Der Weihnachtsmann wohnt nebenan
- Sauerländer
- Erschienen: Dezember 2014
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Die kleine, bunte Truppe aus Piets Siedlung ist immer zusammen. Auf dem Schulweg und auch nachmittags, wenn sie zum Fußballspielen verabredet sind. Natürlich glaubt keiner von ihnen mehr an den Weihnachtsmann - auf keinen Fall! Doch als ihr Ball zum gefühlten tausendsten Mal in den Garten des mürrischen Kubelkas fliegt, ändert sich auf einmal alles...
Wäre die kleine Lilia bei dem wie immer vergeblichen Versuch, den Ball von dem alten Kubelka zurückzubekommen, nicht einfach ins Haus geschlüpft und mit schokobeschmierten Fingern wieder herausgekommen und hätte sie nicht felsenfest behauptet, bei dem grummeligen Nachbarn handele es sich um keinen Geringeren als den Weihnachtsmann, dann wäre wohl alles so geblieben wie es all die Jahre war. Und das heißt: Wieder fliegt ein Ball in Kubelkas Garten und derjenige, der den Ball verschossen hat, muss mit wackeligen Knien schellen und irgendetwas dahinstottern, nur, damit der alte Griesgram den armen Trottel finster anstarrt und finster seine Zigarre weiter pafft. Ihre Bälle kriegen sie nie zurück.
Natürlich will Piet, der uns diese Geschichte auf ziemlich amüsante Weise erzählt, auf keinen Fall glauben, dass ausgerechnet der alte Kubelka der Weihnachtsmann sein soll. Den gibt´s ja auch gar nicht. Doch dann machen sie eine Plusminus-Liste: Argumente dafür und dagegen. Nun sind solche Argumente natürlich sehr davon abhängig, wie man eine Situation interpretiert und die Kinder haben - ohne Frage - eine sehr eigenwillige Art der Logik. Lange Rede kurzer Sinn: Bei ihrer Faktenlage ist klar, dass der alte Kubelka der Weihnachtsmann ist!
Dumm nur, dass sie kurz zuvor das Holzregal auf Kubelkas Terrasse geschrottet haben. Dabei sind sie nämlich nicht böse, sondern nur ein verhängnisvolles Missgeschick! So schreiben sie es in ihrem Entschuldigungsbrief, den sie Kubelka in den Briefkasten werfen; nebenbei reparieren sie noch (irgendwie windschief) das Regal. Eines wird ihnen klar: Sie müssen noch einiges wieder gut machen, wenn sie Weihnachten ihre ausgefallenen Geschenke bekommen wollen. Doch zunächst fallen ihnen nur sehr fragwürdige gute Taten" ein - herumsitzen, appetitlich Kekse futtern und sich fast zu Tode langweilen ist es auf jeden Fall nicht und eine Geisterbahn für die Bewohner der Siedlung kommt auch nicht besonders gut an.
Dann kommt alles ganz schlimm: Die ganze Siedlung, alle Familien die in der nahegelegenen Fabrik ihr Geld verdienen, werden in diesem Jahr kein Weihnachtsgeld erhalten. Das ist bestimmt die Strafe für Piets Truppe! Dabei fallen ihnen so viele Sachen ein, die sich ihre Angehörigen und Freunde so sehnlichst wünschen. Aber nun wird kein Geld mehr dafür da sein. Erst als sie sich erneut zum alten Kubelka wagen, um die Sache mit dem Weihnachtsmann persönlich in Ordnung zu bringen, wendet sich das Blatt. Und wie: denn Kubelka hilft den Kindern, dass sie gemeinsam die Geschenke für die Menschen in ihrer Siedlung zusammenbekommen. Das bedeutet viel Arbeit aber auch eine ganze Menge Spaß. Natürlich muss alles streng geheim bleiben.
Daniela Dammers erster Roman für Kinder erzählt über ein folgenreiches Missverständnis, das, wie es so oft bei Missverständnissen der Fall ist, für allerlei Verwicklungen sorgt.
Die temporeiche Geschichte ist reich an Wortwitz, gut gesetzten und pointierten Dialogen und sprüht nur so vor Erzählfreude. Schon ab der ersten Seite gelingt es ihr, den "Nerv" ihrer jungen Leser zu treffen und fällt gleich mit dem "Supergau" ins Haus, wie "Ramme" das Blumenregal vom alten Kubelka schrottet - erzählt natürlich aus der Perspektive von Piet, genannt "Steini". Alle aus seiner buntgemischten Truppe haben ihren ganz eigenen, passenden Spitznamen, jeder hat so seine Eigenheiten - und die arbeitet Daniela Dammers auch im Laufe der Geschichte geschickt heraus. So lernt man die kleinen Schwerenöter gut kennen und kann sich mit der Zeit nur zu gut vorstellen, wie sie auf die Widrigkeiten reagieren. Dabei sind die Ideen der Kinder zu köstlich, ihre Schlussfolgerungen so abstrus, dass man gleich zu Anfang wie von selbst ins Kichern gerät.
Die genau 24 kurzen Kapitel eignen sich hervorragend als Geschichten-Adventskalender. Und das 24. Kapitel ist wirklich ein gelungener Abschluss. Für Kinder ab acht Jahren sind die abwechslungsreich gestalteten Seiten durchaus leicht zu schaffen, da sie mit zahlreichen schwarz-weißen Illustrationen von Catharina Westphal aufgelockert sind. Auf jeder Seite gibt es ein kleines Detail zu entdecken und ich finde die einfachen Strichzeichnungen gerade wegen ihrer Reduziertheit sehr passend. Mit nur wenigen Strichen gelingt es ihr, den sympathischen Charakteren ein Gesicht und Mimik zu geben. Das gilt auch für den zunächst mürrischen Kubelka - und, ganz ehrlich, so wie Catharina Westphal ihn hier darstellt, kann man gut verstehen, dass ihn die Kinder für den Weihnachtsmann halten. Zum Vorlesen ist es schon ab sechs Jahren geeignet und durch das tatkräftige "Mäxchen", der hier der Jüngste in der Truppe ist, gibt es auch eine tolle Identifikationsfigur für sie.
Daniela Dammer lässt im Verlauf der Geschichte einige Botschaften mitschwingen, deren Bedeutungen im Verlauf von den Kindern selbst verstanden und entsprechend umgesetzt werden. Da geht es um den Wert von Freundschaft, Einfühlsamkeit, Zusammenhalt und Aufrichtigkeit; kurz, dass man Mist bauen kann, aber dazu stehen muss.
Das wird auf so unverkrampfte und natürliche Weise in der Geschichte aufgelöst, dass man es in seiner ganzen Grundstimmung nur als durchweg positiv bezeichnen kann, auch wenn mal der eine oder andere aus der Haut fährt.
Ein Hauptfaktor, dass dies so ist, liegt nicht nur an der originellen und gut durchdachten Geschichte, sondern auch an Daniela Dammers Sprache, die ganz deutlich macht, dass dies jetzt der Blick eines Jungen ist, der clever und einfallsreich ist. Der seinen Weg sucht und- wenn auch unfreiwillig - sehr unterhaltsam von der einen oder anderen Katastrophe zu berichten weiß. Dass er dabei deutlich machen will, dass das hier wirklich kein Spaß ist, macht die Sache nur noch komischer. Vieles ahnen schon die Leser voraus und natürlich, wenn es dann so kommt, wie es ja kommen muss, ist es ein riesen Spaß für alle.
Schon im Verlauf der Geschichte merken wir, dass es sich hier um eine echte "Win-Win-Situation" handelt, sowohl für die Kinder als auch für den mürrischen Kubelka. Die Kinder holen Alfons Kubelka aus seiner Lethargie und er hilft den Kindern das Weihnachtsfest zu retten - und ganz nebenbei auch sein eigenes. Aber danach fragt keiner der Beteiligten, weder der "Weihnachtsmann" noch seine Truppe: Andere zu beschenken macht nämlich viel glücklicher, als hinter den eigenen Geschenken her zu sein.
Wie es sich für ein gutes Kinderbuch gehört, halten sich die Erwachsenen - mit Ausnahme von Herrn Kubelka - freundlich im Hintergrund. Man fragt sich zwar so manches Mal, wie dieses emsige Treiben so unentdeckt bleiben kann, aber am Ende wird deutlich, dass wirklich keiner der Erwachsenen etwas geahnt hat. Nur so viel: Am Ende sind auch die Erwachsenen nicht mehr so sicher, ob es das Christkind oder den Weihnachtsmann nicht doch gibt.
Fazit:
Ein durchweg gelungener und unterhaltsamer Geschichten-Adventskalender. Mit genau 24 Kapiteln hat man so jeden Tag eine weitere kleine Episode, auf die sich die ganze Familie freuen kann. Bei so viel Einfallsreichtum und Situationskomik werden alle auf ihre Kosten kommen. Dabei bleibt die Geschichte immer bodenständig und nahe am Alltag der Kinder. Eine tolle und vor allem fröhliche Einstimmung für die Weihnachtszeit!
Stefanie Eckmann-Schmechta, Dezember 2014
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