Das laute Buch. Das leise Buch.

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonJul 2013

Idee

Ein verspieltes Wendebuch, das Leser dazu einlädt sich eine Reihe konkreter Situationen vorzustellen, in denen etwas entweder als „laut“ oder als „leise“ wahrgenommen wird. Eine sehr schöne Idee, originell umgesetzt.

Bilder

Auf visueller Ebene wird die Kontrastierung von „laut“ und „leise“ aufgenommen: matte grau- und braun Töne stehen gegen kräftige, leuchtend bunte Farben; weiße, ruhige Hintergründe setzen sich von stark bewegten ab.

Text

„Das Laut, wenn…“, bzw. „Das Leise, wenn…“ – mit diesen Worten setzt jede Seite des Buches ein und ruft mit wenigen Worten konkrete Situationen auf, die nicht selten zum Schmunzeln einladen.

Es gibt viele Arten von Leise" und "Es gibt jede Menge Arten von Laut" - mit diesen Sätzen beginnen die beiden Teile des Wendebilderbuchs "Das laute Buch. Das Leise Buch" der amerikanischen Kinder- und Sachbuchautorin Deborah Underwood. Mit einfachen Mitteln werden je 29 konkrete Situationen aufgerufen, in denen etwas entweder laut oder leise ist. Die LeserInnen sind dazu eingeladen sich ihrer eigenen Wahrnehmungen der verschiedenen Arten von Laut und Leise - vermutlich nicht selten mit einem Schmunzeln - zu erinnern oder sich auch darin zu versuchen diese nachzuahmen.

Das laute Buch. Das leise Buch ist ein Wendebilderbuch, d.h. es lässt sich beim ersten Aufschlagen nur bis zur Hälfte des Buchs lesen, danach sind alle Seiten verkehrt herum. Das Buch muss also wieder geschlossen und von der anderen Seite ebenfalls bis zur Hälfte gelesen werden. Die Wahl des Formats - die für Kinder schon in sich interessant sein kann - passt auch wunderbar zu der Verspieltheit des Bandes, der keine Geschichte erzählt, sondern Situationen sammelt, in denen wir etwas als laut oder leise wahrnehmen. Die Leser werden einerseits dazu angeregt sich an bestimmte Momente, Gefühle und Wahrnehmungen zu erinnern und andererseits werden sie zum Mitdenken aufgefordert. Genau deshalb bekommen die einzelnen Sätze "Das Laut, wenn...", bzw. "Das Leise wenn..." den charmanten Charakter von spontanen Einfällen, die auch beim Leser einen "Ach ja..."-Effekt und ein Gefühl der Freude und Vertrautheit hervorrufen.

Die scheinbar endlose Reihung von Situationen und Momenten, in denen etwas als laut oder leise empfunden wird, macht deutlich, dass unsere Wahrnehmung keineswegs absolut, sondern hochgradig kontextabhängig ist. Das Rascheln der Tüte im Kino beispielsweise würde in einer Disko wohl kaum als laut empfunden werden. Auch die Gefühle und die Assoziationen, die mit "laut" und "leise" verbunden sind, weichen stark voneinander ab und können je nach Situation absolut gegenteilig sein. Während "das Leise" Ausdruck von Traurigkeit, von Angst, von Unbehagen und Nachdenklichkeit sein kann, kann es ebenso von gesteigerter Aufmerksamkeit und Interesse, von Behaglichkeit und Entspannung oder von dem Innehalten vor einem positiven wie negativen Gefühlsausbruch zeugen. Während "das Laute" mit Freude, Ausgelassenheit, Feststimmung, Spiel und Spaß assoziiert werden kann, wird es ebenso mit der einschüchternden Kraft der Natur, mit dem Gefühl von Peinlichkeit wegen der Lautstärke unbeabsichtigter Geräusche oder mit plötzlichem Erschrecken verbunden werden. Das Gegensatzpaar wird auch in Zusammenhang gebracht mit spezifischen Materialeigenschaften (das Marmeladenbrot erzeugt beim Fall weniger Geräusche als das Buch), und mit bestimmten gesellschaftlich kodierten Funktionen (z.B. der hohen Lautstärke von Warnsignalen und Sirenen oder der vereinbarten Stille in Bibliotheken).

Die Bandbreite verschiedener Arten von "laut" und "leise" wird ergänzt durch Anspielungen auf die Verbindung verschiedener Sinne: "Das Laut, wenn du Ameisen krabbeln siehst." Genau diese Dimension scheint auch in der Gestaltung der Illustrationen auf, die das Gegensatzpaar "laut" und "leise" in eine visuelle Sprache übertragen. Die Bilder zu den beiden Teilen des Buches unterscheiden sich sowohl in Bezug auf Material, als auch auf Farbgebung und die Ausgestaltung des Hintergrundes. Die Seiten des "leisen" Buchs sind matt, die Farben sind in gedeckten Grau- und Brauntönen gehalten und die Hintergründe sind meist weiß oder einfarbig. Es sind wenig ablenkende Elemente auf den Seiten und die teils feinen Unterschiede des emotionalen Zustands der Kuscheltiere steht im Zentrum.

Das "laute" Buch ist auf glänzendem Papier gedruckt und die Illustrationen mischen kräftig-leuchtende Gelb- und Rottöne mit dem Grau und Braun der Fellfarben, zeigen chaotisch bewegte Hintergründe und betonen die entschieden extremeren Gesichtszüge der Figuren. Dennoch fällt die Illustratorin Renata Liwska, die für den Band auch eine Auszeichnung der Society of Illustrators erhielt an keiner Stelle in die weitverbreitete Kitsch-Ästhetik von zweidimensional wirkenden Teddys mit übergroßem Kopf, strahlenden Kulleraugen und einem breiten Grinsen. Die Bilder haben vielmehr einen ästhetischen Eigenwert und sind auch kein bloßes Beiwerk zum Text. Die Illustrationen machen den Text an vielen Stellen sogar fast überflüssig, da sie die geschilderten Situationen und Geschehnisse sich unmittelbar durch die Bilder vermitteln. Das erhöht den Spaß für die noch nicht lesenden ZuhörerInnen.

Der Kerngedanke des Bandes ist - trotz eines Ungleichgewichts im Nuancenreichtum von Arten des Lauten und des Leisen und ungeachtet des eher schwachen Identifikationspotentials der nur teils wiederkehrenden Figuren - wunderschön und die Lektüre wird jedem, der gerne mit Gedanken spielt, sehr viel Spaß machen. Es ist allerdings eher unwahrscheinlich, dass sich gerade kleinere Kinder ab 3 Jahren, für die der Band empfohlen wird, diesen zweimal je von Vorne bis zur Mitte vorlesen lassen. Das heißt aber nicht, dass Das laute Buch. Das leise Buch diese Zielgruppe verfehlt, es bietet sich vielmehr als Inspiration und Gedankensammlung für Groß und Klein und nicht nur als Vorlesebuch mit Anfang und Ende (welches es ja gerade nicht hat) an. Gerade zur Lektüre in Gruppen - etwa im Kindergarten - ist der Band besonders gut geeignet, denn er regt nicht nur zum Nachdenken, sondern auch zur Imitation der Geräusche und zum nachahmenden Spiel an.

Fazit:

Das laute Buch. Das leise Buch ist eine äußerst gewitzte Materialsammlung, die zur verspielten Auseinandersetzung mit der eigenen Wahrnehmung einlädt.

Anneka Esch-van Kan

 

Das laute Buch. Das leise Buch.

Deborah Underwood, Gerstenberg

Das laute Buch. Das leise Buch.

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