[ab 5 Jahren]
Erdmännchen sind sehr klein. Ihre Wünsche dagegen können riesengroß sein. So geht es auch Tafiti. Sein innigster Wunsch: Er möchte unbedingt herausfinden, was sich hinter dem geheimnisvollen Hügel in der Ferne verbirgt...
Tafiti klettert los, rutscht an einer steilen Böschung ab. Doch er macht unermüdlich weiter, steigt höher und höher. Gleich ist er oben, streckt den Hals - und wacht auf. Schon tausendmal hatte er diesen Traum. Und tausendmal ist er aufgewacht - immer ein paar Sekunden zu früh.
Tief in der afrikanischen Savanne, zwischen Affenbrotbäumen und Akazien wohnt Tafiti mit seiner Familie in einer gemütlichen Erdhöhle. Das Feuer knistert an der Kochstelle und Opapa erzählt alte Geschichten vom Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Uropa, der damals eine gefährliche Reise unternahm. Tafiti kennt die Geschichten in- und auswendig. Trotzdem hört er immer wieder gerne zu. Auch er möchte einmal ein richtiges Abenteuer erleben. Er wüsste genau, was er machen würde. Er würde auf den hohen Hügel steigen, um zu sehen was dahinter ist. Genauso wie er es in seinen Träumen schon tausendmal erlebt hat.
"Hinter dem hohen Hügel ist nichts. Da ist die Welt zu Ende!" ist die einzige Antwort die er auf seine Fragen erhält. Doch Tafiti glaubt dies nicht. Er hat es beobachtet: Von dort kommen die Gnus und die Zebras und viele andere. Und die können schließlich nicht aus dem Nichts auftauchen!
Opapas Erzählungen wecken in Tafiti die Abenteuerlust. Er packt seinen Rucksack und steckt noch ein paar Stücke von Omas köstlichem Kuchen ein, der ihm im Laufe der Geschichte des Öfteren aus der Patsche helfen wird. Immer den hohen Berg vor Augen, macht sich Tafiti auf den Weg. Bis er jedoch auf dem Gipfel steht, muss er noch King Kofi, den gefährlichen Löwen, austricksen und Mister Gogo, den Adler, in die Flucht schlagen. Ein Unwetter muss ausgestanden und ein reißender Fluss überquert werden. Doch das ist alles nicht so schlimm, denn Tafiti hat einen besten Freund gefunden, das Schwein Pinsel. Gemeinsam stehen sie die Gefahren durch und merken, dass zu zweit alles viel einfacher ist.
Endlich ist es soweit. Doch ganz anders als in seinen Träumen ist Tafiti nicht allein. Sein Freund Pinsel und er laufen Seite an Seite den hohen Hügel hinauf. Sie sind oben. Ganz oben. Und sie blicken gemeinsam hinab auf die andere geheimnisvolle Seite.
Kindliche Neugier, macht aus jedem, was er heute ist. Julia Boehme greift damit ein existenzielles Thema auf. Die Autorin - die übrigens schon viele Kinderhelden erschaffen hat, wie beispielsweise die Conny der gleichnamigen Kinderbuchreihe - schafft auch hier einen äußerst sympathischen Helden. Tafiti gibt sich mit Leichtigkeit dem kindlichen Trieb voll und ganz hin und erobert damit nicht nur die Welt um sich, sondern auch die Herzen der Leser. Trafiti ist eine sehr eigenständige Figur, dessen kindliche Naivität ebenso zu spüren ist, wie eine gewisse Selbstsicherheit.
In Kind gerechter Sprache, mit einfacher Wortwahl und kurzen Dialogen lässt die Autorin dem Spürsinn und der Neugier ihres Protagonisten freien Lauf und schafft es mit einer sehr spannend erzählten Geschichte, den Leser in Atem zu halten. Dem geschilderten Abenteuer fehlt es an nichts: Feinde müssen besiegt, Berge erklommen, rauschende Flüsse überquert, um letztendlich belohnt zu werden. Ein sehr klassisches Schema, das Erfolg verspricht. Manche mögen sich am Anfang an die Opodeldoks von Paul Maar und Sepp Strubel erinnert fühlen: Gerade das über die Berge gucken und der "Oberdeldok", der sagt, dass es hinter den Bergen nichts gäbe, ist auch hier der Beginn eines großen Abenteuers, allerdings mit anderem Fortgang. Julia Boehme versteht es, trotz aller Vorausahnung, den Spannungsbogen zu halten.
Dass sogar den gemeinsten Figuren im Buch eine liebenswerte Seite abgewonnen wird, ist den Illustrationen von Julia Ginsbach zu verdanken. Mit verspieltem Strich verpasst sie den Tieren charakteristische Züge und schafft damit eine niedlich anmutende Tierwelt. Wenn beispielsweise das Schwein Pinsel mit weit aufgerissenen Augen, vor Aktionismus regelrecht sprüht oder die Kraus gezogene Stirn Tafitis von einer Sekunde zur nächsten die Arglosigkeit wegwischt und Angst ins Spiel bringt. Die Bilder machen es dem Leser leicht, in die Situationen einzutauchen. So strahlt die heimatliche Erdhöhle regelrecht vor Wärme und Gemütlichkeit oder der reißende Fluss lässt Kälte und Feuchte spüren.
Das Bild-Text-Verhältnis ist ausgewogen, so dass man viel zum Lesen und viel zum Schauen hat. Die Schrift orientiert sich an der für Schulanfänger gängigen Textgröße und Schriftart, wodurch das Kind zum Selber lesen motiviert ist. Somit ist das Buch perfekt für die Altersgruppe, die sich noch auf Bilder und erstes Lesen konzentrieren. Zugleich hilfreich und verlockend, ein gemaltes Tierregister und eine Landkarte des Reiseverlaufs in den beiden Buchdeckelseiten.
Fazit:
"Tafiti und die Reise ans Ende der Welt" ist ein spannungsreiches Buch über die kindliche Neugier, die Welt zu entdecken. Es ist ein Buch über Abenteuerlust, Freundschaft aber auch Heimat, denn dahin zieht es Tafiti nach seinem großen Abenteuer zurück. Das Buch ermutigt Kinder, ihren Weg zu gehen. Verschweigt dabei aber nicht, dass nicht immer alles glatt laufen muss, sondern auch eine gehörige Portion Glück dazu gehört.
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