[ab 11 Jahren]
Immer wenn es dunkel wird, kann der elfjährige Darwen die Welt hinter dem Spiegel betreten. Doch schon bald muss er erkennen, dass irgendetwas die heile, stille Welt "Silbricas" Welt bedroht. A.J. Hartley entspinnt eine fesselnde Geschichte mit geheimnisvollen Orten, Portalen, finsteren Wesen und der einzigen Macht, die ihnen erlaubt unsere Welt zu betreten. Kann Darwen diese dunklen Mächte mit Hilfe seiner Freunde Rich und Alex aufhalten?
Darwen Arkwright ist gerade elf, als er bei einem tragischen Verkehrsunfall beide Eltern verliert. Er muss die kleine Stadt im Nordwesten Englands verlassen und von jetzt an bei seiner Tante Honoria in Atlanta leben. Nicht nur sein nordenglischer Akzent lässt ihn auffallen - alles an ihm scheint dort, auf den breiten Straßen und in den tiefen Häuserschluchten Atlantas, wo niemand zu Fuß geht, fremd zu sein.
Bis er in einer Shopping-Mall er ein ganz und gar merkwürdiges Flugwesen entdeckt, das gerade einen kleinen Spatz verspeist. Er folgt diesem fremdartigen Tier, das Ähnlichkeit mit einer Fledermaus hat, aber dessen Kopf irgendwie menschlich wirkt. Weit ab vom Trubel des Einkaufszentrums landet Darwen schließlich vor einem ziemlich altertümlich wirkenden Spiegelgeschäft. Darwen macht Bekanntschaft mit Mr. Peregrine, dem Ladenbesitzer, der alte Spiegel zu horrenden Preis anbietet, dabei sehen sie allesamt sehr schäbig aus. Nach einem kurzen Gespräch übergibt der alte Mann dem verdutzten Jungen einen Spiegel, den er heimlich mit nach Hause nimmt. Dort angekommen, macht Darwen eine überaus merkwürdige Entdeckung. Im Spiegel kann er nicht nur eine andere Welt sehen, er kann sie sogar betreten!
Egal wie aufregend seine Entdeckung auch sein mag; Darwen muss am nächsten Tag auf die Eliteschule "Hillside Academy". Sein Einstand verläuft desaströs, doch zwei Mitschüler zeigen gleich Interesse an dem englischen Jungen, der so gar nicht in die Eliteschule passen will. Dabei sind Alexandra und Rich selbst sehr außergewöhnliche Kinder. Alexandra ist sehr klug, aber in ihren Aktionen ziemlich unberechenbar. Rich ist sehr belesen und schwärmt für Archäologie. Mit den anderen Mitschülern hat Darwen arge Probleme. Die Eliteschüler spielen ihre Überlegenheit aus wo sie nur können und bringen Darwen gleich zu Anfang in Schwierigkeiten.
Darwens Leben teilt sich von nun an in zwei verschiedene Realitäten: Zum einen das Leben in Hillside, zum anderen die Abenteuer in "Silbrica". Doch das Paradies, in dem er "Motte" die kleine Talfee kennen lernt und mit ihr Freundschaft schließt, ist unmittelbar bedroht. Er macht auch Bekanntschaft mit sehr gefährlichen Wesen, wie den Schrubblern, den Knatscher und dem unheimlichen Schattum. Doch ein Wesen führt diese Monster an; sie wollen über eine unbekannte Energie die Tore, die "Portulas", innerhalb und außerhalb ihrer Welt beherrschen.
A.J. Hartley erzählt in seinem ersten Jugendroman von einem Waisenjungen, der alles verliert und sich jedes Gefühl der Trauer versagt. Er macht - gleich der großen Distanz zwischen Nordengland und Amerika - einen tiefen Schnitt und will nicht mehr zurück blicken. In diesem Vakuum geschehen jedoch plötzlich Dinge, die er selbst kaum glauben mag, ihn über alle Maßen faszinieren und ihn zunächst ganz von seinem Gefühl der Verlorenheit ablenken. Doch während seines verrückten Abenteuers stößt Darwen immer wieder auf seine so trotzig verborgene Trauer und wird gezwungen, sich mit den schmerzlichen Gefühlen auseinander zu setzen. Dabei erweisen sind Alexandra und Rich als treue und aufrichtige Freunde, die, wenn sie ehrlich sind, selbst dringend gute Freunde brauchten. Am Ende sind sie Freunde, ohne Geheimnisse voreinander, Freunde, die sich mit all ihren Fehlern und Macken mögen und akzeptieren. Diese Art von aufrichtiger Freundschaft zeichnet die sehr humorvolleren Passagen von A.J. Hartleys erstem Fantasy-Roman für junge Leser/innen aus. Besonders die stets meinungsfreudige Alexandra sorgt bei den Jungen nicht selten für einen trockenen Spruch oder einen Augenverdreher, was nicht bedeutet, dass Alexandra sich nicht auch über die manchmal sehr eigensinnige "Jungs-Logik" wundert.
Mit dieser lebendigen Charakterisierung Hartleys entsteht eine Atmosphäre, die das Buch zu etwas besonderem macht - nicht zuletzt auch durch seine fantastischen Schauplätze und Wesen, die er hier zum Leben erweckt werden. Natürlich kann man auch hier Parallelen zu anderen Fantasy-Erzählungen ziehen. Die Energie-Gewinnung der monströsen Agitatoren erinnert schon ein wenig an die liebenswerte Story von Pixas "Monster-AG", obgleich hier nicht Kinder erschreckt werden müssen, um Energie zu gewinnen - aber die positive Energie, die Liebe, die gerade Kinder in sich tragen, liefert den so gegenteiligen Wesen eine mächtige Energiequelle. Denn alles das, was die Kinder sind, sind diese finsteren Wesen nicht.
Auch das Thema Tore oder Portale in eine andere Welt ist nicht neu, aber, wie auch alles andere, das A.J. Hartley hier erschafft, verleiht er seiner Geschichte einen ganz eigenen Dreh und gibt seinen Schauplätzen, Darstellern und Maschinen - die sehr an jene aus dem Steam-Punk-Genre erinnern - einen eigenen, originellen Schliff.
Im Wechselspiel zwischen den beiden Welten spielt A.J. Hartley mit der ständigen Bedrohung und liefert damit kein "weichgespültes" Fantasy-Abenteuer, doch durch seine geschickte Erzählweise ist es auch überhaupt nicht nötig, die schaurigen Momente auf die Spitze zu treiben: "Mr. Peregrines Geheimnis" ist eine stimmungsvolle, spannende Geschichte, die zwar mit der Gefahr und dem Gruselfaktor - besonders im Hinblick auf die ziemlich scheußlichen Gestalten - spielt, aber immer auf der positiven Seite bleibt. Gerade Kinder, die schon sämtliche Harry-Potter Romane gelesen haben, dürften sich mit diesem Buch gut unterhalten und auch herausgefordert fühlen.
Vom deutschen Verlag als Jugendbuch ab 12 Jahren empfohlen - wobei die Originalausgabe in den USA für die Altersgruppe von 9 bis 12 Jahren empfohlen wurde - finde ich dieses Buch durchaus schon für Elfjährige geeignet. Zwar stellt es sprachlich schon eine gewisse Herausforderung dar - gerade zu Anfang ist der Einstieg etwas holprig - doch im Verlauf bekommt die Erzählung zunehmend klare Strukturen. Sobald man sich also eingelesen hat, dürfte es für leseerfahrene Kinder kaum Hindernisse geben. Sehr schön fängt Hartley die Gefühle und Stimmungen der Protagonisten ein und lässt sie im Laufe des Abenteuers an den Herausforderungen wachsen. Dafür lässt er sich sehr viel Zeit. Dass dabei die Geschichte nicht immer so geradlinig und nur wenig vorhersagbar ist, dürfte für erfahrene Leser kein Manko darstellen, sondern eher ein Anreiz, noch tiefer in die Welt von Darwen und seinen Freunden einzutauchen. Dass die Geschichte dann doch ganz schön "flott" zu Ende ist, liegt wohl daran, dass doch noch die eine oder andere Frage offen bleibt. Aber für alle diejenigen, die die drei Freunde gerne noch etwas länger begleitet hätten, gibt es eine gute Nachricht: Es wird noch weitere Bände geben - voraussichtlich insgesamt drei. Wann diese jedoch auch als deutsche Ausgabe erscheinen, ist noch unklar.
Fazit:
"Mr. Peregrines Geheimnis" entführt in eine fremde Welt, in der jedes Abenteuer möglich ist und in der echte Freundschaft jedes Hindernis überwinden kann. Besonders reizvoll ist der Wechsel zwischen dem normalen Alltag und der fantastischen Welt jenseits der Spiegel. Die Atmosphäre und die außergewöhnlichen Ideen, die A.J. Hartley hier in seinem ersten Jugendroman zu einer neuen Fantasy-Welt verbindet, werden lesebegeisterte Jungs und Mädchen ab 11 Jahren von der ersten Seite an mitreißen. Für junge Fantasy-Fans genau das richtige.
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