Die Insel

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonMai 2013

Idee

Ein Bär aus Wolken steigt aus der Luft und reist über die Weltmeere und durch traumhafte Landschaften, bis er auf einer Insel mit einem kleinen Waschbär ein neues Zuhause findet.

Bilder

Jede Doppelseite zeigt sanft und träumerisch das Meer und den Horizont, jedes Mal in einer anderen Grundfarbe, bevölkert mit hübschen, kleinen, bunten, exakt gezeichneten Tieren. Erholung für Auge und Seele.

[ab 5 Jahren]

Ein weißer Bär steigt aus einer Wolke und paddelt durchs Meer. Unterwegs trifft er jede Menge farbenfrohe Tiere, manche begleiten ihn ein Stück. Irgendwann gelangt er an eine Insel, auf der ein Waschbär lebt. Und da bleibt der Wolkenbär dann.

"Schau mal, die Wolke. Die sieht aus wie ein Bär." Solche Ausrufe kennt vielleicht jeder. Von sich selbst, von früher oder von seinen Kindern. Und wer gerade Zeit zu träumen hat, der denkt sich eine Geschichte dazu aus.

So ähnlich ist es auch in diesem Buch: auf der ersten Seite ist nur eine Wolke zu sehen, auf der nächsten Seite steigt ein weißer Bär daraus herunter. Aus dem hellen Himmelsblau immer tiefer an einer Strickleiter, bis er auf der übernächsten Seite auf einer sandgelben Insel landet, die von schwarz-weißen Vögeln bevölkert ist.
Keine Pinguine übrigens, sondern Papageitaucher. Auch die anderen Tiere, die der Wolkenbär im Laufe des Buches trifft, sind andere als die typischen Kinderbuch-Tiere von Affe bis Ziege. Sondern: Quallen, Truthähne, ein Pfau, Nashörner, Faultiere und sogar der längst ausgestorbene Dodo-Vogel. Die Tiere sind, gemessen an den großen Seiten, verhältnismäßig klein gezeichnet, mit dünnem schwarzen Strich umrandet und leuchtend bunt ausgemalt. Mit einer feinen Mimik und doch sehr am natürlichen Vorbild: hübsch.

Jede Doppelseite zeigt in der immer gleichen Perspektive - unten das Meer, oben der Horizont - eine andere Landschafts-Szene: Wellen, Vogelfelsen, endlose Weiten, Inseln. Die Farbe und Stimmung wechselt von Karibikblau zu Abendrot, Sonnenaufgangsorange, Eismeerweiß oder Nebelgrau. Neben den Tieren und der Landschaft stehen, fliegen oder schwimmen auf vielen Seiten filigrane, surrealistisch anmutende Gebilde, die wie Gerüste, Wasserräder, Brücken oder Flöße aussehen. Auf manchen schippert unser Wolkenbär von Szene zu Szene. Denn er zieht immer weiter, begleitet mal von dem einen, mal von dem anderen Tier. Bis er zu einer Insel kommt, auf der ein geigespielender Waschbär lebt. Auf der letzten Seite sitzen Waschbär und Wolkenbär Arm in Arm, schauen in den Nachthimmel und beobachten Sternschnuppen.
Und wenn sie nicht gestorben sind....

Ob die Geschichte genau so geht, steht nicht fest. "Die Insel" ist nämlich ein so genanntes "silent book", ein Buch ohne Worte also. Die Geschichte wird nur von den Bildern erzählt, es gibt keinerlei Text, der Richtung und Bedeutung vorgibt.

Silent books verhalten sich zu normalen Büchern so wie ein normales Buch zum Fernsehschauen: es ist anstrengender. Es einem Kind einfach so runterlesen und dabei in Gedanken den Einkaufszettel schreiben, das geht zwar, funktioniert aber nicht so gut. Es braucht Zeit, Fantasie und auch Konzentration, um die Geschichte überhaupt zu finden. Und als textfixierter Vorleser muss man das komische Gefühl aushalten, vielleicht die "falsche" Geschichte zu erzählen, nicht die, die die Autoren gemeint haben. Oder die die beste wäre, die schönste für das Kind.

Genauso wenig, wie es alle Kinder und Eltern mögen, den Wolken nachzusehen und Dinge, Tiere und Wesen in ihnen zu erkennen, mag es jeder, Bücher ohne Worte anzuschauen und zu erzählen. Aber ein Versuch lohnt sich. Denn nach ein paar Mal kommen die Geschichten; sie bilden sich wie Trampelpfade in einem unberührten Stück Natur. Die Tiere verlieren ihre Distanz, werden vertraut und bekommen Charakter. Und dann hat jede Familie auf ein Mal ihr ganz persönliches Buch im Regal stehen.

"Die Insel" hat übrigens einen Vorgängerband: "Das Baumhaus". Auch das ist ein Buch ohne Worte; auch darin spielt der weiße Bär die Hauptrolle, war für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und hat den Troisdorfer Bilderbuchpreis erhalten. Wer den Wolkenbären also mag, der kauft sich beide Bände und hat zwei Bücher wie ein Traum, mit denen Kinder und Erwachsene innerlich auf Reisen gehen können.

Fazit:

In einem Buch ohne Worte müssen sich Eltern und Kinder ihren eigenen Weg durch die Bilder suchen. Wer sich einlässt, den kleinen weißen Wolkenbären zu begleiten, auf seiner Reise durch die träumerischen, ruhigen, schönen Wasserlandschaften, wird sich danach irgendwie erholt fühlen. Ein bisschen so, wie nach einer kurzen Auszeit am Meer.

Sigrid Tinz

 

Die Insel

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