Wir haben uns lieb
- minedition
- Erschienen: September 2014
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Ausgezeichnet mit dem Kinderbuch-Couch-Star* -
Kinderbuch des Monats 9.2014
Ein rotes, sehr reduziert gezeichnetes Vögelchen, das zusammen mit einem zweiten hinter einer Öffnung ein Herz bildet - das Cover sagt auf einen Blick, worum es gehen wird in diesem Buch: um Tiere, Formen, Farben. Und ums Liebhaben; das sagt der Titel: erst ist jedes Tier allein auf der Seite, findet durchs Umblättern aber seine zweite Hälfte und kuschelt sich eng an sie ran.
Ich-bin-weg-Kuckuck-da-bin-ich-wieder, dieses Spiel lieben kleine Kinder. Vielleicht finden sie deshalb auch Bilderbücher mit Klappen, Schiebern oder Löchern in einem bestimmten Alter so gut. Weil es - hoch, runter, auf, zu, vor, zurück - etwas zu verstecken und zu entdecken gibt. Und anzufassen, das auch. Wir haben dich lieb ist ein solches Buch. Eines, das schon für die ganz Kleinen gut geeignet ist.
Erstens weil es sehr stabil ist - ein nicht unwesentliches Kriterium, nähern sich Kleinkinder ihrer Literatur doch sehr handgreiflich. Dieses - und auch jedes andere dieser Reihe von Yusuke Yonezu - überlebt, bis das Kleine aus dem Hallo-Kuckuck-Alter heraus ist, zwar etwas abgegnibbelt, aber die Klappen und Öffnungen reißen auch nach häufigem Gebrauch nicht ein oder ab.
Zweitens ist das Buch innen so schlicht wie es auf dem Titelblatt anklingt und überfordert Einjährige nicht mit farbenfrohen, detailreichen Alltags- oder Bauernhofszenen. Ganz in Ruhe können hier schon die Allerkleinsten Tiere und Gefühle, Farben und Formen entdecken.
Immer zwei Doppelseiten bilden eine Art Kapitel, pro Kapitel wird jeweils ein Tier vorgestellt: Vogel, Maus, Schildkröte, Hase, Bär, Katze, Elefant. Jedes Tier hat eine Farbe, nur eine; und nur dieses Tier hat diese Farbe. Das Tier ist links, rechts ist der Ausschnitt und beim Umblättern bilden beide Seiten zusammen ein Paar. Die Gesichter der Tiere bestehen aus nur wenigen Strichen: Auge, Nase, Schnauze oder Schnabel. Aber die sind mal so und mal so hingestrichelt, das auf den ersten Blick deutlich zu erkennen ist, dass sich die beiden einsamen Tiere jetzt kuschelig liebhaben und glücklich sind. Auf der rechten Seite bleibt nur eine Form zurück: Dreieck, Kreis, Quadrat, Rechteck. Auch jede dieser Formen taucht nur einmal im Buch auf und ist damit auch wiederum typisch für ein Tier. Gut geeignet, um eben auch die Farben und Formen zu entdecken.
Erstens, zweitens, fehlt noch Drittens, warum die Bücher zu den besten gehören, die es in dieser Kategorie gibt. Nämlich weil die Eltern nicht unterfordert werden, besser gesagt, ihr ästhetisches Empfinden. Das ist gut für die Eltern und damit auch wieder gut für die Kinder. Denn je kleiner ein Kind ist, desto mehr mag es am Lesen dieses kuschelig Sofagefühl, weniger das Buch an sich. Wenn Eltern gern vorlesen, weil sie das Buch mögen, wird sich dieses Wohlgefühl aufs Kind übertragen. Sind Mama und Papa leicht genervt über die süßliche Geschichte vom kleinen Häschen mit dem frechen Näschen und den Reim-dich-oder ich fress-dich-Versen - ist das nicht so gut für die Leseförderung.
Wir haben uns lieb ist auch niedlich und herzig und schön, keine Frage. Aber ohne Kitsch und Kindchenschema und - das ist schon fast eine Ausnahme - ohne den Trend zu rosa-lila-glitzer Mädchenbüchern und dunkelblau-zackigen Jungenbüchern mitzumachen. Die Frage, ob diese Geschlechtertrennung nicht nur bei Büchern ausdrücklich auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Wünsche eingeht, die Jungen und Mädchen nun mal aus biologischen Gründen haben oder ob solch ein geschlechtsspezifisches Angebot mädchen- und jungentypische Bedürfnisse überhaupt erst hervorruft, wollen wir hier jetzt nicht diskutieren. Denn egal, wie die Antwort ausfallen mag, für ein einjähriges Kind ist es so oder so irrelevant. Dieses Buch hier ist im allerbesten Sinne neutral. Ob Mama-Elefant mit ihrem Sohn kuschelt oder Papa-Elefant mit seiner Tochter, wird mit keinem Schleifchen oder Schürzchen oder Hut oder Bart markiert. Es könnten auch Mama und Papa sein, Bruder und Schwester, Oma und Enkel oder Enkelin, zwei Freunde, Cousinen, einfach nur ein Elefant und noch ein Elefant, was auch immer. Das kann jedes Kind beim Lesen selbst entscheiden und immer wieder neu.
Text hat das Buch wenig, ein Satz pro Seite wie: Vögel haben sich lieb" oder, Katzen haben sich lieb .... und ihr Kätzchen auch". Nix besonderes, aber dankenswerter auch keine Kleinkind-Lyrik, für die man sich beim Lesen fremdschämt. Der Text findet sich sowieso von ganz alleine: die Maus ist blau, und allein und auf der anderen Seite ist noch eine, die ist auch allein und dann sind die beiden zusammen, die sind aber glücklich; und guck mal, da ist jetzt ein Dreieck.... Und so fördert das Buch ganz nebenbei auch noch die Sprache und den Wortschatz.
Fazit
Yusuke Yonezus Pappbilderbücher sind schlicht und schön und genau richtig als allererste Lektüre für allerkleinste Leser. Ob dieses hier über Tiere, die erst allein und dann zu zweit sind - oder eines seiner anderen Titel, in denen sich Formen, Früchte, Süßigkeiten oder Blumen durch Klappen und Ausschnitte in fröhlich winkende Hasen, Enten oder Mäuse verwandeln. Und zwar so magisch, dass die Kinder (und die Eltern) gar nicht anders können, als immer wieder hin- und her zu blättern. Weil die Bücher super stabil sind und das alles mitmachen, gehört mindestens eines in jeden Haushalt mit Kindern unter drei.
Sigrid Tinz, September 2014
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