Ein Jahr ohne Juli
- Fischer Schatzinsel
- Erschienen: Dezember 2012
- 3
Ausgezeichnet mit dem Kinderbuch-Couch-Star*. Kinderbuch des Monats [12.2012]. Jenny und Juli sind die allerbesten Freundinnen auf der Welt. Sie verbringen ihre gesamte Freizeit miteinander und sind einfach glücklich. Bis Jenny von einer Minute auf die andere ein ganzes Jahr verliert, in dem Julis Familie etwas Schreckliches zugestoßen ist. Juli ist plötzlich völlig verändert und Jenny versteht die Welt nicht mehr...
Juli ist Jennys beste Freundin. Ihr kann sie alles erzählen und man kann mit ihr die verrücktesten Dinge erleben. Juli hat immer kreative Ideen, kann nie lange still sitzen und hat das fröhlichste Lächeln der Welt. Jenny ist da eher etwas zurückhaltender und geht ein bisschen vorsichtiger an alles heran, vielleicht auch ein bisschen ängstlich. Gemeinsam sind sie ein tolles Team und es vergeht kaum eine freie Minute, die die beiden nicht miteinander verbringen um sich gegenseitig wirklich alles zu erzählen. Auch ihre Urlaube verbringen sie jedes Jahr mit ihren Eltern und dem jeweils kleineren Bruder gemeinsam im Riverside Village.
Jenny und Juli verabreden sich wie immer gleich am Tag nach ihrer Anreise in Riverside für eine spannende Freizeitaktivität: Sie wollen gemeinsam Reiten gehen. Doch als Jenny in dem Gebäude von Julis Wohnung im ersten Stock aus dem uralten Aufzug steigt, der nach vielen Jahren wieder in Betrieb ist, steht ihr Leben plötzlich Kopf. Denn in dem Apartment in dem Juli und ihre Familie schon immer wohnten, öffnet plötzlich eine völlig fremde ältere Dame die Tür, die Juli nicht kennt. Als Jenny endlich herausgefunden hat, wo Juli zu finden ist, ist sie völlig irritiert. Die neue Wohnung ist viel kleiner und Juli ist überhaupt nicht mehr das fröhliche Mädchen. Sie hat strähniges Haar, ihr Gesicht ist eingefallen und sie ist sehr niedergeschlagen. Julis Mutter verlässt das Bett nicht mehr und ihr Vater trinkt schon am frühen Nachmittag im Pub Bier.
Jenny begreift diese seltsame Situation nicht. Eben waren sie doch noch zum Reiten verabredet. Als Jenny sie darauf anspricht, fährt Juli wie unter einem Hieb zusammen, und findet das nicht witzig, während Jenny immer weniger versteht. Nach und nach findet sie jedoch heraus, was passiert ist. Obwohl sie heute Morgen noch 12 und die Welt in Ordnung war, scheint auf unerklärliche Weise ein ganzes Jahr vergangen zu sein, ohne dass sie selbst dabei war. Und weil sie nie zum verabredeten Reittermin erschienen ist, ritt stattdessen Julis kleiner Bruder Mikey mit. Das Pferd auf dem er saß warf ihn ab und seit dem liegt er im Koma im Krankenhaus.
Auch Jennys Familie ist völlig verstört durch diesen Vorfall. Ihre Mutter, die heute Morgen noch hoch schwanger war, hält nun Jennys einjährige Schwester im Arm und ist durch Mikeys Unfall völlig panisch, dass ihrem Baby etwas Ähnliches passieren könnte. Deswegen streiten sich die Eltern andauernd über Sicherheitsfragen im Haushalt.
Endlich wird Jenny klar, was passiert sein muss. Der Aufzug muss sie in die Zukunft gebracht haben: Ein Stockwerk rauf, ein Jahr vor. Schnurstraks läuft sie dorthin zurück und fährt mit dem Aufzug wieder ins Erdgeschoss, doch sie kommt zu spät: Als sie wieder in der Gegenwart ankommt, ist der Unfall schon geschehen. Verwirrt und von einer inneren Neugierde angetrieben, fährt sie auch in den zweiten und dann in den dritten Stock. Doch was sie dort erfährt, ist noch viel Schlimmer.
Wie soll Jenny das nur alles wieder gerade rücken und ihre beste Freundin zurück gewinnen?
Liz Kesslers "Ein Jahr ohne Juli" ist eine äußerst spannende und bewegende Geschichte für junge Mädchen. Sie wird in der Ich-Perspektive aus Jennys Sicht beschrieben, was eine direkte Verbindung zur Hauptfigur entstehen lässt. Der Leser erfährt hautnah Jennys Gefühle; ihre Freude, ihre Trauer und vor allem ihre Verwirrung, über die ungewohnte Situation. Außerdem ruft diese Perspektive eine fesselnde Spannung hervor, denn man weiß nie mehr als Jenny und diese muss sich ihre Informationen alle hart erarbeiten. Dabei kämpft sie im wahrsten Sinne des Wortes gegen die Zeit an. Die Autorin schafft es sogar, das Geheimnis um den Aufzug geschickt zu kaschieren, dass der Zusammenhang nicht sofort ins Auge springt.
Das besondere Etwas an diesem Buch ist sicherlich die Kombination der verschiedenen Themen Zeitreise, Freundschaft und die schreckliche Tragödie. Die enge Freundschaft von Jenny und Juli, als Grundlage der Geschichte, hilft Mädchen, sich schnell mit den beiden Hauptfiguren zu identifizieren. Die Zeitsprünge bringen Abwechslung in die Handlung und zeigen sehr deutlich was eine wahre Freundschaft bedeutet: Jenny kämpft um Juli, was auch immer in den vergangenen Jahren passiert sein mag. Der furchtbare Unfall von Julis kleinem Bruder Mikey dagegen sorgt für andauernde Neugier bei den Leser/innen. Liz Kessler erweckt unversehens eine starke Empathie für den kleinen Jungen und alle seine Angehörigen. Und vor allem ist er der Motor der Spannung: Zunächst weiß man nicht was passiert ist und dann kann man das Buch nicht mehr zur Seite legen, weil man herauszufinden will, ob Jenny sein schlimmes Schicksal noch abwenden und somit die Freundschaft zu Juli retten kann.
Der Reitunfall sorgt auch für den speziellen Tiefgang des Buches. Liz Kessler beschreibt das Schicksal des kleinen Mikey und dessen Folgen für alle Beteiligten sehr nahe an der Realität. Es wird ein erschreckendes Unglück beschrieben, wie es jedem passieren kann. Aber die Autorin zeigt auch, dass es wichtig ist nie aufzugeben und immer für eine gute Freundschaft und das Glück zu kämpfen. Denn wenn man nicht aufgibt, so erfährt Jenny am eigenen Leib, kann man viel verändern und sein eigenes Leben positiv beeinflussen. Sie wird quasi wachgerüttelt und kann nach den überstandenen Strapazen die Freundschaft mit Juli noch viel mehr wertschätzen.
Aber gerade weil die Themen Koma, Tod und Depression allgegenwärtig sind, und die Situation anfangs immer auswegloser erscheint, sollten sich Eltern gut überlegen, ob das eigene Kind so viel "Schwere" in der Handlung aushält.
Doch letztlich wird Liz Kessler ihrem Auftrag als Kinderbuch-Autorin voll und ganz gerecht, denn wie es für die Zielgruppe der ab 10-jährigen angemessen ist, entlässt sie ihre Leser/innen nicht in ein tragisches oder ungewisses Ende. Obwohl es noch einmal richtig dramatisch und spannend wird, findet sie einen Weg, ihrer Geschichte die notwendige positiven Wendung zu geben. Der Weg dorthin wird bei vielen Mädchen - und gerne auch Jungen - ein paar Dinge nachhallen lassen, bei denen es sicherlich nicht von Nachteil ist, einmal darüber nachzudenken. Somit ist "Ein Jahr ohne Juli" ein Buch, das seiner Zielgruppe einiges zutraut und zumutet, aber sie auch herausfordert - und das sollte ein gutes Buch leisten, so wird Lesen zum Abenteuer.
Liz Kessler hat bereits mit ihrem Meermädchen Emily und der Feenfreundin Philippa weltweit Erfolge gefeiert. Und auch Ein Jahr ohne Juli wird die junge Leserschaft begeistern.
Fazit:
Ein Jahr ohne Juli ist ein spannungsgeladener Thriller für junge Mädchen, die keine Angst vor echten Gefühlen haben.
Liz Kessler, Fischer Schatzinsel
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