinderfahrrad. Es ist rot, hat Stützräder und muss wohl schon sehr, sehr lange dort gestanden haben. Stig merkt sich das und es fällt ihm ausgerechnet da wieder ein, als irgendwie alles schief läuft.

Weil er endlich den Kindern sagen will, dass er seinen Vater doch kennt, erfindet Stig einfach eine Geschichte mit den wenigen Angaben, die er von seiner Mutter hat. Dummerweise - nachdem alle Kinder wissen, dass Stig doch einen Vater hat, ihn aber geheim halten will - kommt Karl mit Stigs Mama zum Weihnachtskonzert, wo auch Stigs Klasse einen Auftritt hat. Alle denken nun, Karl sei sein geheimer Papa. Stig ist außer sich und dann stellt er eine ganze Reihe dummer Sachen an, die auch sehr gefährlich sind. Er stiehlt das Fahrrad und will im schlimmsten Schneegestöber nach Stockholm fahren, um dort seinen richtigen Vater zu suchen. Doch auf dem Weg, als ihn so langsam die Kräfte verlassen, sieht er ein, dass das gar keinen Sinn macht. Denn dieser Mann kann ihn nicht wollen, weil er nichts von ihm weiß. Doch es gibt einen anderen, der ihn so gut kennt wie kaum ein anderer und der ihn sehr lieb hat, auch wenn er nicht sein Papa ist.

Frida Nilsson erzählt auf knappe und doch so beredte Weise die Geschichte von zwei Sonderlingen, die schließlich an Weihnachten endlich zusammen finden. Denn sowohl Stig - alias Zwiebelchen - als auch Karl sind zwei einsame Individualisten. Karl, der ältere von beiden, hat sich damit abgefunden wegen seines zu kurzen Beins von der Gesellschaft misstrauische Blicke zu bekommen. Auch er hat sich geprügelt, damals in der Schule. Doch er erklärt Stig, dass das nichts bringt. Er hat seine Ruhe bei den Hühnern gefunden und erzählt Stig alles, was er über die Hühnerhaltung weiß - nicht selten verpackt in sehr schöne Geschichten, die Stig vielleicht etwas Wichtiges mitteilen können. Nie wird Karl zu direkt, nie drängt er Stig zu irgendwas. Er hört dem Jungen zu und ist sehr einfühlsam, weil Karl weiß, wie es ist, wenn man als Kind nicht richtig dazu gehört, wenn die anderen denken, man wäre irgendwie benachteiligt. Vielleicht sieht Karl das schon auf den ersten Blick, als Stig in der Morgendämmerung bei ihm im Garten steht. Bei Karl findet Stig schließlich Sicherheit und Geborgenheit - und bekommt durch die Arbeit mit den Hühnern mehr Selbstbewusstsein. Auf einmal ist dem Zwiebelchen das Fahrrad egal.

Doch das mit seinem Vater ist noch immer ein wunder Punkt. Als es darum geht, dass er selbst zu Karl stehen muss, ist Stig kein guter Freund. Frida Nilsson bringt den dramatischen Höhepunkt der Geschichte in einem passenden Moment, da sich die Situation festzufahren scheint. Die klare Wende und das Einsehen Stigs, dass das, was er hat, sehr viel ist - auch wenn es die anderen nicht sehen oder verstehen - schildert sie, wie jedes Detail, sehr klar und doch sehr einfühlsam. Immer in einer sehr schlichten, aber auch sehr bewegenden, bildreichen Sprache. Sie erklärt auf sehr kindgerechte Weise, warum etwas so ist, wie es ist; warum es sich so anfühlt; wie die Welt gerade um Stig herum aussieht; worauf er sich gerade konzentriert. Auf diese Weise nimmt sie ihren jungen Leser/innen allesamt mit in die Geschichte, weil sie sie so unmittelbar teilhaben lässt.

Ihr Ausdruck - erzählerisch aber doch immer aus der Perspektive Stigs und damit der Kinder - ist originell, frisch und nahegehend. Egal, ob es gerade lustig, spannend oder traurig zugeht. Ich glaube, auch kein Erwachsener wird beim Vorlesen dieser schönen Geschichte ungerührt bleiben. Sie amüsiert mit der Perspektive Stigs und sie berührt auch sehr mit der Art und Weise, wie er die Welt sieht und wie er so tapfer mit all den Wirrnissen umgeht.

Hinzu kommt, dass Frida Nilsson für ihre Weihnachtsgeschichte der etwas anderen Art, eben keine heile Kinderwelt darstellt. Sie zeigt die innere Zerrissenheit, das Anderssein, die Suche nach der Geborgenheit und dem echten Zuhause. Nilsson zeigt sehr eindrücklich, dass das Zuhause bei den Menschen ist, die man liebt. Und es ist egal, ob man mit ihnen verwandt ist oder nicht. In Zeiten, da Kinder nicht mehr so selbstverständlich mit dem tradierten Familienkonzept aufwachsen, eine sehr wichtige und - wie ich finde - auch sehr schön vermittelte Botschaft. Weil sie ehrlich ist und weil sie so viel Herz hat. Dass ihr dabei noch der Bogen zur Weihnachtsgeschichte gelingt, finde ich umso schöner: Denn Zwiebelchen überlegt sich, dass nach Jesu Geburt der Engel, der Maria verkündet hat, dass sie ein Kind gebären wird, auch nach der Geburt nicht wieder zurückgekehrt ist. Ein schöner Vergleich und zugleich eine ganz neue Variante, die mich zum Schmunzeln gebracht hat.

Das Happy-End ist grandios und durchaus glaubwürdig, und das, obwohl Stig am Ende alles hat, was er sich gewünscht hat. Eines der drei Dinge sei hier verraten, nicht sein Lieblingshuhn, sondern ausgerechnet den eingebildeten Hahn kann Stig auf den Schoß nehmen und es sieht so aus, als würde sich das Federvieh sehr, sehr wohl fühlen in seinen Armen. Und "er (der Hahn) schaut zu den Hühnern, als wollte er sagen: Daran ist absolut nichts merkwürdig!"

Fazit

Frohe Weihnachten Zwiebelchen! nicht nur einen schöne und zugleich auch eine sehr berührende Weihnachtsgeschichte, sie ist auch eine schöne Erzählung über die Suche nach Zugehörigkeit, Liebe und Freundschaft. Mit sehr guter Beobachtungsgabe und nahe an der Gedankenwelt der Kinder schafft Frida Nilsson wieder einmal ein originelles und zugleich sehr glaubwürdiges Bild der Dinge, die wirklich wichtig im Leben sind.

Stefanie Eckmann-Schmechta

Frohe Weihnachten, Zwiebelchen!

Frida Nilsson, Gerstenberg

Frohe Weihnachten, Zwiebelchen!

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