Damals und heute - Kinderalltag vor 100 Jahren und heute

100 Jahre sind eine runde und interessante Zahl. Dieses Buch zeigt, wie die Kinder vor 100 Jahren lebten, wie die Häuser aussahen, wie es in der Schule war, auf dem Spielplatz, am Abendbrottisch.

100 Jahre sind eine runde und interessante Zahl, genau. Und besonders interessant wird es, wenn sich ein wichtiger Tag jährt. In diesem Jahr ist es der Beginn des Ersten Weltkriegs und damit liegt der als Thema einfach "in der Luft". Schon kleine Kinder bekommen oft mehr mit als man so denkt, und auch wenn sie noch nicht genau verstehen, worum es geht: Sie fragen nach. Nicht unbedingt aus explizitem Interesse am Thema Krieg - sondern weil ihnen klar ist, dass es sich da um etwas Interessantes handeln muss. Und vielleicht auch nur, weil es Kinder immer interessiert, wie es früher war.

Allerdings haben sie noch kaum Zeitgefühl: War Papa da auch Soldat? Und gab es da noch Dinosaurier? Anschaulich machen kann man es mit Vergleichen, nämlich, dass Mamas Oma vor 100 Jahren ungefähr so alt war wie unser Kind jetzt.
Und wie Kinder in jener Zeit gelebt haben, das zeigt dieses kleine Buch.

Doppelseite für Doppelseite sind auf der linken Hälfte die Geschwister Ilse und Fritz zu sehen, die vor 100 Jahren in einem nagelneuen Haus leben; gegenüber auf der rechten Seite, die Geschwister Tim und Lea, in genau dem selben Haus, das heute schön alt ist. Insgesamt 12 verschiedene solcher Alltagsthemen sind dargestellt, treffend erklärt und mit kleinen Dialogen lebendig gemacht: vom Frühstück bis zum Einkaufen, von der Morgenwäsche bis zum Abendritual. Mal als Querschnitt durchs Haus, mal als wimmelige Szene auf der Straße. Jede übernächste Seite lässt sich ausklappen und zeigt dann entweder eine Erweiterung der Szenerie oder viele kleine interessante Bilder, die Damals und Heute direkt miteinander vergleichbar machen: Dusche mit Waschschüssel, Grammophon mit MP3-Player, den Termin bei der Schneiderin für neue Kleidung mit dem Shoppen im großen Kaufhaus.

Warum nicht nur Fritz und Ilse, wenn´s um früher geht? Warum noch Tim und Lea? Wie Kinder heute leben, wissen die doch wohl alle selbst. Das stimmt, aber erstens macht es kleinen Kindern immer großen Spaß, ihren eigenen Alltag zu entdecken - und das geht mit den gefällig und wirklichkeitsgetreu illustrierten Bildern sehr vergnüglich - und zweitens können sie sich so ganz leicht auf den Alltag von Fritz und Ilse einlassen. Von Spielplatz zu Spielplatz, von Schule zu Schule, von Wartezimmer zu Wartezimmer.

Streng genommen ist der direkte Vergleich zwischen den beiden Geschwisterpaaren etwas schief: Tim und Lea sind aus heutiger Sicht normale Kinder, die Familie von Fritz und Ilse gehörte wohl eher zur Oberschicht, mit Hausangestellten und vielen Räumen und einem für damalige Verhältnisse eher hohen Lebensstandard.

Aber weil das Buch schön ist und kindgerecht, gerne und oft angeschleppt wird, lädt es förmlich zum Gespräch ein, ob abends auf dem Sofa oder in einer Kindergruppe in der Kita. Da kann man als Eltern oder Erzieherin durchaus einiges gerade rücken. Dass der durchschnittliche Lebensstandard vor 100 Jahren kein eigenes Bad, noch nicht mal ein eigenes Bett bedeutete, dass früher vieles nicht nur schön war, dass es in der Schule militärischen Drill und Prügelstrafe gab. Und, ja, dass vor 100 Jahren der Erste Weltkrieg in der Luft lag oder im Gange gewesen sein muss. (Tipps, wie man mit Kindern über das Thema redet und weitere Bücher siehe Special auf der Kinderbuch-Couch)

Fazit

Dieses Buch zeigt Kindern von heute, wie das Leben damals war, vor 100 Jahren, als die Großeltern der Eltern Kinder waren. Die Bilder sind nett und gefällig gezeichnet und voller Details. Auch beim zehnten Anschauen gibt es immer noch etwas Neues zu entdecken, ob zu Uromas Zeiten oder heute.

Sigrid Tinz, Juli 2014