";Gehört das so?"; Diese Frage stellt sich tatsächlich, liest man die ersten Seiten des Buches. Was zunächst eher komisch daher kommt, entpuppt sich als sehr tiefsinnig und zeigt einmal mehr, wie unendlich schwierig und unbegreiflich, gleichzeitig aber wunderbar das Leben sein kann. Voraussetzung dafür: man ist ein Kind und lebt das, was man fühlt.
Ein Tag im Park. Nichts scheint irgendwie besonders zu sein, bis ein kleines Mädchen auftaucht, das mit grimmigem Gesicht eine alte, knallrote Handtasche hinter sich herschleifend, durch den Park hastet und immer wieder wildfremde Leute mit den Worten: ";Gehört das so?"; anschreit. Niemand weiß und versteht, was mit ihr lost ist. Eine Gruppe skurriler Gestalten beobachtet verwundert und interessiert das Mädchen, bis sich endlich jemand von ihnen traut und fragt was mit ihr los sei. Es stellt sich heraus, das Elvis, der Kanarienvogel des Mädchens, in der roten Handtasche liegt und tot ist.
Liebevoll und einfühlsam nimmt nun die Gruppe Anteil an der Trauer des kleinen Mädchens und hilft ihr, ein wenig Ordnung in ihre so sehr durcheinander gebrachte Gefühlswelt zu bringen. Der kleine Vogel bekommt ein feierliches Begräbnis, man nimmt sich Zeit für den Abschied, weint zusammen, lässt das Mädchen von Elvis erzählen. Am Ende kann man sogar gemeinsam wieder ein bisschen lachen und dankbar sein für Hilfe, Verständnis und neue Freundschaft.
Nicht nur der Titel des Buches ist außergewöhnlich. Auch das Thema und die Herangehensweise weichen sicher vom Gebräuchlichen ab. Treffsicher formuliert Peter Schössow bereits den einzigen Satz auf der ersten Seite: ";Erst wussten wir gar nicht, was los war."; Genau so geht es dem Betrachter sicherlich auch. Wir blicken auf eine Illustration, die eine Mischung aus bearbeiteter Fotografie und Comiczeichnung zeigt. Die Hintergründe wirken fotografisch und blass, die Hauptdarsteller kantig im Comic-Stil gezeichnet mit klaren Linien und kräftigen Farben.
Diese ungewöhnliche Darstellung wird noch verstärkt durch die Charaktere an sich. Eine Gruppe eigenartiger aber sympathischer Gestalten: ein sehr kleiner Mann mit Koffer, eine Grille mit menschlichem Körper, ein Dackel, ein Bär, ein dicker Mann und ein langes dünnes Mädchen bilden neben der eigentlichen Hauptdarstellerin, dem wütendem Mädchen mit der knallroten Handtasche, den Mittelpunkt der Geschichte. In knappen, umgangssprachlichen und teils grammatikalisch unvollständigen Sätzen (";Wir nichts wie hinterher. Der mit der feinsten Nase vorneweg";) lässt Peter Schössow einen seiner Protagonisten erzählen.
Diese schnörkellose und direkte Sprache führt uns durch die Geschichte und trifft uns hart, als wir nun endlich den Grund für die höchst eigenartige Stimmung des kleinen Mädchens erfahren: Elvis, ihr Kanarienvogel, ist tot. Gleichzeitig blicken wir von oben herab auf das unsagbar traurige Mädchen, das seine geöffnete Handtasche vor sich hält und ihren kleinen, toten Kanarienvogel offenbart. Hier gibt es in der Geschichte beim Leser und Betrachter einen Wendepunkt, plötzlich versteht man, worum es geht, ergriffen fühlt man mit dem Mädchen, das den wallenden Strom von Gefühlen so wenig kanalisieren kann.
Zwar fasst sich der Erzähler weiterhin kurz und knapp, aber der Tonfall wird gefälliger und wärmer. Die Darsteller, nun aus der Perspektive des in der Tasche liegenden Vogels betrachtet, wirken zwar immer noch skurril, aber anrührend. Glücklicher Weise mischt Peter Schössow seiner Geschichte eine gehörige Portion (schwarzen) Humor bei, denn so fällt es dem Vorleser und hauptsächlich auch dem zuhörenden Kind leichter, der feierlichen Beerdigung des Vogels, und dem Moment der Abschiednahme, als das Mädchen die knallrote Tasche noch einmal ganz fest an sich drückt, beizuwohnen.
Mit großen Augen sehen und lesen wir, dass sich unsere Darsteller zusammensetzen, um sich Geschichten von Elvis erzählen zu lassen. Dann weinen sie zusammen und nehmen sich in die Arme. Schließlich finden sie gemeinsam einen Weg um mit ihren Gefühlen besser klar zu kommen, sie stellen sich vor, daß der Kanarien-Elvis den Elvis Presley im Himmel trifft und sie gemeinsam singen. Am Ende geht das Mädchen ohne die rote Tasche, in der sie all ihre Trauer und ihren Kummer hinter sich her zog nach Hause. Es bleibt die Traurigkeit über einen Verlust, aber gleichzeitig hat dieses Erlebnis dem kleinen Mädchen eine große Bereicherung beschert: Dank anderer Menschen, die sich etwas getraut haben, hat es den großen Wert von Freundschaft kennengelernt und das Gefühl des Alleinseins verloren.
Fazit:
Ein Buch mit vielen Gesichtern, skurril und doch voller Poesie. Ein Buch vom Abschiednehmen, vom Traurigsein, von Freundschaft, Anteilnahme und Hilfsbereitschaft. Ein Trostbuch für die Kleinen und ein Lehrbuch für die Großen. Aber auch ein Buch zum Schmunzeln.
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