Die Lisa

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonJul 2014

Idee

Eine Frau, ein Jahrhundert – toll.

Bilder

Bunt und detailreich, aber auf unangenehme Weise nicht schön.

Text

Verständlich im Stil der Sendung mit der Maus, aber manchmal zu abstrakt und vage.

Die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts erzählt am Leben des Mädchens Lisa: geboren und aufgewachsen in der Kaiserzeit, Jugendliche während des Ersten Weltkriegs, verliebt und verheiratet, dann Nazizeit, Zweiter Weltkrieg, DDR bis sie als Oma die deutsche Wiedervereinigung erlebt.

Kinder hören gern von früher, sie fragen nach und sie interessieren sich auch für "schlimme Themen", wenn sie eins aufgeschnappt haben. Aus dem Radio oder weil sich die Erwachsenen darüber unterhalten haben. So ein Thema kann in diesem Jahr der Erste Weltkrieg sein. Genau hundert Jahre ist sein Beginn in diesem Jahr her und im Fernsehprogramm und in den Nachrichten ist er viel präsenter als sonst - bereit zum Aufgeschnapptwerden also.

Andererseits haben kleine Kinder noch wenig Zeitgefühl: Hundert Jahre, das ist ja ewig - oder gar nichts.
Eine schöne Idee ist es deshalb, ein Buch lang jemanden von klein auf zu begleiten, der genau diese Zeitspanne erlebt hat, der vor 100 Jahren geboren wurde und in unsere Zeit hinein groß und alt wird.
Wie hier.

Wie Henriette Elisabeth, die vor vielen, vielen Jahren in Berlin geboren und von allen nur die Lisa genannt wurde. Sie lebt in einem niegelnagelneuen Haus, zur Zeit des Kaisers Wilhelm II, spielt jeden Tag mit mit dem Nachbarsjungen Hans und mit Else, der Tochter vom Lebensmittelhändler Kohn.

Seite für Seite nimmt dann das Jahrhundert seinen Lauf und Lisas Leben auch: sie beginnt eine Lehre als Schneiderin, ihr Vater wird Soldat, denn Europas Regierungen haben sich gegenseitig den Krieg erklärt. Die Jahre vergehen und die Kämpfe werden grausamer und grausamer. Viele Soldaten kommen um, auch Lisas Vater stirbt an der Front. Zuhause gibt es immer weniger zu essen, die Menschen hungern und frieren, und auch ihr Freund Hans stirbt, weil er schwach und dann auch noch krank geworden ist. Dann wehren sich die Menschen gegen die Regierung und den Kaiser, nach Jahren voller Hunger, Leid und Not: Revolution in Deutschland und dann endlich Frieden. In einen der jungen Soldaten, die aus dem Krieg heimkehrten, verliebte sich Lisa: Werner. Die beiden heiraten und bekommen Kinder, Klaus und Wolfgang.

Kurz und knapp und festgemacht an dieser kleinen Familiensaga erleben die kleinen Zuhörer, Anschauer, Leser alles Wichtige; und auch wie es danach weitergeht, mit Hitler, dem nächsten Krieg, der deutschen Teilung, bis Lisa als alte Oma bei der Wiedervereinigung dabei ist. Wie von selbst fangen Eltern und Kinder an, sich und die eigene Familie auf diesem Zeitstrahl zu suchen: Uroma, ist die so alt wie Lisa? Und Uropa wie Werner? Und Oma? Du, Papa? Und ich, bin ich das Urenkelkind ganz am Ende? Oder zu welcher Zeit hat aus unserer Familie wer gelebt und was gemacht?

Ein tolles Buch.
Mit zwei Einschränkungen, einer großen und einer kleinen.

Die große ist, dass die Bilder "blöd" sind - sagt das Kind. Als Erwachsener würde man es lieber anders ausdrücken, sie vielleicht künstlerisch nennen, ausdrucksstark, sperrig. Es muss ja auch nicht immer alles niedlich, nett und hübsch wie bei Conny sein. Aber ganz ehrlich? Das Kind hat recht. All die netten Leute, die wir kennengelernt haben, Lisa, Hans, Werner, Else sehen einfach böse und debil aus. Und: auf jedem Bild irgendwie anders, mal wie eine fiese Pippi Langstrumpf, mal wie eine aus Perlonstrümpfen selbst gebastelte Handpuppe. Das macht es ziemlich schwer, die ohnehin schon vielen wichtigen Menschen in Lisas Leben auseinander zu halten.

Die kleine Einschränkung ist die Sprache. Verständlich zwar, im Tonfall ähnlich wie bei der Sendung mit der Maus. Aber an manchen Stellen sooo vage: Der Erste Weltkrieg "begann"; dann "kam" es zu einer Revolution", Lisas Vater "fiel", ihr Sohn Wolfgang musste "ins Feld" und "geriet" in Gefangenschaft, Flüchtlinge sind "durch den Krieg aus ihrer Heimat vertrieben worden". Das klingt, als würde so etwas einfach passieren. Und das stimmt ja nicht. Wer also ein neugieriges Kind hat oder seinem Nachwuchs vermitteln möchte, dass Kriege sich von Naturkatastrophen unterscheiden, wird selber die Worte und Antworten finden müssen, um die sich der Text herummogelt. (Tipps siehe auf dem Special der Kinderbuch-Couch).

Das Ende ist dann wieder sehr, sehr schön. Lisa ist mittlerweile ein ganz alte Oma und nachts, wenn sie im Bett liegt, bekommt sie "Besuch": von ihren Eltern, ihrer Freundin Else, ihrem ersten Mann Werner und dem zweiten, Paul, und vielen anderen Leuten, die sie im Leben getroffen hat - und wir im Buch.

Fazit

Ein Jahrhundert deutscher Geschichte in einer kleinen, kompakten Familiensaga verpackt. Hochinteressant, dicht, schön - aber der Illustrationen wegen leider keins, dass Kinder lieben werden.

Sigrid Tinz, Juli 2014

Die Lisa

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