Callum hat sich absichtlich "dumm" angestellt, bei den Prüfungen zur Aufnahme im Magisterium. Doch anstatt grandios zu scheitern, wird er tatsächlich aufgenommen. Ganz gegen seinen und vor allem gegen den Willen seines Vaters, der ihm von klein auf eingetrichtert hat, dass das Magisterium das größte Unglück ist, das einem Menschen widerfahren kann. Dabei ist Callum nicht nur mit einem lahmen Bein gestraft und hat ein ziemlich loses Mundwerk und kann seine besonderen magischen Fähigkeiten kaum noch verbergen. Ob das gute Voraussetzungen sind für einen Magier?
Dies macht ihn nicht nur auf der "normalen" Schule zum Außenseiter, sondern auch gleich wieder im Magisterium: Ein Elite-Internat für magisch begabte Schüler und Schülerinnen. Die anderen Neuankömmlinge sind sehr froh über ihre Aufnahme im Magisterium. Nur Cal möchte so schnell wie möglich nach Hause zurück. Das Problem: Callum weiß rein gar nichts über die Geschichte und die Gesetze der Zauberei und genauso wenig über seine eigene Geschichte. Das wird ihm schon auf der Fahrt zu seiner neuen Schule klar. Dort angekommen, kann Cal nicht umhin festzustellen, dass das Magisterium mehr als "cool" ist. Dennoch hält Cal an seinem Plan fest und überlegt, wie er von dort weg kommt. Dafür ist er bereit, so manche Sabotage zu begehen: Er bricht in das Büro seines Lehrers, Master Rufus, ein, befreit dort einen "Elementarier", kapert ein Boot, schippert damit durch die unterirdischen Flüsse & und bricht überhaupt alle Regeln, die ein Schüler nur brechen kann. Dabei stellt er sich während der ersten Unterrichtsstunden gar nicht mal so schlecht an.
Doch mit seiner scharfen Zunge macht Callum sich schon während der Aufnahmeprüfungen nicht gerade viele Freunde. Vor allem der etwas versnobt wirkende Jasper hat ihn gleich auf dem Kieker. Doch "Cal", wie ihn seine neuen Freunde Tamara und Aaron seine ersten Freunde überhaupt nennen, findet Rückhalt bei seinen beiden Mitbewohnern. Zusammen müssen sie ihre erste Prüfung, die Eiserne Prüfung, bestehen. Das ist jedoch nicht das einzige Abenteuer, das die drei Freunde bestehen müssen. Plötzlich verschwindet ein Mitschüler und es stellt sich mehr und mehr heraus, dass mitten unter ihnen ein Verräter ist.
Ein überraschender Einstieg in eine neue Buchreihe
Der Rückblick in den wohl dramatischten Moment in Callums Leben ist zugleich auch der Einstieg in die Geschichte des berühmten Autoren-Duos Holly Black und Cassandra Clare: Er ist noch ein Säugling und einziger Überlebender einer Schlacht unter Zauberern. Sein Bein ist übel zugerichtet, als ihn sein Vater findet. Und die Nachricht, die Callums Mutter kurz vor ihrem Tod ins Eis geritzt hat, ist einfach zu schrecklich, um sie zu glauben.
Ohne weitere Erklärungen wird der/die Leser/in in die Geschichte geworfen. Somit erhält man das Wissen vorweg, das Callum zunächst über viele Jahre verborgen bleibt und ein Grund ist, weshalb er sein Schicksal nicht annehmen kann. Ein spannender und kluger Kniff der beiden Erfolgsautorinnen, allerdings für die jungen Leser/innen ab 10 Jahren ist dieser abrupte, aus noch keinem Zusammenhang erwachsene Einblick in die Vergangenheit etwas schwierig. Das vorneweg, damit sie durchhalten, denn das lohnt sich wirklich.
Schwierig, aber dennoch liebenswert
Die Geschichte beginnt also erst so richtig, als Callum die Schule unfreiwillig wechselt und das ist ebenfalls ein durchaus gelungener und fesselnder Einstieg. Ganz aus der Perspektive Callums, der klug und willensstark ist, erfahren wir, was das Magisterium eigentlich ist. Einsam und unglücklich wie er ist, lässt er sich gerade zu Anfang zu manch zynischer Bemerkung hinreißen, was ihn auf den ersten Blick für viele nicht gerade sympathisch macht.
Als Callum jedoch spürt, wie es ist, wahre Freunde zu haben, ändert sich seine Wahrnehmung und sein Bestreben, die magische Schule so schnell wie möglich hinzuschmeißen lässt merklich nach. Er erlebt zum ersten Mal in seinem Leben, dass auch er Erfolg haben kann, dass man zusammenhalten muss, um weiter zu kommen und er bekommt zum ersten Mal aufrichtige Anerkennung entgegen gebracht. Durch die vielen Herausforderungen der mit seinen Freunden meistern muss, erfährt Callum, dass das, was sein Vater ihm all die Jahre erzählt hat, nicht stimmen kann. Schließlich scheint die ganze Welt verdreht und Callum fragt sich, wer ist gut und wer ist böse? Und wer lügt? Hier wird Callums ganze Integrität gefordert, denn er kann kaum jemandem vertrauen und muss von nun an seinem Gewissen folgen. Hier zeichnen sich schon die größten Talente dieses etwas anderen Helden ab.
Eine Entwicklungsgeschichte mit Ecken und Kanten und vielen überraschenden Details
Holly Black, die mit ihrer Fantasy-Reihe Die Spiderwick-Geheimnisse bekannt wurde, und Cassandra Clare, die sich mit den Chroniken der Unterwelt einen Namen machte, hatten schon bei ihrer erste Begegnung den Wunsch, eine gemeinsame Buchserie zu schreiben. Erst Jahre später kamen zu der ersten Idee schließlich der Plot und die dazugehörigen Charaktere, die den ersten Band Magisterium - Der Weg ins Labyrinth mit Leben füllen.
Und das ist ihnen auch wirklich gelungen. Mit ganz eigenen Schöpfungen wie den Elementariern - in diesem speziellen Fall ein schlitzohriger Waran, der Callum zu so einigem überredet, oder ein chaosbesessener Wolfswelpe. Ohne zu viel zu verraten, sind es gerade diese Schöpfungen, die mir sehr gut gefallen haben und immer für eine kleine Geschichte neben der Haupthandlung gut sind. Ebenso das reich ausgestattete Labyrinth mit seinen unterirdischen Kanälen, seinen endlosen Gängen und Verbindungen, seinen überraschenden Orten, die von einer prächtigen Halle bis hin zu einer turmhohen Bibliothek reichen. Viele Eigenheiten dieser unterirdischen Welt wie zum Beispiel eine besondere Art von Speisen, die ganz anders schmecken als sie aussehen, die Lehre zu der Balance der fünf magischen Elemente, die alles zerstörende Chaosmagie, Armbänder, auf denen man anhand der Steine erkennen kann, welche Prüfungen ein Schüler bereits bestanden hat um nur ein paar zu nennen - und nicht zuletzt der übliche Klatsch und Knatsch unter Schülern komplettieren die abwechslungsreiche Fantasy-Geschichte.
Doch vor allem die Ernsthaftigkeit, mit der die beiden Autorinnen ihren Protagonisten Callum "ausgestattet" haben, macht das Buch - neben der vielen überraschenden Einfällen - in sich glaubwürdig und fesselnd. Eine klassische Entwicklungsgeschichte also, die aber durchaus ihre ganz eigenen Ecken und Kanten vorweisen kann. Die Leser erleben Callums Wandel mit und dieser bedeutet noch eine sehr große Überraschung - auch für ihn selbst.
So kommt man um die Frage nicht umhin, die auch bei mir eine ganze Weile im Kopf umherging: Wie nahe ist diese Geschichte an Harry Potter? Die Zutaten sind nun nicht so anders, das muss man zugeben. Da gibt es ein Internat, magische Prüfungen, ein ungeklärtes Schicksal unseres Helden und zwei allerbeste Freunde. Aber damit hat es sich dann auch schon. Callum ist ein ganz anderer Typ "Antiheld" und die ganze Atmosphäre ist trotz einiger humorvoller Einwürfe sehr viel ernsthafter und auch etwas düsterer, gerade im Vergleich zu den ersten Bänden von Harry Potter. Also will ich es einfach dabei belassen, zumal ich als ich einmal richtig in der Geschichte steckte gar nicht mehr über derlei Parallelen nachgedacht habe. Zu viele Details sind neu und erfrischend anders und die Schicksale unserer drei Freunde Cal, Tamara und Aaron ebenso. Warten wir also erstmal ab, in welche Richtung sich Callums Geschichte noch weiter entwickelt.
Teil zwei der fünfteiligen Serie wird im Oktober 2015 erscheinen. Also schnell den ersten Band lesen und sofort mit dem zweiten weitermachen: Etwas Besseres, als in einer wirklich guten Geschichte zu bleiben, ohne auf die Fortsetzung zu warten, gibt es kaum.
Fazit
Für alle, die klassische Entwicklungsgeschichten mit einem gut durchdachten, fantastischen Hintergrund mögen, ist der erste Band der neuen Fantasy-Reihe von Holly Black und Cassandra Clare absolut lesenswert. Neben all den bekannten magischen Zutaten, warten die beiden Autorinnen mit einer Menge eigener Einfälle auf und präsentieren hiermit einen neuen Helden, der durchaus Ecken und Kanten hat.
Stefanie Eckmann-Schmechta
Holly Black, Cassandra Clare, Baumhaus
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