Eigentlich sind es nur Kinder, die auf dem Boden liegen mit irgendwelchen Gegenständen. Die so fotografiert sind, dass es aussieht, als würden sie fliegen, springen, klettern, schwere Gewichte heben und mit fantastischen Maschinen herum fahren und auf fantastischen Tieren reiten. Nur Fotos, die so arrangiert sind, dass sie ohne Worte von großen Abenteuern und fantastischen Erlebnissen erzählen und damit eine neue Variante in der Wimmelbuchwelt. Uneigentlich muss man es einfach gesehen haben.
Wer Jan von Holleben und seine Fotografien, Bilder und Illustrationen kennt (und mag), der braucht eigentlich gar nicht weiter zu lesen. Ein ganzes Bilderbuch voll davon? Haben wollen. Kaufen. Anschauen.
Wer Jan von Holleben nicht kennt - oder sagen wir, wer sich nicht bewusst ist, ihn zu kennen, denn wer in den letzten Jahren mal Kinderzeitschriften wie "Geolino" oder "Dein Spiegel" in der Hand hatte, der wird ihn kennen oder zumindest seine unvergleichlichen, unverwechselbaren, fantastisch-realistischen, erstaunlichen, bunten, verspielten Fotos von Kindern, die so aussehen, als würden sie fliegen, sich stapeln, kopfüber von der Decke hängen oder mit Fantasiegestalten spielen.
Wo war ich? Wer ihn nicht kennt, sollte dieses Wimmelbuch als Gelegenheit nehmen, sich und seine Kinder mit ihm bekannt zu machen. Denn wie immer sind seine Illustrationen ein Genuss.
Insgesamt 5000 Fotos hat er für dieses Buch gemacht und zu einem wimmeligen Gesamtwerk zusammengestellt. Hat zusammen mit den Kindern die Szenen arrangiert, die Maschinen, Tiere, Möbel und Landschaften aus Requisiten gebastelt und kreiert; immer liegend auf dem Boden. Fotografiert sind sie dann so, dass es auf dem fertigen Bild, in der Senkrechten sozusagen, aussieht, als wären die Kinder wirklich in der Schule, gestapelt, in Baumhäusern, an Wolken schaukelnd, fliegend, schwimmend, umgeben von Robotern, Maschinen, Tieren, Bäumen, unterwegs mit coolen Fahrzeugen und auf Tischen und Seilen tanzend.
Sortiert sind die Bilder so, dass auf einer Doppelseite immer sehr kleinteilig sehr viele einzelne Szenen zu sehen sind, manchmal ganze Häuserstockwerke voll. Und auf der folgenden dann ein Ausschnitt, mit dem sich genussvoll ins Detail gehen lässt. Laut Klappentext - der einzige Text im Buch - erzählt die Abfolge eine Geschichte, die Geschichte von Konrad Wimmel und seinen Abenteuern, und nicht nur von ihm: Da gibt es noch seine Schwester Josi und die Freunde Finn und Annabelle und die verrückte Miss X, die das Geld von Oma und Opa Wimmel klaut. Was zu einer abenteuerlichen Verfolgungsjagd führt, durch die ganze Stadt: vom Park über die Erfindermesse, den Sportplatz, quer durch den Zoo bis hin zu Konrads Geburtstagsparty.
Diese vorgeschlagene Geschichte ist nicht einfach zu entdecken. Wer es ganz genau haben will, kann sie sich anhand der Fragen am Ende des Buches "erarbeiten". Wer es nicht so genau haben will, denkt sich selber was aus, lässt sich treiben oder genießt einfach die Bilder.
Denn die sind eindeutig die Stärke des Buches: was es da alles zu entdecken gibt! Und mindestens genauso schön ist es zu entdecken, wie es jeweils umgesetzt und inszeniert ist. Ein absoluter Mehrwert, wie ich finde, gegenüber den üblichen lieb gezeichneten und politisch korrekten Wimmelbüchern mit ihren glücklichen Kühen, weiblichen Kranführern und gut integrierten Einwanderern aller Hautfarben, die ja unglaublich pädagogisch wertvoll sein sollen, aber bei manchen Menschen jenseits der drei Jahre (bei mir zum Beispiel) eine Art Gehirnlähmung erzeugen - und den Drang, statt auf dem Sofa zu lümmeln und sich einen Zoo, Bauernhof, Marktplatz oder eine Großbaustelle anzuschauen, einfach rauszugehen, zum Zoo, Bauernhof, Marktplatz oder Großbaustelle "in echt".
Die Stärke dieses Buches ist aber auch gleichzeitig seine Schwäche - denn dieser doppelte Erkenntnisgewinn braucht ein gewisses Abstraktionsvermögen, um die Finessen der Fotos zu erkennen und zu genießen. Kleine Kinder im typischen Wimmelbuchalter haben das noch nicht.
Fazit
Wer die bunten, verspielten, detailreichen und fantastisch realistischen Fotografien von Jan von Holleben kennt und mag, wird auch dieses Buch mögen. Wer Wimmelbücher mag, hat wieder eins mehr zur Auswahl. Und auch wer eigentlich nicht so sehr Wimmelbücher mag, kann es mit diesem mal versuchen - ist es doch ein optisches Feuerwerk, in dem es viel mehr zu sehen, zu suchen und zu entdecken gibt als die immer gleiche niedlich und lieb gezeichnete Wimmelbuchwelt.
Sigrid Tinz
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