Zauberflügel - Ein Zauberpferd für Anna

Zauberflügel - Ein Zauberpferd für Anna
Zauberflügel - Ein Zauberpferd für Anna
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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonJul 2013

Idee

Fantastische Geschichte mit warmherziger Alltagsphilosophie, versteckt in einem Pferdeabenteuer: ein altes Pony verwandelt sich in ein geflügeltes altes Pony, die kleine Anna muss ihm helfen, den Weg zur Zauberinsel zu finden.

Bilder

Kleine Wirbel aus Feenstaub um Seitenzahlen und Kapitelüberschriften. Alle paar Seiten eine unspektakuläre Schwarz-Weiß-Zeichnung, die gerade deshalb herzallerliebst ist.

Text

Die einfache Sprache und die vielen Selbstgespräche der Protagonistin machen das Buch leicht zu lesen – und gleichzeitig ist es spannend, anschaulich und interessant.

Annas Pony Jule ist nichts besonderes. Im Gegenteil: es ist klein, dick und alt und alle im Reitstall belächeln oder verspotten es. Eines Nachts aber passiert etwas wunderbares: Julchen wachsen Zauberflügel.

Dass ihr alter, struppiger, bockiger, heißgeliebter Reitschul-Gaul etwas ganz Besonderes ist, haben sich bestimmt die meisten Mädchen schon mal vorgestellt. Anna geht es genauso: ihrem Julchen, die sie von einem Gnadenhof gekauft hat, die klein ist, struppig und alt und oft zu klapprig, um geritten zu werden, ihrem Julchen wachsen eines Abends Flügel. Es ist Winter, es wird früh dunkel, der Mond scheint und Jule spaziert nach draußen. Und dann sind sie plötzlich da, die Flügel. Federweich, aber stark. Das ist nicht das einzig wunderbare, denn Anna kann auf einmal die Sprache der Tiere verstehen und sich mit ihnen unterhalten. Mit Jule und den anderen Pferden, mit dem Stallkater und auch mit dem kleinen Mäuschen im Stroh.

Jule ist in Wahrheit also ein Zauberpferd.
Und natürlich fliegen die beiden erst mal eine Runde.
Dann geht es an das Problem, die Flügel zu verstecken. Niemand soll es wissen. Aus Jule ist also nicht - wie aus dem häßlichen Entlein der Schwan - ein glanzvolles Edeleinhorn geworden, mit dem Anna es allen Spöttern mal so richtig zeigen kann. Nein, die beiden bleiben bodenständig - Jule ist immer noch dick und alt und klein und ihr tropft gelber Schnodder aus der Nase, wenn sie sich angestrengt hat - und sehr irdisch, trotz Flügeln. Wegen denen passt nämlich der Sattel nicht mehr. Also fliegen sie ohne - aber natürlich nicht ohne Helm. Es wird genau beschrieben, wie so ein fliegendes Pferd startet und dass es eine gewissen Anlauf braucht. Und dass es oben recht wackelig und eisekalt ist. (Beim nächsten Mal also lange Unterhosen anziehen!) Und die Flügel verstecken die beiden ganz handfest erst mal unter einer dicken Schicht Dreck.

Schön an dieser Heimlichkeit ist, dass sich Jule und Anna nie der rationalen Wirklichkeit stellen müssen; so schwebt die Geschichte zwischen den Welten. Ist es möglich? Oder hat Anna einfach eine lebhafte Fantasie und alles nur geträumt? Sie war doch müde gewesen, an dem Abend und hatte sich noch ein Weilchen ins Stroh gesetzt, um sich auszuruhen, bevor sie nach Hause radeln musste ..... Vielleicht sind ihr da die Augen zugefallen?

Die Geschichte von Jule und Anna ist als Lesefutter angelegt. Die Autorin hat es jedoch geschafft, allen Personen und Tieren einen Charakter zu geben und ihnen echtes Leben einzuhauchen. Auch wenn es die typischen Darsteller sind, die in ein Pferdebuch gehören: die Mutter, freundlich, aber mit wenig Zeit, weil berufstätig und allein erziehend; der harte, aber herzliche Reitlehrer, die gestresste Pferdepflegerin, die biestige Grete, die sich für etwas Besseres hält, weil sie ein eigenes Pferd hat und sich nicht wie Anna einen Teil der Stallmiete mit Stallausmisten verdienen muss.

Kleine Nebenbei-Szenen werden liebevoll und detailliert beschrieben: ob Anna nun den Tisch deckt oder in der Schule nicht aufpassen kann vor Aufregung und ihre Hefte mit Pferdchen vollkrakelt.

So ist es eben nicht einfach eine Geschichte vom Fließband, sondern wirklich die Geschichte von Anna und Jule. Und die nimmt schnell an Fahrt auf.
Denn Jule muss jetzt, nach ihrer Verwandlung, schnell nach Hause: auf die Insel der Flügelpferde. Dort ist das Gras immer saftig, es gibt sanfte Hügel und kleine Bäche und Sonnenschein. Pferde in allen Farben und Größen leben dort glücklich und zufrieden - ein wahres Pferdeparadies. Uns Erwachsenen ist sofort klar, es ist das Pferdeparadies. Aber auch hier schwebt die Geschichte zwischen den Möglichkeiten und Welten: stirbt da einfach nur ein altes Pferd? Oder erlebt da ein kleines Mädchen Abenteuer mit ihrem Zauberpferdchen und bringt es schließlich in dessen Heimat zurück? Oder sind vielleicht alle Pferde, die nicht mehr sind, nicht einfach nur weg, sondern in solch herrlichen ewigen Weidegründen? So oder so geht es um Abschied. Aber das Wort Tod kommt im Buch nicht einmal vor.

Leider ist die Geschichte, genauer gesagt, Band 1 auch sehr schnell zu Ende: gerade zwei Mal geflogen sind die beiden der Zauberinsel noch kein Stück näher gekommen. Die Schrift ist sehr groß, es passt also nur wenig Text ins Buch. Das ärgert Schnellleserinnen, die sich rasch Band 2, 3 und 4 besorgen müssen - Band 2 Das geheimnisvolle Amulett,
Band 3 Das rätselhafte Pergament und Band 4 Die Insel der Träume -in denen auch noch seitenweise Platz für Rückblenden und Erklärungen verbraucht wird, in denen Anna ein Medaillon und ein Buch findet, in dem alles steht, was sie wissen muss, und ein dicker Mann mit Glatze auftaucht, der als Kind ebenfalls ein geflügeltes Pferd heiß geliebt hat und auf die Insel gehen lassen musste. Der erste Versuch, die Insel zu finden, scheitert; Jule wird immer schwächer, aber natürlich geht es gut aus. Am Ende von Band vier ist Jule auf der Insel, Anna ist traurig, aber auch glücklich.

Alle, die sich mit dem Viel- und Schnelllesen (noch) schwer tun, werden durch diese Aufteilung auf vier Bände weder von der Dicke noch der Schriftgröße verschreckt. Und kommen in den Genuss einer zauberhaften Geschichte.

Fazit:

Auf den ersten Blick ist dieses Buch ganz normales Mädchen-Lesefutter. Es verwandelt sich nach den ersten Seiten aber schnell. Genau wie das kleine, dicke Pony Jule, das die Hauptrolle spielt. Keine große aber hübsche Besonderheit, für alle kleinen Mädchen, die solche Geschichten mögen. (Und ihre Mütter.)

Sigrid Tinz

 

Zauberflügel - Ein Zauberpferd für Anna

Karin Müller, Kosmos

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