Der Letzte Tiger
- Kerle bei Herder
- Erschienen: Januar 2013
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In einer tristen und leblosen Zukunft begegnen sich ein kleiner Junge und das einzige überlebende Tier, der letzte Tiger. Gemeinsam bringen sie Farbe zurück in das Grau der Großstadt, führen die Städter in einen geheimen Garten und vermitteln ein Bewusstsein für die Schönheit und Wichtigkeit von Tieren und Natur. Eine traurig schöne Geschichte voller Hoffnung, die gerade durch ihre Einfachheit, Ruhe und liebevoll melancholische Stille besticht.
Der kleine Junge Luka sitzt einsam in einer Blechtonne und versteckt sich vor "einer merkwürdigen Welt [...], in der die Menschen vergessen hatten, was wichtig ist". Um Luka herum türmen sich Berge von Industrieschrott und im Hintergrund verdeckt eine bombastische Skyline den Himmel. Ebenso einsam wie Luka streift der letzte Tiger durch die lebensfeindliche Umgebung, in der es keine Blumen, keine Bäume, keine Tiere und keine spielenden Kinder mehr gibt.
Eines Tages verfängt sich der Tiger mit seiner Tatze in einer Blechbüchse. Luka findet und befreit ihn. Zum ersten Mal schenkt der Tiger Luka sein stummes Lächeln und Nicken, das auf liebevolle Art und Weise Verständnis, Zuneigung und ein tiefes Gefühl von Hoffnung vermittelt. Der Tiger verschwindet in einer Höhle und kehrt mit einem Geschenk zurück: eine einzelne kleine Blume, die in eine Blechdose gepflanzt ist. Die Blume bringt Leben und ein erstes fröhliches Lachen in die farblose Welt der Stadt.
Luka und der letzte Tiger werden beste Freunde und spielen in scheinbar unbeobachteten Momenten ausgelassen miteinander. Schließlich werden sie aber entdeckt und von einem futuristischen Flugobjekt aus wird ein Netz ausgeworfen, um den Tiger zu fangen. In einen Käfig gesperrt wird er in der Stadt als Attraktion ausgestellt. Luka ist hilflos und weiß nicht, wie er den Tiger befreien kann.
Luka geht in die Höhle des Tigers und entdeckt dort einen wunderschönen großen Garten voller Leben, farbenprächtigen Blumen und vergnügten Tieren. Er kämpft sich zum Käfig vor und fragt den Tiger, ob er den Menschen diesen Ort zeigen dürfe und wieder lächelt der Tiger und nickt. Im Anblick des grünen Paradieses erkennen die Städter die Schönheit der Natur und finden zu ihrem Lachen und zur Freude am Leben zurück...
In der Begegnung zwischen dem Jungen und dem Tiger, in der sich die beiden Wesen wahrhaft erkennen und Freundschaft schließen, verbinden sich zwei Welten. "Der Letzte Tiger" vermittelt Hoffnung und die Vision einer Zukunft, in der sich Mensch, Stadt und Natur verbrüdern.
"Der Letzte Tiger" kommt mit wenigen Worten aus und erzählt die einfache aber bedeutungsschwere Geschichte durch detailreiche Bilder, insbesondere durch deren nuancenreiche Farbgestaltung und Musterung. Dabei ist "Der Letzte Tiger" durch und durch poetisch. Die verspielte Schrift ist harmonisch ins Bild integriert. Die Farbflächen sind durchgehend gemustert. Die Musterung der Stadtbilder erweckt den Eindruck, als ob sich das Material durchdrückt: eine Leinwand oder Tapete? Teils könnte man vermuten, dass sich die Verästelungen eines Blattes (vom Baum) abzeichnen. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt! Das Fell des Tigers hat ein Blumenmuster, das an die Rollstempelbilder von Kindern erinnert. Zunehmend überträgt sich die variantenreiche Blumenmusterung auch auf den Hintergrund und unterstreicht somit nochmals die Rückkehr der Natur und ihrer Schönheit, die schon durch die wandelnde Farbgebung markiert wird.
Die schwunghaften schwarzen Umrandungen erinnern an Kohle- oder Bleistiftzeichnungen. Die gelbliche Färbung des Tigers und das Rot von Lukas Oberteil stechen deutlich aus der gräulich-matten Umgebung heraus. Die kräftigen, freundlichen und klaren Farben des Gartens bilden einen starken Kontrast zum Bild der grau vernebelten Stadt. Als der Natur wieder Platz eingeräumt wird, ist auch der Himmel, der sich den Horizont mit den Hochhäusern teilt, wieder hellblau und lädt strahlend die Vögel zum Flug ein. Ein Regenbogen signalisiert, dass nach einer grau verregneten Zeit die Sonne endlich wieder scheint. Der große Garten, der nun direkt an die Wand aus Hochhäusern angrenzt erinnert an den fast surrealen Eindruck, den ein Spaziergang durch New Yorks Central Park erwecken kann.
Ist Manhattan also eine Lösung für die bereits überdeutlichen fatalen Folgen des Spannungsverhältnisses zwischen Natur und (Stadt)Kultur? Wohl eher nicht. Aber darum geht es in "Der Letzte Tiger" auch nicht: im Zentrum steht die Schaffung eines Bewusstseins für die Schönheit und Lebensnotwendigkeit von Natur und Tierwelt. Diesem Ziel wird das Bilderbuch für Kinder ab drei Jahren auf sehr gedankenreiche und liebevolle Art und Weise gerecht.
Fazit:
Eine traurig schöne und hoffnungsvolle Zukunftsvision. Ein visuelles Gedicht, das die Kinder auf liebevolle Art mit den fatalen Konsequenzen moderner Lebensweisen konfrontiert.
Rebecca Elliott, Kerle bei Herder
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