Es regnet und regnet und regnet, alles Land wird bald unter Wasser sein. Ein Mann ahnt das und beginnt, ein großes Schiff zu bauen, um sich, seine Familie und von jeder Tierart ein Männchen und ein Weibchen zu retten. Der Plan gelingt. Der Mann allerdings - der natürlich Noah ist - hat Stress: so viele Tiere machen eine Heidenarbeit. Und dann schlägt das Schiff auch noch leck.
Auf der ersten Seite steht ein Mann auf einem Hügel, in Gummistiefeln und mit Regenschirm und schaut in die Landschaft: es regnet, regnet, regnet. Eine Seite weiter baut er ein Schiff und damit ist klar: der Mann ist Noah.
Geschichten über die Sintflut sind uralt und international; sie gehören in vielen Ländern der Welt zum Kulturgut und die gründlichste Vernichtung alles Lebens auf der Erde ist - eigentlich erstaunlich - auch ein beliebtes Thema fürs Kinderzimmer, ob als Buch, Puzzle oder Plastikfiguren. Vielleicht weil Kinder Schiffe, Tiere und Abenteuer lieben. Vielleicht auch, weil man sich automatisch mit den Menschen und Tieren auf der Arche identifiziert.
Die Variante in diesem Buch kommt ohne Gott und göttliches Strafgericht aus und ohne dass Noah von Freunden, Verwandten und Nachbarn ausgelacht wird, weil ihm eine Stimme befohlen hat, ein Schiff zu bauen. In diesem Buch hat Noah einfach selber die Idee, er sieht die Regenmassen und baut das Schiff und dann reist er herum und sammelt die Tiere ein: "Selbst Schnecken, Spinnen, Käfer und schleimige Kreaturen, die die Menschen heute mit Insektengift besprühen, um sie loszuwerden". Und die sehen wir auch alle: Krabbeltiere mit langen Fühlern und Koffern in der Hand, Tausendfüßler mit Handtaschen, Ameisen, Würmer. Und, ja, auch all die schönen, großen, niedlichen Giraffen, Tauben, Elefanten, Zebras, Leoparden, Kamele und Krokodile, die offensichtlich so etwas wie Gottes Lieblingstiere sind und die man beim Stichwort Arche sofort vor Augen hat.
Tiere, Menschen, Szenen sind mit ein paar Strichen leichthändig gezeichnet, in Rosa, Blau, Gelb sparsam koloriert. Die Bilder sind voll und es gibt viel zu entdecken, trotzdem wirken sie leicht und überhaupt nicht überladen. Diese detaillierten Szenen wechseln ab mit Großaufnahmen von Noah und einzelnen Tieren, von der Arche, wie sie durchs Wasser pflügt oder mit kleinen Comicsequenzen. Besonderen Spaß machen die Seiten, auf denen die Arche im Querschnitt dargestellt ist und sich in die einzelnen Decks und Kabinen hineinsehen lässt: ein Nilpferd und ein Känguru spielen Karten, die Krokodile langweilen sich, das Schwein schläft, der Büffel hat Angst und klammert sich vorsichtshalber an einen Rettungsring. Und Noah ist emsig beschäftigt, die Viecher zu versorgen: "Er musste den Pferden Heu bringen, den Eichhörnchen Haselnüsse und den Pythonschlangen Dinge, die wir nicht genauer benennen wollen. Sobald das letzte Tier sein Abendessen bekommen hatte musste er sich schon wieder um das Frühstück für die ersten Tiere kümmern."
Auch der Text malt Bilder: Der Regen prasselt, die Zickzackblitze zucken, das Schiff pflügt durchs Meer. Und obwohl die Geschichte von der Sintflut wohlbekannt ist, hat man hier schnell diese neue Geschichte als etwas Eigenes im Ohr.
Ebenfalls "neu": die eigentliche Hauptperson ist ein Hund. Noahs Hund nämlich, eine orangebraune Promenadenmischung mit großer, schwarzer, weicher Nase. Als das Schiff auf einmal leck schlägt, steckt der Hund diese große, schwarze, weiche Nase in das Loch und rettet so die Arche vorm Untergang. Und so ist er auch derjenige, der merkt, dass die Sintflut zurückgeht: als seine Nase auf einmal nicht mehr dauerfeucht ist, sondern trocken und er Luft und Land riechen kann.
Fazit:
Von der Sintflut und der Arche gibt es zahlreiche Bilder- und Kinderbücher, künstlerisch wertvolle, lustig gereimte, süß gemalte und christlich korrekte. Diese neue Variante kommt ohne alttestamentarisches Strafgericht und ohne Gott aus, sie ist lustig, leichthändig gezeichnet und locker koloriert. Eine schöne Geschichte für alle Kinder, die Schiffe, Tiere und Abenteuer lieben. Und eine der schönsten Arche-Noah-Bücher, die es gibt.
Sigrid Tinz, Mai 2014
Deine Meinung zu »Hilfe, die Arche sinkt! Oder warum Hundenasen feucht sind«
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