Finnas Pferde

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Kinderbuch Couch
85%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonApr 2013

Idee

Bullerbü auf isländisch: Vier Höfe, sechs Kinder, ein grantiger alter Pferdezüchter, eine geschichtenerzählende Kräuterfrau und viel, viele Ponys.

Text

An die Sprache muss man sich ein wenig gewöhnen, dann liest sie sich aber so, wie man sich das Leben auf Island vorstellt: bedächtig, schlicht, ruhig und doch ausdrucksstark.

Island ist für uns Mitteleuropäer etwas Besonderes: die Landschaft und die Vulkane, die Geschichten über Feen, Zwerge, das raue Wetter und das harte Leben. Hier lebt der knurrige Pferdezüchter Einar, die Kräuterfrau Stefania, die kleine Finna, ihre Familie und ganze Herden von Islandponys. Von ihrem Alltag erzählt dieses Buch.

Es gibt Bücher, die lassen sich eindeutig in ein bestimmtes Regalfach einsortieren: Kinderkrimi, historischer Roman, Pferde-Mädchen-Buch, problem- oder lösungsorientierte Alltagsgeschichte, Fantasy. Oder, oder, oder. Und es gibt Bücher, bei denen geht das nicht. Die sind von allem etwas und noch viel mehr; weil ihr Autor oder ihre Autorin Figuren und Inhalt nicht auf eine bestimmte Moral oder auf die Interessen einer bestimmten Zielgruppe ausgerichtet haben. Sondern einfach eine Geschichte erzählen über Menschen, Tiere, Länder, über kleine und große, glückliche und unglückliche Momente, wie es sie im Leben halt gibt.

"Finnas Pferde" ist so ein Buch. Es beschreibt mehrere Jahre aus dem Leben auf vier verstreuten Höfen mitten in Island: insgesamt acht Kinder, zwei Elternpaare, zwei alleinstehende Frauen und ein alter Pferdezüchter leben hier und Tinni, Lappi, Hylur, Nykur, Garpur und viele, viele andere Islandponys. Es erzählt von kurzen Sommern und langen Wintern, von Wiesen, Bergen, Flüssen, Festen, Bräuchen. Mal ist die Kräuterfrau Stefania die Hauptperson, mal der alte Einar, mal läuft die Geschichte ab aus der Sicht des Hengstes Garpur, mal aus der des Mädchens Finna.

Ein bisschen ist das Buch wie Bullerbü - nur ist das Wetter rauer, das Leben weniger idyllisch, der knurrige Einar ist wirklich böse und schroff und nicht ein im Grunde gutmütiger Petterson. Auch der Tonfall ist anders: bedächtig, ernsthaft, geradeheraus, aber freundlich, durchaus mit Humor und mit einem Hang zur Mystik. Aber stellen wir uns nicht genau so die Isländer und ihr Land vor?

Finnas Pferde ist ein schönes Buch. Und sehr gehaltvoll - das ist durchaus wörtlich gemeint: die Schrift ist sehr klein gedruckt, so dass auf die 195 Seiten deutlich mehr Text passt als gewöhnlich für ein Buch dieser Größe.

Aber es ist nicht das Pferde-Mädchen-Lesefutter, als das es der Titel und das violette Cover mit dem zotteligen Isländer und den blumigen Ornamenten anpreist. Warum auch immer sich der Verlag dafür entschieden hat. Vielleicht, weil Pferdemädchen eine sehr kauf- und lesefreudige Zielgruppe sind. Allerdings sind sie nicht so schlicht wie vielleicht manches Buch, das sie kaufen und lesen. Und sie merken schnell, dass es hier nicht hauptsächlich um Finna geht und um Pferde. Das Wort "Pferd" taucht zum ersten Mal überhaupt auf Seite 3 auf, Finna ist erst sechs Jahre alt, nicht die Hauptperson und sowieso keine, die den ganzen Tag im Stall ist, weiche Schnauzen streichelt, Mähnen krault und Hufe auf Hochglanz poliert. Sie lernt sogar erst auf Seite 87 reiten! Und deshalb wird das Buch im Laden, im Bücherei-Regal oder spätestens auf dem Nachtschränkchen liegen bleiben. Angelesen. Ungelesen.

Aber es gibt eine Zielgruppe für dieses Buch und die bilden Eltern, die zwei, drei Kinder haben und denen abends allen zusammen eine Geschichte vorlesen, und dafür brauchen sie ein Unisex-Allage- Everyinterest-Buch. Und "Finnas Pferde" ist so eines: Der Kleine wird die Geschichten vom versteinerten Zwerg Alwiss oder von den Wasserpferden lieben, die die alte Stefania immer erzählt; die Große fliegt mit dem Hengst Garpur über die isländische Weite und freut sich auf Finnas nächsten heimlichen Ausritt. Alle sind ängstlich-amüsiert über den alten Grantler Einar und fasziniert von diesem fremden Land - von dem das Buch übrigens einen recht lebendigen und authentischen Eindruck vermittelt, so weit man das als Nichtisländerin beurteilen kann - und von seinen seltsamen Gepflogenheiten.

Zugegeben, dies spricht vielleicht eine nicht so klar umrissene Zielgruppe an. Aber vielleicht wird mit dieser Rezension so manche Mutter oder so mancher Vater aufmerksam, auf ein Buch, das die ganze Familie begeistern kann.

Fazit:

Titel und Cover lassen eine weitere Pferdemädchengeschichte aus dem in Pferde-Mädchen-Büchern beliebten Island vermuten; in Wirklichkeit ist das Buch eine gehaltvolle Geschichte über Island, Kinder, Pferde und Sagengestalten; ideal, um es Kindern unterschiedlichsten Alters und mit verschieden Interessen vorzulesen.

Sigrid Tinz

 

Finnas Pferde

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