Troja

  • Moritz
  • Erschienen: September 2013
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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonSep 2013

Idee

Kämpfer, Schwerter, Götter und Prinzessinnen – im alten Troja geht es so handfest zur Sache, wie Menschen es seit Jahrtausenden offenbar lieben. Als Comicroman präsentiert ist es absolut up to date.

Bilder

Comicartiger Bildereigen, mit Personen-Nahaufnahmen und Schlachtenpanoramen.

Text

Die Sprache ist nicht wie im Original gereimt, sondern normales Deutsch; das es schafft, trotz zeitgemäßer Verständlichkeit die antike Herkunft der Geschichte durchklingen zu lassen. Übersetzer: Erika und Karl A. Klewer

[ab 5 Jahren]

Der Trojanische Krieg ist das zentrale Ereignis der griechischen Mythologie und seit Jahrtausenden wird die Geschichte von der Menschheit geliebt. In diesem Buch präsentiert sie sich neu, zeitgemäß und extra für junge Leser.

Die Geschichte um Troja kennt wohl jeder und jede: wie sich drei griechische Göttinnen streiten, wer die Schönste sei; wie der trojanische Königssohn Paris diesen Streit entscheiden soll; wie er von der Göttin Aphrodite bedrängt wird, sie zu wählen und wie sie ihm die griechische Prinzessin Helena verspricht. Dass die schon verheiratet ist - Pech; er entführt sie einfach. Wie es zum Krieg kommt zwischen Griechen und Trojanern, weil der beraubte Gatte seine schöne Helena zurückhaben will; wie sich die Götter ständig einmischen, mal der einen Seite helfen, mal der anderen. Zehn Jahre tobt und wogt der Kampf, am Schluss sind die meisten tot, die Griechen Sieger und Helena versöhnt sich mit ihrem Mann.

Die Geschichte um Troja trägt den Stempel "Kultur, klassische Bildung, Kanon der Weltliteratur" und Generationen arbeiten sich daran ab, ob es Troja wirklich gab, ob es wirklich Homer war, der die Geschichte in Versform verewigt hat und ob es jeweils diesem begnadeten Werk gerecht wird, wenn ein neuer Autor sie erzählt und inszeniert?
Kinder interessiert das nicht. Kinder, vornehmlich Jungs, stürzen sich einfach auf dieses Buch als wäre es die neueste Starwars-Zeitschrift.

In der Tat ist der Unterschied zwischen klassischem Altertum und Krieg der Sterne nicht so groß, wie man als kulturbeflissener Kampfdruiden-Klonkrieger-Verächter denkt: da wie hier sind es zwei Welten, zwei Heere; es geht um Macht, Ehre, Gut und Böse. Und um eine Frau.
Schauen wir es uns mal genauer an.

War zu Homers Zeiten der letzte Schrei, alles in Hexametern und Jamben zu reimen, ist es heute, eine so genannte Graphic Novel zu schreiben. Was zu deutsch etwa illustrierter Roman oder Comicroman bedeutet. Und sich vom normalen Mickymausheft dadurch unterscheidet, dass das Thema komplexer und der Inhalt anspruchsvoller sein soll. Genauso präsentiert Yvan Pommaux sein Troja: Jede Seite besteht aus Text und Bild und auf den meisten großen Seiten ist nicht nur eine Szene abgebildet, sondern - wie im Comic - mehrere. Sie sind unterschiedlich groß und manchmal sind zwischen den Bildkästchen auch noch mini-kleine Extra-Szenen eingestreut. Die Bilder sind farbig, es gibt rote, gelbe, grüne Uniformen, aber doch irgendwie trist und gedeckt, als hätte sich der Staub der jahrelangen Kämpfe in der Ebene vor Troja auch darüber gelegt. Die insgesamt sehr abwechslungsreiche Optik macht Lust, die Inhalte zu entdecken.
Und das, was es zu entdecken gibt, freut jeden kleinen Testosteronbolzen: Kämpfer, Kämpfer, Kämpfer, mit Helmbusch und Leoparden-Toga prächtig ausstaffiert. Streitwagen, Nahkämpfe, Feuer, Schwerter - und auch Blut; das aber nur sehr stilisiert in schönen roten runden Tröpfchen fließt, so dass es mehr symbolisch Verletzungen zeigt und niemand davon Alpträume bekommen dürfte.

Der Text steht in Sprechblasen in den Bildern und liegt als Fließtext zwischen den Illustrationen - auch die Lektüre wird so sehr abwechslungsreich. Die Sprache ist gut verständlich; und gleichzeitig hört man eine gewisse poetische Altertümlichkeit heraus.

Was es noch gibt: seitenlange Einzelporträts der Star-Kämpfer und die Mannschaftsaufstellungen. Denn die beiden Kriegsparteien setzten sich aus verschiedenen Stämmen und Städten zusammen. Was beim Vorlesen leicht ermüdet, zumindest alle, die sich weder dafür erwärmen können, Fußballerkarten alphabetisch zu ordnen oder Starwars-Trumpfquartett zu spielen - fasziniert viele kleine Jungen gerade: sie buchstabieren stundenlang mit roten Bäckchen das Wer-gegen-wen von Ajax, Agamemnon, Mykene, Korinth, Patroklos, Euryalos, Diomedes, Polyxenes, Pelagikos, Achilles, Odysseus als ginge es um Darth Vader und Meister Yoda.

Im Text gibt es immer wieder Passagen, in denen die Kämpfer und Götter das Sinnlose und Grausame dieses Krieges und auch das jedes anderen betonen. Dafür wird das Buch viel gelobt: "So eindrucksvoll die Bilder wirken, der Irrsinn dieses und jeden Krieges wird klar", heißt es zum Beispiel auf der Website des Verlags. Der Praxistest zeigt allerdings, dass das nicht so ganz klappt: Die jungen Leser spielen begeistert ihre Lieblingsszenen mit Legomännchen oder auf dem Schulhof nach: Achilles gegen Hector, Patroklos gegen Paris. Immer feste drauf!

Und: auch das Frauenbild hätte eine gewisse Einordnung vertragen. Die Göttinnen sind zänkisch und nur aufs Äußere bedacht; Frauen sind entweder Beute oder Bettgenossin, oft beides gleichzeitig; oder abgehärmte, händeringende Soldatenmütter. Und auch Helena hat in ihrem hübschen Köpfchen nicht vielmehr als sich sicher versorgt zu wissen, ob von dem einen König oder dem anderen.

Und so bleibt die Frage, ob es besonders bildungsbeflissen ist, seine Kinder mit der Troja-Sage und mit den Rollenklischees der damaligen Zeit vertraut zu machen. Und ob sie die Jahrtausenden überdauert hat, weil sie so etwas Besonderes ist. Oder vielleicht eher, weil sie schon immer die Geschmacksnerven der breiten männlichen Mehrheit getroffen hat.
Denn das steht fest: Dieses Troja lesen alle Jungen gerne; sogar die, die bislang gar nicht wussten, dass sie lesen können.

Fazit:

In dieser neu präsentierten alten griechischen Sage um Troja geht es so schwerterschwingend und handfest zur Sache, wie es sich ein pädagogisch wertvolles Erstlesebuch niemals trauen würde. Das lesen Jungs wirklich! Und Mütter können noch nicht mal meckern - läuft die Story doch unter "klassischer Bildung".

Sigrid Tinz

 

Troja

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