Rufus geht in die 5. Klasse und wünscht sich nichts sehnlicher als einen Hund. So einen, wie sein bester Freund Murph einen hat. Sein Vater erlaubt es nicht, nie und niemals, denn Hunde stinken, lecken, pinkeln und haben Flöhe. Als Kompromiss schenkt seine Mutter ihm ein Meerschweinchen - aber was ist schon ein Meerschweinchen gegen einen Hund? Auch wenn es ein besonderes zu sein scheint ....
Eins vorneweg: tieraffin sollte man sein für dieses Buch, sonst wird man die Hälfte der Komik nicht genießen können und auch nicht viel von dem, was der Junge Rufus erzählt und erlebt: wie sehr er sich einen Hund wünscht, der mit ihm am Fahrrad läuft, der Stöckchen holt, Tauziehen und Frisbee spielt und mit einem abhängt, der einfach cool ist; wie wütend und enttäuscht er wird, wenn sein Sauberkeit, Ruhe und geordnete Verhältnisse liebender Vater ihm lange Predigten hält, warum ihm niemals ein Hund ins Haus kommen wird (weil sie pieseln und Kackhaufen hinterlassen, jaulen, stinken und Flöhe haben); wie geschockt er ist, als seine Mutter, die alle Differenzen mit Gelächter und oberflächlichen Lebensweisheiten wegzubügeln versucht, ihrem Sohn einfach ein Meerschweinchen schenkt. Als Kompromiss. Ohne zu merken, dass ihr Mann überhaupt kein Tier im Haus haben will und ihr Sohn nicht irgendeines, sondern einen Hund haben will - und sonst nichts. Mit einem Hund ist man cool, so wie sein bester Freund Murph mit seinem Buddy und dessen Freund Dmitri mit seinem schwarzen Chow-Chow. Ein Meerschweinchen? Wie peinlich.
Kinder, die sich ein Haustier oder ein richtiges Haustier wünschen und Tiere mögen, werden sich in diesem Buch voll wiederfinden. Auch wenn einige erst mal skeptisch sein werden, genau wie Rufus, als er das Meerschweinchen bekommt: wie, ein Buch über ein Meerschweinchen? Kein edles Traumpferd, kein cooler Hund, keine smarte Katze in der Hauptrolle?
Hauptperson Rufus ist zugleich Ich-Erzähler und das macht er super. Er verwendet viele Listen und Aufzählungen, die sind lustig, lockern den Lesefluss auf und geben der Geschichte Geschwindigkeit, weil so wichtige Punkte nicht in erzähltem Fließtext eingebunden werden müssen, sondern zack, zack, eins, zwei, drei abgearbeitet werden. Rufus ergibt sich in sein Schicksal, tauft das Tier auf den Namen Fido und kümmert sich erst mal um sie. Mit dem festen Vorsatz, sie schnell wieder los zu werden, weil er a) kein Meerschweinchen will, sondern einen Hund, b) Angst hat, dass seine Eltern das Thema Hund endgültig ad acta legen, wenn er sich mit dem Meerschweinchen zufrieden gibt und c) dass seine Freunde es herausbekommen und ihn auslachen, insbesondere Dmitri, mit dem er sowieso ständig im Clinch liegt.
Mit der Zeit stellt Rufus widerwillig fest, dass Fido ein besonderes Meerschweinchen zu sein: sie hört auf Sitz und Platz, sie leckt ihm über die Hände und das Gesicht und springt an ihm hoch. Sie schmuggelt sich selbst im Rucksack mit in die Schule und als Rufus auf einem Ausflug stürzt und sich den Fuß bricht, rennt Fido los, um Hilfe zu holen.
All das und noch viel mehr ist so lustig und bildhaft beschrieben, dass man Fido, das Hundeschweinchen schon als Film vor Augen hat. Allerdings müsste der Film oder zumindest das Meerschweinchen eine computeranimiert sein, denn Fido rast auch neben dem Fahrrad her, holt Stöckchen und kann Frisbeescheiben fangen - bei aller Dressur wird das ein echtes, normales Meerschweinchen nicht hinkriegen.
Am Ende ist Fido nicht mehr peinlich, sondern das coolste Haustier überhaupt und auch Rufus Vater gewinnt die kleine orangefarbene Ratte lieb. Darin steckt natürlich die lebenskluge Message, das man lernen muss, zu sich selbst zu stehen und zu dem was man mag, auch wenn es nicht das ist, was die anderen von einem erwarten - oder was man meint, was die anderen von einem erwarten, denn die sind auch gar nicht wirklich cool, sondern versuchen genauso wie man selbst, nur so zu scheinen... aber nur zwischen den Zeilen, und selbst wenn es mal pathetisch und gefühlig wird, zum Beispiel als Rufus´ Vater ihm einige sehr nette Sachen sagt und sogar mit Fido kuschelt und seine Nase an ihrem Fell reibt, bricht schnell und pragmatisch die Realität in die Szene: denn "plötzlich hörte er auf damit und nahm die Brille ab. Er beugte sich ganz nah über Fido, kniff die Augen zusammen und zupfte mit Daumen und Zeigefinger etwas aus ihrem Fell, voller Zorn verzog er das Gesicht und seine Augen blitzten. Was auch immer zwischen seinen Fingern klemmt, er hielt es mir unter die Nase und brüllte: "Flöhe"!
Illustrationen hat das Buch alle paar Seiten, in Schwarzweiß, und zu sehen sind immer sind die besten Szenen: wie Fido mit einem Ministöckchen zwischen den Nagezähnen übers Gras hopst, im Flug die Frisbeescheibe fängt oder in ihrer kleinen Hundehütte flätzt und chillt.
An manchen Stellen stört die jugendliche Sprache, ("was geht ab"), die a) so gar nicht in echt gesprochen wird, sondern b) eher das ist, was Erwachsene vom Hörensagen meinen, wie Kids so reden bzw. c) so modisch, dass in vier Jahren keiner mehr weiß, was damit gemeint ist. Normal wäre cooler gewesen, aber nun gut.
Die Schrift ist schön groß und damit auch schon für geübte Leseanfänger geeignet. Vorlesen macht aber auch Spaß.
Fazit
Wie der Fünftklässler Rufus, der statt des ersehnten Hundes nur ein Meerschweinchen geschenkt bekommt, muss man sich kurz daran gewöhnen, dass dieses Buch kein Pferde-Hunde-Katzenroman ist - sondern nur eine Geschichte über ein Meerschweinchen. Aber bald geht es dem Leser ebenfalls wie Rufus, der sich an seine Fido gewöhnt und mehr noch feststellt, dass sie zwar kein Hund ist, aber ein cooles, kluges, witziges, süßes Haustier: diese Geschichte ist lässig erzählt, sehr intelligent, humorvoll. Und auch ein bisschen süß. Und sehr bald mag man sie sehr gerne.
Sigrid Tinz
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