Knut hat Wut
- Thienemann
- Erschienen: September 2014
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Knut kriegt Wut, weil sein Feuerwehrauto, an dem er herumrepariert hat, nicht mehr fährt und nicht mehr Tatütata macht. Und was für eine Wut: er schreit, tobt, wirft mit Spielzeug nach seinem Kater Grizzly, der sich aufs Regal flüchtet und dann ganz verschwindet. Jetzt ist Knut nicht mehr wütend, sondern traurig. Und will, das Grizzly wieder kommt und bei ihm bleibt.
Knut ist ein netter, aufgeweckter Kerl, fünf, sechs Jahre schätzungsweise, sein allerbester Freund ist Kater Grizzly. Knut repariert gerne an seinen Spielzeugautos herum. Dieses Mal geht etwas schief, das tolle Feuerwehrauto fährt danach nicht mehr und macht auch kein Tatütata mehr. Knut wird sauer, tritt das Auto quer durchs Zimmer, er brüllt und schreit, so laut, dass Grizzly vor Schreck auf den Schrank flüchtet; und da wirft er ihm noch ein hölzernes Hinterherzieh-Krokodil nach.
Mit anderthalb, zwei Jahren, in der sogenannten Trotzphase, sind wütende Kinder fast noch ein bisschen niedlich, wenn die Tränchen spritzen und sie mit den dicken Fäusten auf den Boden trommeln. Lästig auch, aber normal. Bei Kindern wie Knut fragt man sich dann schon irgendwann, ob das noch normal ist. Und wohin es führen soll, spätestens wenn man bei der Vorsorgeuntersuchung auf die Frage, ob das Kind fast täglich einen Wutanfall bekomme, erstaunt antwortet: Fast täglich? Mehrmals täglich, mehrmals!".
Bei Knut führt es erst mal dazu, dass sein Kater wegläuft, sich den ganzen Tag nicht mehr blicken lässt und dann, als ihn der Hunger heimtreibt, geduckt ins Haus schleicht und sich von Knut nicht anfassen lässt. Schlagartig ist der nicht mehr wütend, sondern traurig. Ja, das ist schon eine harte Botschaft, dass der Kater seinen Menschen nicht mehr mag, weil der so wütend geworden ist. Aber anders, als wenn Knuts Mutter oder Lehrer so etwas sagen würde, wirkt es gar nicht moralisierend bei Grizzly. Weil er eben auch nicht moralisiert, kein Das-macht-mich-traurig-wenn-du-so-bist" oder Wir-wollen-doch-hier-nicht-schreien-und-mit-Sachen-werfen" von sich gibt, sondern einfach wegläuft.
Den Stand der Geschichte kann man ganz genau ablesen an den Gestik und Mimik von Knut und Grizzly: Je mehr Knuts Gesicht roter und roter wird, die Fäuste ballt, die Augen zusammenkneift, desto genervter, erschrockener, geduckter wird der Kater. Hinschauen reicht, und man weiß, wie es den beiden gerade geht. Das mag ein bisschen überzeichnet sein, bietet aber prima Gesprächsanlässe, weil die Kinder von sich aus drauf zu sprechen kommen, ohne dass man sie mit viel pädagogischem Einsatz darauf lenken und immerzu fragen muss: Schau mal, was meinst du wie es dem jetzt gerade geht?
Klar, Knut hat Wut ist ein typisches lösungsorientiertes Problemthemabilderbuch. Allerdings kein pädagogisch korrektes, das den kleinen Lesern Werte und Verhaltensweisen vermitteln möchte - Wir wollen doch nicht so wütend sein" - die jenseits der Bilderbuchwirklichkeit gar nicht existieren.
Denn es geht gar nicht, Wut wegzudenken, wegzuerziehen, sie sich abzugewöhnen. Wut ist ein Gefühl, wie Freude, Angst, Trauer. Gefühle entstehen in einem entwicklungsgeschichtlich älteren Teil des Gehirns als rationale Gedanken - und sind deshalb immer schneller" da in einer Situation als Vernunft und Selbstbeherrschung. Wird einem Kind, das oft wütend ist, suggeriert, es könnte, wenn es nur wollte, wird es irgendwann denken, es sei schlecht, falsch oder nicht normal, wenn es ihm wiederholt nicht gelingt.
Kinder sollen ihre Gefühle außerdem gar nicht unterdrücken, auch Erwachsene nicht, das kann krank machen und unglücklich. Es kommt viel mehr auf die Art und Weise an, wie diese Gefühle ausgelebt werden.
In Knuts Fall heißt das: er darf so oft und so wütend werden, wie er eben ist - aber nur so, dass er anderen dabei nicht schadet. Und genau darum geht es in dem Buch.
Zum Geburtstag bekommt Knut ein Spielzeugflugszeug geschenkt, Grizzly ist auch wieder aufgetaucht. Alles ist wie immer, Knut repariert am Flugzeug herum, das ist danach kaputt und er könnte Platzen vor Wut. Was neu ist: er schreit und tobt und wirft nicht, sondern geht zu seinem anderen Geburtstagsgeschenk: einem Boxsack.
Im Innendeckel stehen viele weitere Tipps, was helfen kann, wenn man Wut hat: zehn Mal hintereinander Schockschleimigerschlumpfschlabberschneckschreck sagen oder dem Stofftier alles erzählen. Wahrscheinlich wenig hilfreich, wenn die Wut einen so richtig packt, man denke da nur an sich selbst. Das viel bessere Anti-Wut-Konzept bietet ohnehin die Geschichte. Der Boxsack zum Abreagieren, Bewegung allgemein, damit sich gar nicht so viel Frust anstauen kann; die ruhigen, erklärenden Gespräche ohne Vorwurf und Du-musst und Du-darfst-nichts, die Knuts Mutter mit ihrem Sohn führt, und zwar wenn das Eisen kalt ist und die Wut verraucht ist. Und Kater Grizzly. Katzen, Hunde, Pferde zeigen Kinder mit ihrem Verhalten ganz klar, wo die Grenze ist; andererseits hat das Kind in seinem Tier einen Freund, dem man einfach alles anvertrauen kann. Ganz egal, was das Kind dem Tier erzählt, es wird jedes Geheimnis bewahren - was gerade für sehr unausgeglichene Kinder, die ja auch häufig anecken, sehr viel wert ist.
Leider ist das Buch sehr jungsspezifisch, mit den Auto-Flugzeug-Basteleien werden sich Mädchen eher weniger anfreunden können; was schade ist, denn auch Mädchen werden sehr oft sehr wütend.
Fazit
Knut hat Wut ist lustig illustriert und anschaulich, so dass sich von ganz alleine Anknüpfungspunkte für ein Gespräch über Wütend-sein ergeben. Sehr empfehlenswert für alle, die in der Familie, in der Gruppe oder in der Klasse ein Thema mit dem Thema Wut haben. Schön ist, dass Knut am Ende des Buches noch genauso viel Wut hat wie vorher (und auch haben darf). Er weiß jetzt allerdings besser damit umzugehen - wahres Leben statt pädagogical correctness".
Sigrid Tinz, September 2014
Edith Schreiber-Wicke, Thienemann
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