Igor ernährt sich ausschließlich von Erdbeeren. Das ist für einen kleinen Igel im Frühjahr vielleicht kein Problem, aber im Herbst und Winter wird es kritisch. Doch glücklicherweise gibt es Freunde
Igor ist ein Feinschmecker. Maden, Käfer, Regenwürmer, Pilze und Nüsse verschmäht er, einzig Erdbeeren stehen auf seinem Speiseplan. Leckere Walderdbeeren, frisch vom Strauch, schmecken Igor am besten. Doch seine Eltern sind verzweifelt, denn nur mit Erdbeeren kommt ein Igel nicht weit. Aber Igor lässt nicht mit sich reden. Im Herbst lehnt er das leckere Schneckenragout ab und macht sich auf die Suche nach Erdbeeren. Im Winter, als schon die ersten Schneeflocken vom Himmel tanzen und Familie Igel dicht aneinander gekuschelt schläft, kann Igor keine Ruhe finden, weil sein Magen viel zu laut knurrt. Verzweifelt macht er sich auf Erdbeersuche und huscht zitternd vor Kälte über den kalten Schnee. Igor hat Angst, ihm ist kalt und der Wald sieht unheimlich und ziemlich gruselig aus, als er auf das Eichhörnchen trifft und ihm sein Leid klagt. "Komm mit!" sagt das Eichhörnchen und Igor, froh, dass ihm jemand hilft, folgt ihm guten Mutes. Das Eichhörnchen führt ihn schnurstracks in seine Höhle, in der viele leckere Wintervorräte lagern. "Igitt", denkt der Igel zuerst, doch da es den Freund nicht enttäuschen möchte, knabbert es doch mal an einer Nuss und einer Birne - und entdeckt ganz neue kulinarische Genüsse. Satt und zufrieden kuscheln sich die beiden an einander und fallen in einen tiefen Winterschlaf.
Als Feinschmecker hat man es mitunter nicht leicht, vor allem nicht, wenn man ein Igel ist und als Allesfresser deutlich besser durch die Welt kommt. Denn als Igel geht es doch vor allem ums Überleben, tagtäglich und erst recht zur Zeit des Winterschlafs. Doch Igor ist taub für alles Zureden, mögen die Argumente auch noch so nachvollziehbar sein. Er will nur Erdbeeren! Der kindliche Dickkopf muss seine eigenen Erfahrungen machen, die in diesem Fall nicht ganz ungefährlich sind.
Für uns Erwachsene liegt damit aber auch klar auf der Hand, dass das Buch kleinen "Kostverächtern" etwas sagen möchte, nämlich, dass es gut ist, etwas Neues zu probieren. Man weiß ja sonst nie, was man vermissen würde. In Igors Fall zeigt sich, dass es sogar sehr wichtig war, auch andere Nahrung zu probieren.
Wohl dem, wer Freunde hat, die in der Not bereit stehen und noch einmal ins Gewissen reden. Bei Igor ist es kurz vor knapp, als er endlich einmal etwas anderes als Erdbeeren isst und damit sein Leben rettet. So ernst, wie die Geschichte enden könnte, erzählt sie Andrea Reitmeyer allerdings nicht. Der Erzählton ist locker und liebevoll, die Passagen mit wörtlicher Rede sind teilweise gereimt, was allerdings etwas künstlich wirkt, da die Satzmelodie nicht immer aufgeht, der Zusammenhang mitunter konstruiert wirkt und die Idee nicht stringent verfolgt wird. Dennoch geben sie den Textpassagen einen persönlichen Anstrich, der Igor schnell ans Herz wachsen lässt.
Wie auch bereits bei den vorherigen Büchern von Andrea Reitmeyer überzeugt auch "Igel Igor mag das nicht" vor allem durch die freundlichen, detailreichen und liebevollen Zeichnungen. Igor und seine Familie sind mit ausdrucksstarker Mimik und Gestik gezeichnet, die trotzdem authentisch wirken und Igor als Igel überzeugend zeigen. Die verwendeten Farben sind stimmig gewählt, so dass auch der Wechsel der Jahreszeiten gut korrespondiert und Leser sich gut in die jeweilige Stimmung hineinversetzen können.
Zusätzlich zu der rührenden Geschichte um Igor sind auf den Vor- und Nachsatzseiten sachliche und nützliche Informationen zu Igeln untergebracht. So erfahren die Leser hier noch etwas über verschiedene Igelarten, die Anzahl der Stachel, den typischen Fortbewegungsmodus, die Sinnesorgane, den Orientierungssinn und natürlich über Schlaf- und Fressgewohnheiten.
Fazit: Ein Igel, der nur Erdbeeren isst? - Das kann nur in einer Katastrophe enden. Wohl dem, der gute Freunde hat, die auch in schweren Situationen zur Stelle sind. Eine poetische und thematisch überraschende Geschichte über Engstirnigkeit und die Macht der Freundschaft, die sogar Leben retten kann.
Claudia Goldammer, Juli 2014
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